- 22.11.2011, 19:55:07
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Die gegenderte Bundeshymne: "Heiß umfehdet, wild umstritten" Die Hymne als Spiegelbild gesellschaftlichen Bewusstseins
Wien (PK) - "Heiß umfehdet, wild umstritten", diese Anfangszeile der
zweiten Strophe der österreichischen Bundeshymne charakterisiert auch
sehr gut die Diskussion um eine geschlechtergerechte Änderung des
geltenden Textes. Die Bemühungen dazu reichen in die 90er Jahre
zurück. Bewegung in die Diskussion kam erst im Sommer dieses Jahres,
welche nun in den heutigen Beschluss des Verfassungsausschusses
mündete. Der Beschluss legt auch die Basis dafür, die Bundeshymne
erstmals gesetzlich zu verankern. Bislang gibt es dazu nur zwei
Ministerratsbeschlüsse.
Der geänderte Text der Bundeshymne
Folgt der Nationalrat der Empfehlung des Verfassungsausschusses,
lautet der Text der Bundeshymne künftig wie folgt:
Land der Berge, Land am Strome,
Land der Äcker, Land der Dome,
Land der Hämmer, zukunftsreich.
Heimat, großer Töchter und Söhne,
Volk, begnadet für das Schöne,
Vielgerühmtes Österreich,
Vielgerühmtes Österreich.
Heiß umfehdet, wild umstritten,
Liegst dem Erdteil du inmitten,
Einem starken Herzen gleich.
Hast seit frühen Ahnentagen
Hoher Sendung Last getragen,
Vielgeprüftes Österreich,
Vielgeprüftes Österreich.
Mutig in die neuen Zeiten
Frei und gläubig sieh uns schreiten
Arbeitsfroh und hoffnungsreich.
Einig lass in Jubelchören,
Vaterland, dir Treue schwören,
Vielgeliebtes Österreich,
Vielgeliebtes Österreich.
Das neue Bundesgesetz soll mit 1. Jänner 2012 in Kraft treten.
Die Bundeshymne ist genauso wie die Fahne der Republik Österreich
sowie das Bundeswappen und die österreichischen Hoheitszeichen ein
Staatssymbol. Wer sie "verächtlich macht oder sonst herabwürdigt",
macht sich nach § 248 StGB der "Herabwürdigung des Staates und seiner
Symbole" strafbar.
Die Bundeshymne - Zeichen des staatlichen Neubeginns nach 1945
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sollte auch eine neue
Bundeshymne ein Zeichen für den staatlichen Neubeginn setzen. Die
Wiedereinführung der Haydn-Hymne hätte aus der Sicht der damaligen
führenden Politiker ein falsches Signal gesendet, zumal die Melodie
vom Deutschen Reich übernommen worden war und diese daher von den
damals durch die NS-Gewaltherrschaft unterdrückten Völkern als
Provokation empfunden worden wäre. Daher beschloss man am 9. April
1946 im Ministerrat, einen Wettbewerb auszuschreiben. Der für
damalige Zeiten hohe Preis wurde mit 10.000 Schilling dotiert. Eine
Bedingung war, dass der Autor bzw. die Autorin sämtliche
Urheberrechte an der Dichtung und an der Komposition dem Staat
abtritt.
Von den rund 1.800 Einsendungen wurde aufgrund einer Jury-
Entscheidung - nachdem im Kammersaal des Wiener Musikvereins 29
Vorschläge von Staatsopernsängern und Burgtheater-Schauspielern
vorgetragen worden waren - das Freimaurer-Bundeslied "Brüder reicht
die Hand zum Bunde" ausgewählt. Der Ministerrat beschloss am 22.
Oktober 1946, die Melodie zur künftigen Hymne zu erklären. Die
Komposition schrieb man damals Wolfgang Amadeus Mozart zu, nach
heutigem Wissensstand nimmt man aber an, dass sie aus der Feder von
Johann Baptist Holzer stammt. Da die eingereichten Texte den
Anforderungen noch nicht ganz entsprachen, ersuchte man neun
TeilnehmerInnen des Preisausschreibens, darunter Paula Grogger,
Alexander Lernet-Holenia und Paula von Preradovic, nochmals einen
Text vorzulegen. Schließlich wurde jener von Paula von Preradovic
ausgewählt und in einer leicht geänderten Version mit
Ministerratsbeschluss vom 25. Februar 1947 zur "österreichischen
Bundeshymne" erhoben.
