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"Kleine Zeitung" Kommentar: "Die Achse der Antriebslosen" (Von Stefan Winkler)

Ausgabe vom 24.10.2011

Graz (OTS) - Eine seltsame Wahrnehmung der Dinge ist das:
Griechenland versinkt im Chaos, die Europäer planen für das Land einen radikalen Schuldenschnitt. Nach dem Willen von Deutschland soll ein neuer europäischer Konvent eine Vertragsreform vorbereiten, die die Europäische Union auf neue Beine stellt.

Aber was tut der Kanzler?

Er sagte beim EU-Krisengipfel in Brüssel, die Europäer müssten sich auch mit Steuerdumping und der Finanztransaktionssteuer befassen.

Das ist lieb und rührend. Aber irgendwie drängt sich der Verdacht auf, dass Werner Faymann nicht ganz auf der Höhe der Dramatik der Ereignisse ist.

Von einem Regierungschef, der, wenn er zu Krisentreffen nach Brüssel reist, von sich selber sagt, dass er nach Europa fahre, ist da wohl auch nicht viel anderes zu erwarten.

Nähme sein Koalitionspartner Europa wirklich so ernst, wie er behauptet, würde er das Vakuum, das sich da auftut, geschickt nützen, um sich selber klar zu positionieren. Aber Vizekanzler Michael Spindelegger wollte in Brüssel gar nicht erst den Eindruck erwecken, dass er sich substanzielle Gedanken über die schwerste Krise in der Geschichte der EU macht. Die Rolle des Messdieners genügt ihm in dieser Achse der Antriebslosen.

Das ist verheerend. Denn das neue Europa, das auf dem Reißbrett langsam Gestalt annimmt, ist schließlich das Europa, in dem auch wir Österreicher eines Tages leben werden.

Und das Land wäre prädestiniert für eine Maklerrolle im Konzert der großen und kleinen, der alten und neuen Mitgliedsstaaten der Union.

Es kann auf eine jahrhundertealte diplomatische Tradition zurückblicken, ist Sitz wichtiger internationaler Organisationen und hat große außenpolitische und ökonomische Expertise in Südosteuropa. Wer sagt also, dass man sich gerade in Wendezeiten wie diesen mit den Brosamen begnügen muss, die vom Tisch der Großen abfallen?

Das winzige Luxemburg tut das nicht. Es mischt kräftig mit in Europa. Man mag von seinem Premier halten, was man will. Aber Jean-Claude Juncker käme es nie in den Sinn, sich selbst aus dem Spiel zu nehmen, wenn es um die Zukunft Europas geht.

Viel deutet darauf hin, dass die Schuldenkrise zum Katalysator für die politische Union Europas wird. Von einem Kanzler kann man verlangen, dass er für sein Land vorausblickt. Faymann verweigert das. Er hat keine Idee, was die EU ist und was aus ihr werden soll. Sein Horizont reicht vom Ballhausplatz bis zur SPÖ-Zentrale in der Löwelstraße. Nicht weiter.****

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