• 29.06.2011, 10:50:32
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Bereits jeder fünfte Österreicher vertraut unserem Rechtssystem nicht

Österreicher sind mit ihren Anwälten zufrieden

Rechtsanwaltskammer Niederösterreich präsentiert Studie "Erfahrungen der Österreicher mit Anwälten und Gerichten sowie ihre Einstellung zum Justiz- und Rechtssystem"

Wien (OTS) - Mit einer österreichweiten Umfrage erhob die
Rechtsanwaltskammer Niederösterreich die Erfahrungen der Österreicher
mit Anwälten und Gerichten sowie ihre Einstellung zum Justiz- und
Rechtssystem. Die wichtigsten Ergebnisse: Bereits jeder fünfte
Österreicher (21 Prozent) vertraut dem österreichischen Rechts- bzw.
Justizsystem nicht. Bei Gericht fühlt sich nur mehr ein gutes Drittel
(38 Prozent) fair und bürgerfreundlich behandelt, lange
Verfahrensdauern und hohe Gerichtsgebühren werden bemängelt. 90
Prozent haben jedoch positive Erfahrungen mit Rechtsanwälten gemacht.
Die Rechtsanwaltskammer Niederösterreich will sich nun dafür
einsetzen, das Vertrauen in das österreichische Justiz- und
Rechtssystem wieder zu stärken.

Das kürzlich neu gewählte Präsidium der Rechtsanwaltskammer
Niederösterreich unter der Leitung von Dr. Michael Schwarz
beauftragte meinungsraum.at mit einer breit angelegten Umfrage zum
Thema "Die Österreicher, ihre Anwälte und das Vertrauen in Gerichte,
Justiz und Rechtssystem". Befragt wurden 1.000 Österreicherinnen und
Österreicher im Mai 2011. Diese repräsentativen Studienergebnisse
bilden die Basis für die Arbeitsschwerpunkte und neuen Projekte der
Rechtsanwaltskammer Niederösterreich.

Vertrauen in Justiz- und Rechtssystem ist getrübt

Das Vertrauen in das österreichische Justiz- und Rechtssystem ist bei
einem Großteil der Österreicher nur zum Teil gegeben: 71 Prozent
geben zwar an, dem Rechtssystem in Österreich teilweise zu vertrauen,
aber nur 8 Prozent haben vollkommenes Vertrauen. Bereits jeder fünfte
Österreicher - 21 Prozent - vertraut dem Rechtssystem nicht oder eher
nicht.Besonders hoch ist das Vertrauen der Tiroler und
Oberösterreicher in das Rechtssystem (83 Prozent). Im östlichsten
Bundesland Burgenland ist der Anteil mit nur 72 Prozent deutlich
geringer.

Dr. Michael Schwarz, Präsident der Rechtsanwaltskammer
Niederösterreich, zu dieser unerfreulichen Entwicklung: "Das Justiz-
und Rechtssystem sind Grundpfeiler unserer Demokratie. Solche
Ergebnisse sollten für Justiz und Politik ein Warnsignal sein. Es
müssen dringend Maßnahmen gesetzt werden, um das Vertrauen der
Österreicher in unser Rechtssystem wieder zu stärken. Die
Umfrageergebnisse zeigen, dass wir es großteils mit einem
Imageproblem aber auch mit verstärktem Informations-Bedarf der
Bevölkerung zu tun haben, denn im internationalen Vergleich
funktioniert unser Justizsystem hervorragend."

Die Rechtsanwaltskammer Niederösterreich wird dazu auch selbst
Schwerpunkte setzen: "Rechtsanwälte sind ein wichtiger Bestandteil
des gesamten Rechtssystems. Daher werden wir unsere
Informationstätigkeit und Serviceleistungen ausbauen und uns auch
dafür einsetzen, dass der Zugang zum Recht für die Österreicherinnen
und Österreicher erleichtert wird", so Schwarz.

Österreicher mit Anwälten zufrieden, Image der Anwälte aber
verbesserbar

Die Österreicher schreiben den Rechtsanwälten ein gutes Zeugnis aus:
Die meisten der Befragten (90 Prozent) haben sehr gute oder eher gute
Erfahrungen mit Rechtsanwälten gemacht. In Niederösterreich und Wien
geben das sogar 93 Prozent der Befragten an. Auch sehr gut schneiden
die österreichischen Anwälte im Hinblick auf ihr Image ab: Drei
Viertel beurteilten das Image der Rechtsanwälte mit sehr gut oder
gut.