Sie erklang erstmals am 7. März 1947 im Radio, zwei Tage später wurde
sie in der Wiener Zeitung abgedruckt und am 1. Juli 1947 im
"Verordnungsblatt für den Dienstbereich des Bundesministeriums für
Unterricht" bekanntgemacht.
Da die Haydn-Hymne innerhalb der Bevölkerung sehr beliebt war, gab es
in den 50er Jahren - im Endeffekt vergebliche - Versuche, diese
wieder einzuführen. Auch die Klage der beiden Söhne von Preradovic,
Fritz und Otto Molden, auf Tantiemenzahlungen gegen die Republik
wurde unter Hinweis auf das Preisgeld abgewiesen.
Und wo sind die Leistungen der Töchter Österreichs?
Die geänderte Stellung der Frauen in der Gesellschaft machte im Laufe
der Zeit auch vor der Bundeshymne nicht Halt. In dem Wissen, dass
Sprache wie kein anderes Medium das Bewusstsein prägt, reichen die
Bemühungen, auch die Leistungen der "Töchter" Österreichs in der
Bundeshymne nicht unter den Tisch fallen zu lassen und entsprechend
zu würdigen, bis in den Anfang der 90er Jahre zurück. Federführend
waren damals Abgeordnete der Grünen und des Liberalen Forums sowie
Frauenministerin Johanna Dohnal. Sie bissen mit ihren Ideen jedoch
auf Granit.
Frauenministerin Maria Rauch-Kallat startete im Jahr 2005 eine neue
Initiative zu einer geschlechterneutralen Formulierung mit dem
Textvorschlag: "Heimat großer Töchter, Söhne", brachte dies jedoch
innerhalb der Regierung nicht durch.
Zu heftigen Reaktionen führte eine im Jänner 2010 von Christina
Stürmer eingespielte Neuinterpretation "Rock me Paula", die von
Bildungsministerin Claudia Schmied für einen Werbespot in Auftrag
gegeben worden war.
Am 24. Februar 2010 legten die Grünen dem Nationalrat einen
Entschließungsantrag vor, der in der Sitzung des
Verfassungsausschusses vom 12. Oktober 2010 vertagt wurde. Ein
weiterer Anlauf der Abgeordneten Maria Rauch Kallat (V), Renate
Csörgits (S), Judith Schwentner (G), Gisela Wurm (S), Dorothea
Schittenhelm (V), Sabine Oberhauser (S), Daniela Musiol (G) und
Heidrun Silhavy (S) erfolgte in der Nationalratssitzung vom 8. Juli,
wobei es zum Eklat kam, da Rauch-Kallat durch lange Reden ihrer
Fraktionskollegen daran gehindert wurde, den Antrag in ihrer letzten
Sitzung als Nationalratsabgeordnete zu begründen. Der Vorschlag
lautete wiederum: "Heimat großer Töchter, Söhne".
Nun dürfte mit einem neuerlichen - jetzt auch von Männern
unterstützten - Antrag der Abgeordneten Dorothea Schittenhelm (V),
Gisela Wurm (S), Judith Schwentner (G), Wolfgang Gerstl (V), Peter
Wittmann (S) und Daniela Musiol (G), der Durchbruch gelungen sein,
dieser hat heute die Hürde im Verfassungsausschuss genommen. Die
Abstimmungen im Plenum des Nationalrats und im Plenum des Bundesrats
stehen allerdings noch aus. In der ersten Strophe soll es demnach
künftig "Heimat großer Töchter und Söhne" heißen, in der dritten
Strophe werden die "Brüderchöre" durch "Jubelchöre" ersetzt.
Dass der Text zur Musik passt, zeigt nicht zuletzt die Interpretation
durch Opernsängerin Ildico Raimondi, die die neue Version bereits im
Juli 2011 aufgenommen hat. (Schluss)
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