
Wien (OTS) - Auf dem Gebiet der Behandlung unfallbedingter,
traumatischer Knochendefekte ist die Universitätsklinik für
Unfallchirurgie der MedUni Wien am AKH Wien führend. Nun konnte ein
unfallbedingt stark verkürzter Oberschenkelknochen mit der
innovativen NAL-Methode wieder verlängert werden - um 26 Zentimeter,
in nur acht Monaten.
Gebrochene und zerstörte Knochen sind die häufige und bekannte
Folge eines Unfalls. Ein weniger bekannter unfallbedingter
Knochendefekt ist die Verkürzung von Röhrenknochen (zum Beispiel der
Ober- oder Unterschenkelknochen). Die sogenannte Kallusdistraktion
(Knochenverlängerung) ist in diesen Fällen eine effektive und sichere
Therapie. Dabei wird zunächst der Knochen durchschnitten, wodurch
eine künstliche Wachstumsfuge entsteht. Mit der kontrollierten
Dehnung dieser Wachstumsfuge kann der Knochen auch bei Erwachsenen
verlängert werden. Zur Dehnung wird ein ringförmiger, äußerer Rahmen
angebracht (Fixateur externe), der mit den durchtrennten Knochen
verbunden ist und sukzessive auseinanderbewegt wird.
Konventionelle Kallusdistraktion: Ein Zentimeter Knochenverlängerung
pro Monat
Nach der Dehnung muss der Knochen aushärten. Bei der
konventionellen Kallusdistraktion verbleibt zu diesem Zweck der
äußere Rahmen auf der betroffenen Gliedmaße. Dazu Univ. Prof. Dr.
Gerald E. Wozasek von der Universitätsklinik für Unfallchirurgie der
MedUni Wien am AKH Wien: "Pro Tag kann der Knochen im Idealfall um
einen Millimeter gedehnt werden. Weitere zwei Tage pro Millimeter
sind für das Aushärten des Knochens nötig. Als Faustregel entspricht
bei der konventionellen Kallusdistraktion also ein Zentimeter
Knochenverlängerung einem Monat Tragen des äußeren Rahmens. Gerade
bei großen Dehnungen kann die Kallusdistraktion dadurch langwierig
und unangenehm sein. Hinzu kommt ein allgemeines Infektionsrisiko, da
die Eintrittsstellen des verwendeten äußeren Rahmens keimbelastet
sind."
AKH Wien und MedUni Wien weltweit Vorreiter bei schneller NAL-Methode
Als Alternative dient die innovative NAL-Methode (NAL/Nailing
after Lengthening), bei der Wien weltweit zu den Vorreitern zählt.
Bereits mehrfach konnte Wozasek diese Methode - bei der nach
Abschluss der Knochendehnung von einem externen System (äußerer
Rahmen) auf ein internes Stabilisierungssystem (Marknagel) gewechselt
wird - erfolgreich anwenden. Der große Vorteil liegt in der
Zeitersparnis: Der Patient muss den lästigen, weil klobigen äußeren
Rahmen um zwei Drittel kürzer tragen als sonst, da der Knochen durch
das Setzen eines stabilisierenden Marknagels sofort wieder voll
belastet werden kann.
26 Zentimeter zerstörter Oberschenkelknochen
Die bis jetzt größte Kallusdistraktion unter Verwendung der
NAL-Methode schloss Wozasek kürzlich erfolgreich ab. Im Juli 2010
wurde der linke Oberschenkel des 15-jährigen Patrick schwerstens
verletzt: Auf 26 Zentimetern Länge wurde der Oberschenkelknochen über
dem Knie abgetrennt und ein großes Stück des Oberschenkels
herausgetrennt. Das Bein hing nur noch an einigen Muskeln, Nerven und
einer Arterie. Das Kniegelenk war vollkommen zerstört. Zusätzlich war
die Kniekehlenvene durchtrennt und das Gewebe stark verschmutzt.
Sofortmaßnahmen zur Stabilisierung des zerstörten Oberschenkels
Das Unfallopfer wurde von Wozasek an der Universitätsklinik für
Unfallchirurgie der MedUni Wien am AKH Wien übernommen: "Die Wunde
sah aus, als ob der Knochen herausgerissen wurde. In meiner gut
30-jährigen Arbeit als Unfallchirurg habe ich so etwas noch nie
gesehen." Um das verletzte Bein zu stabilisieren, wurde nach Naht der
verletzten Vene von Wozasek ein äußerer Rahmen montiert, das Bein
verkürzt und an dieser Stelle eine Konstruktion aus Markdrähten und
Knochenzement als Platzhalter eingesetzt. Rasch zeigte sich der
Erfolg der Maßnahmen.
Amputation oder Knochenverlängerung?
In dieser Zeit diskutierte Wozasek mit Patrick und dessen Eltern
die Frage einer Amputation: "Da das Knie zerstört war, musste Patrick
klar sein, dass sein Bein steif bleibt. Nach einer Amputation hätte
er innerhalb von drei Wochen nach Hause können." Für den jungen
Niederösterreicher keine Option. Er wünschte sich von Anfang an die
von Wozasek angebotene Alternative einer Kallusdistraktion: 26
Zentimeter Knochen sollten rekonstruiert werden, nicht nur aufgrund
der Länge sondern auch aufgrund der schweren Traumatisierung des
Oberschenkels ein außergewöhnliches Unterfangen. Dazu Wozasek:
"Patrick traf diese Entscheidung, obwohl er wusste, dass ihm dadurch
wahrscheinlich mehrere schwierige Jahre bevorstehen." Anfang
September 2010 startete am AKH die Rekonstruktion. Zu diesem Zweck
zersägte Wozasek den Knochen an zwei Stellen und setzte einen äußeren
Rahmen. Damit begann die Verlängerung von Patricks Ober- und
Unterschenkelknochen.
Nur acht Monate später: Knochen um 26 Zentimeter verlängert und voll
belastbar
Im Mai 2011 war es so weit: Patricks Knochen war durch die
Kallusdistraktion in nur acht Monaten um 26 Zentimeter länger
geworden. Zum Aushärten des Knochens hätte er den klobigen Rahmen
noch knapp zwei Jahre tragen müssen. Das konnte Wozasek dem
inzwischen 16-jährigen Patrick durch die NAL-Methode ersparen. In
einer vierstündigen Operation entfernte Wozasek vor wenigen Tagen
zunächst den externen Rahmen. Die große Herausforderung war das
Setzen eines 80 Zentimeter langen Marknagels, der nun den Unter- mit
dem Oberschenkel verbindet und so das Bein stützt. Wozasek kurz nach
der Operation: "Schon bald wird Patrick wieder voll mobil sein. Noch
im Aufwachraum bedankte er sich für die Operation. Das war für mich
der schönste Augenblick."
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Rückfragehinweis:
Mag. Johannes Angerer Leiter Öffentlichkeitsarbeit & Sponsoring Medizinische Universität Wien Tel.: 01/ 40 160 11 501 E-Mail: pr@meduniwien.ac.at www.meduniwien.ac.at Karin Fehringer, MBA Leiterin Informationszentrum und PR Direktion der Teilunternehmung AKH Wien Tel.: 01/ 40 400 1216 E-Mail: post_akh_diz@akhwien.at Hwww.akhwien.at
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