• 06.07.2011, 12:07:16
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Gülen-Exklusiv-Interview zu deutsch-türkischen Nachrichten

Gülen: "Jeder, der im Namen der Religion etwas Falsches macht, stößt mich ab"

Wien (OTS) - Er gibt ganz selten Interviews: Erstmals bezieht nun
der in den USA lebende islamische Prediger und Gelehrte Fethullah
Gülen im großen Exklusiv-Interview der Webseite Deutsch-Türkische
Nachrichten - einer der Interviewer ist der Ex-Chefredakteur der
Zeitung Die Presse, Michael Maier - Stellung zu kontroversen Themen:
Er spricht über die mögliche Versöhnung zwischen rivalisierenden
Gruppen in der Türkei, über die Ziele der nach ihm benannten
Gülen-Bewegung, über Gewalt im Islam und über die Möglichkeit seiner
Rückkehr in die Türkei. Ein Teil des Interviews wird in dieser
ZAMAN-Ausgabe veröffentlicht. Das vollständige Interview ist auf der
Homepage www.deutsch-tuerkische-nachrichten.de abrufbar.

Die Rolle der Gülen-Bewegung war eines der großen Themen des
türkischen Wahlkampfs. Nun bezieht der in den USA lebende populäre
Prediger, nach dem die Bewegung benannt ist, erstmals Stellung zur
Lage in der Türkei. Vor allem die Rivalität zwischen Muslimen und
Kemalisten sieht Gülen als weniger dramatisch an, als dies im
aufgeheizten Wahlkampf manchmal vermutet wurde. Gülen zu den
Deutsch-Türkischen Nachrichten: "In der Türkei kann weder von zwei
Gruppen gesprochen werden, die sich deutlich in Muslime und
Kemalisten trennen, noch von einen unüberbrückbaren Abgrund zwischen
diesen zwei Gruppen. Wir sind das Erbe einer "Imperiumssesellschaft",
geprägt von einem ineinander verschlungenen Mosaik."

Gülen erläutert das Mosaik aus einer historischen Perspektive:
"Wir lebten jahrhundertelang als ein Mosaik der Völker, Religionen
und Sprachen mit Muslimen, Christen, Juden, Sunniten, Aleviten,
Türken, Kurden, Tscherkessen, Griechen, Bulgaren, Bosniaken, Serben
und Arabern. Die türkische Gesellschaft ist das Erbe dieses Mosaiks
und weiß mit anderen Menschen, egal aus welcher Religion, Rasse oder
Ethnizität, gemeinsam brüderlich zu leben." Zugleich kritisiert er
Scharfmacher, die dieses friedliche Zusammenleben stören wollen: "In
der Türkei gibt es leider, zum Teil auch auf Grund ausländischer
Einflüsse, sehr kleine, aber einflussreiche Gruppen, die sich von
diesem brüderlichen miteinander Leben gestört fühlen, weil es ihren
Interessen zuwiderläuft." Er hoffe jedoch, dass auch die militanten
Gruppen "eines Tages die Tatsache erkennen werden, dass es zu ihrem
Vorteil und in ihrem Interesse ist, sich in das Gesellschaftsmosaik
der Türkei zu integrieren, deren Vielfalt einen Reichtum darstellt".
Dies sei im Interesse der Türkei und ihrer Rolle in der Weltpolitik.

Anschuldigungen, die Gülen-Bewegung verfolge eine geheime Agenda,
an deren Ende die Umwandlung der Türkei in einen Gottesstaat stehe,
bezeichnet Gülen als "sinnwidrig": Trotz vieler Attacken gegen ihn
persönlich sei er stets von allen Vorwürfen freigesprochen worden:
"Darüber hinaus wurde kein einziger von den Millionen von Menschen,
die nach Behauptungen der 'Bewegung' angehören sollen, wegen der
genannten Anschuldigung verurteilt - weder in der Türkei, noch
irgendwo in der Welt."

Gülen äußert sich in dem Interview auch zu dem Vorwurf an den
Islam, eine latent gewaltbereite Religion zu sein: "Der Koran
missbilligt und verbietet das Zerstören des Gleichgewichts, des
Friedens, der Ordnung, Ruhe und Harmonie in vielen Versen. Er
bezeichnet Blutvergießen und Zwietracht als die zwei Dinge, die dem
Wesen des Menschen am meisten zuwiderlaufen. Daher kann zum Krieg nur
dann als letzter Ausweg gegriffen werden, wenn zwischenstaatliche
Probleme nicht durch diplomatische Beziehungen politisch gelöst
werden können." Um die Lösung eines Konfliktes mit militärischen
Mitteln zu rechtfertigen, gäbe es im Islam strenge Regeln. Ein
solcher Einsatz müsse, so Gülen, "unbedingt im Rahmen rechtlicher,
moralischer und menschlicher Normen stattfinden". Terror sei im Islam
grundsätzlich verboten. Gülen: "Der Islam sieht die schwersten
Strafen für diejenigen vor, die die grundlegenden Rechte und
Freiheiten verletzen. Er bewertet das ungerechte Töten eines Menschen
wie das Töten aller Menschen."

Der Islam habe seit dem 11. September 2001 mit großen Vorurteilen
zu kämpfen. Diese würden auch durch verschiedene politische
Interessen geschürt. Gülen: "Dazu gehören auch jene, die andere
Menschen, die nur dem Namen nach Muslime sind, zu Terrorakten
anstacheln und sie für politische Zwecke benutzen." Gülen sieht die
Muslime selbst in der Pflicht, dieser Entwicklung entgegenzutreten:
"Der Abbau dieses unzutreffenden und verbreiteten Vorurteils fällt
jedoch in erster Linie den Muslimen selbst zu." Die Muslime müssten
"den Islam unentwegt in seinem Kern und wirklichen Wesen
veranschaulichen und darüber öffentlich sprechen". Sie müssten den
Islam in seinem "wirklichen Wesen vertreten und in ihrem Leben
praktizieren" Dann würde klar, dass jene, die dafür verantwortlich
sind, dass "Islam und Terror in einem Atemzug genannt werden", einen
"großen Fehler" begehen.

Rückfragehinweis:
Wochenzeitung ZAMAN Österreich
Rotenturmstraße 1-3/3, 1010 Wien
Tel.: 01/958 00 21

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