Im Detail gibt es aber durchaus Verbesserungsmöglichkeiten: So ist
etwa nur mehr jeder Zweite überzeugt, dass österreichische
Rechtsanwälte über ein ein großes Fachwissen (54 Prozent) verfügen
und Interesse am persönlichen Anliegen der Klienten (55 Prozent)
haben. Gut erreichbar sind Anwälte ebenso nur für die Hälfte ihrer
Klienten (52 Prozent).

Bei jenen Befragten, die angaben, keine guten Erfahrungen mit
Anwälten gemacht zu haben, ist zu 59 Prozent ein Grund festzustellen:
Ein Gerichtsverfahren ist nicht optimal gelaufen.

Dazu Dr. Elisabeth Zimmert, Rechtsanwältin aus Neunkirchen und
Mitglied des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer NÖ: "Uns
niederösterreichische Rechtsanwälte freuen diese Umfrageergebnisse
einerseits, denn wir konnten gleichauf mit den Kärntner Kollegen
Top-Werte bei der Zufriedenheit unserer Klienten einfahren.
Andererseits möchten wir unsere Serviceleistungen, die den Menschen
helfen zu ihrem Recht zu kommen, bekannter machen. In
Niederösterreich werden wir vor allem das Schulprogramm 'Anwaltstag
in Schulen' weiter ausbauen und so mithelfen, Schüler auf ihre Rechte
und Pflichten als Erwachsene vorzubereiten."

Glaubwürdigkeit der Akteure im Rechtssystem verbesserungswürdig

Auch die Glaubwürdigkeit unterschiedlicher Berufsgruppen wurde im
Rahmen der Studie verglichen: Während die Hälfte der Befragten den
Berufsgruppen der Richter und Ärzte eine hohe Glaubwürdigkeit
zuschreibt (50 bzw. 48 Prozent), tun das deutlich weniger im
Zusammenhang mit Staatsanwälten und Rechtsanwälten (36 bzw. 33
Prozent). An unterster Stelle gereiht sind Politiker und Journalisten
- jeder Zweite (47 Prozent) meint, Journalisten haben eine geringe
Glaubwürdigkeit, bei Politikern sagen das sogar 85 Prozent.

Schwarz: "Es ist erfreulich und gerechtfertigt, dass den Richtern in
unserem Land immer noch sehr großes Vertrauen entgegengebracht wird.
Politiker, die das Rechtssystem in Vertretung des Volkes maßgeblich
mitgestalten, sind dagegen bedauerlicherweise weit abgeschlagen.
Anwälte liegen bei der Glaubwürdigkeit zwar im vorderen Mittelfeld,
dennoch werden wir daran arbeiten, die Wahrnehmung unserer
Berufsgruppe in der Öffentlichkeit weiter zu verbessern."

Die Rechtsanwaltskammer Niederösterreich wird in diesem Zusammenhang
das bereits bestehende Beschwerdemanagement forcieren und auch die
Möglichkeit, bei der Kammer Honorarnoten im Hinblick auf
Angemessenheit überprüfen zu lassen, breiter kommunizieren.

Vertretung bei Gericht besonders wichtig

Als Hauptaufgabe von Rechtsanwälten wird von 81 Prozent der
Österreicher die Vertretung der Klienten-Interessen bei Gericht
angegeben. Drei Viertel der Befragten erwarten sich von einem
Rechtsanwalt Beratung und rechtliche Auskunft.

Schwarz: "Wichtig wird es vor allem sein, die weiteren zahlreichen
Leistungsangebote eines Rechtsanwaltes wie Kaufverträge,
Gesellschaftsverträge, Errichtung von Testamenten u.v.m besser zu
kommunizieren. Gerade aufgrund ihrer Streiterfahrung in vielen
Gerichtsprozessen sind Rechtsanwälte als Berufsgruppe besonders in
der Lage, mögliche Streitpunkte in Verträgen bereits vor
Vertragsabschluss zu erkennen und Lösungen in den Vertrag
aufzunehmen. Berufsgruppen, die keine Prozesse bei Gericht führen,
fehlt oft diese Erfahrung."

Kostenlose anwaltliche Erstauskunft

Die zu bestimmten Terminen angebotene, kostenlose anwaltliche
Erstauskunft wird von der Bevölkerung besonders geschätzt. Dazu
Schwarz: "Alleine in Niederösterreich nehmen die Rechtsanwälte pro
Jahr etwa 4.000 kostenlose Beratungstermine wahr. Dieser Service soll
Schwellenangst abbauen und vor allem sozial Schwächeren helfen, zu
ihrem Recht zu kommen."

Fairer Umgang bei Gericht - aber zu lange Verfahrensdauer und hohe
Gebühren

Etwa jeder Dritte der Befragten gab an, in den letzten fünf Jahren
Kontakt mit einem Gericht gehabt zu haben. Dabei liegen Wien (43
Prozent) und Kärnten (41 Prozent) klar über dem Bundesdurchschnitt.
38 Prozent davon fühlten sich dort auch fair und kundenfreundlich
behandelt. Kritisiert wird hingegen von 86 Prozent die oft (viel) zu
lange Verfahrensdauer - vor allem von den Steirern (91 Prozent) und
den Oberösterreichern (89 Prozent).

Dr. Friedrich Nusterer, Vizepräsident der Rechtsanwaltskammer
Niederösterreich, führt das unter anderem auf den kontinuierlichen
Personalabbau bei den Gerichten zurück: "Der Personalabbau macht sich
bei der Verfahrensdauer negativ bemerkbar. Die Richter, aber vor
allem auch die Rechtspfleger und Kanzleibediensteten können die
zunehmenden Aktenberge kaum mehr bewältigen. Eine massive
Personalaufstockung bei den Gerichten - insbesondere auch im
nichtrichterlichen Bereich - wäre dringend notwendig."

Ein weiterer Kritikpunkt sind laut Umfrage die Gebühren bei Gericht.
Die Kopierkosten von derzeit 1 Euro pro Seite finden 80 Prozent der
Österreicher "völlig überzogen". "Will man einen umfangreicheren Akt
kopieren, dann belastet das bereits mit einem enormen Betrag", weiß
Nusterer aus der Praxis zu berichten.

Aber nicht nur diese Kosten stoßen der Kammer auf, sondern auch die
gerichtlichen Pauschalgebühren, die mit der Einreichung einer Klage,
Berufung, Exekution u.ä. zu entrichten sind. Nusterer: "Die nach der
Höhe des Streitwertes bemessene Pauschalgebühr muss gleich am Beginn
des Verfahrens bezahlt werden und trifft gerade die Rechtsuchenden,
die keine Verfahrenshilfe mehr bekommen, außergewöhnlich hart. Die
Pauschalgebühr beträgt häufig mehrere Tausend Euro und muss vom
Bürger auch dann entrichtet werden, wenn die Gerichtstätigkeit in
einer bloßen Stampiglie auf ein vorbereitetes Versäumungsurteil
besteht. Hier wird der Rechtsuchende über Gebühr in unsachlicher Form
belastet."

Rechtsanwaltskammer Niederösterreich

Die Rechtsanwaltskammer Niederösterreich ist eine Organisation der
Selbstverwaltung der Rechtsanwaltschaft und erfüllt als Körperschaft
öffentlichen Rechts auch öffentlich-rechtliche Aufgaben und
Funktionen. Der Präsident, die Vizepräsidenten, die Mitglieder des
Ausschusses und die Mitglieder des Disziplinarrates werden in
geheimer Wahl von der Vollversammlung direkt gewählt. Die Funktionen
werden ehrenamtlich ausgeübt. Die Administration der
Rechtsanwaltskammer Niederösterreich wird über die Kammerkanzlei in
St. Pölten geführt.

Download von Fotos, Text und Studienergebnisse auch unter:
http://www.skills.at/?m_ar_id=877

Bild(er) zu dieser Aussendung finden Sie im AOM/Original Bild
Service, sowie im OTS Bildarchiv unter http://bild.ots.at

Rückfragehinweis:
The Skills Group, Tel. 01-505 26 25, Web: http://www.skills.at
Jürgen Gangoly, E-Mail: gangoly@skills.at
Christiane Fuchs-Robetin, E-Mail: fuchs-robetin@skills.at

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