"KURIER"-Kommentar von Martina Salomon: "Wien ist nicht Athen - nur ein bisschen"
Sollte sich Österreich auf den guten Wirtschaftsdaten ausruhen, wird's gefährlich.
Wien (OTS) - Na bitte, geht doch irgendwie: Die Chemie zwischen
Rot und Schwarz scheint dank rundum erneuerter ÖVP-Regierungsmannschaft nun wieder zu stimmen. Aber es bleiben starke Zweifel, ob das Notwendige schnell genug angepackt wird. Wien ist natürlich nicht Athen, dennoch sollte das vor der Staatspleite stehende Griechenland warnendes Beispiel sein - auch für Österreich. Die griechische Politik hat jahrzehntelang echte Strukturreformen verschleppt und absurde Privilegien einzelner Bevölkerungsgruppen nie gekappt. Wer glaubt, dass die Griechen verantwortungsloser als die Österreicher wären, sei nur an die Großdemonstrationen aus weit geringerem Anlass, nämlich der damaligen schwarz-blauen Pensionsreform, erinnert. Die Novelle wurde von der jetzigen Regierung schnell wieder verwässert, das tatsächliche Pensionsantrittsalter ist (gegen den internationalen Trend) seit 2005 gesunken. Abgesehen davon hat Österreich dank desaströser freiheitlicher Politik selbst "griechische Verhältnisse". Die Kärntner Hypo-Alpe-Adria-Bank musste vom Staat teuer gerettet und notverstaatlicht werden. (Das sollten jene bedenken, die die FPÖ für regierungstauglich halten.)
Der Internationale Währungsfonds, der unserer Wirtschaft prinzipiell ein gutes Zeugnis ausstellt, gab der österreichischen Politik letzten Montag eine klare Reform-Anleitung:
Pensionsantrittsalter heben, Schuldenabbau ehrgeiziger betreiben, Gesundheitswesen effizienter gestalten, Subventionen einsparen, mehr Eigenkapitalbildung der Banken, Bildungschancen von Migranten erhöhen, strengere Zulassungskriterien für die Unis. Man möchte hinzufügen: Und bitte, liebe Sozialdemokraten, schielt weniger angstvoll auf die FPÖ, die - wie europaweit alle populistischen Parteien - von der Krise profitiert. Das Nachahmen der oberflächlichen blauen Anti-die-da-oben-Rhetorik beschädigt den Wirtschafts- und Aktienplatz Österreich dauerhaft. An der Wiener Börse brechen gerade die Handelsumsätze ein. Gut, weil wir vertreiben böse Spekulanten, richtig? Oder doch eher schlecht, da das auch die "kleinen Leute" treffen könnte, weil am Aktienmarkt ja zum Beispiel Pensionsgelder für Hunderttausende veranlagt werden?
Die Regierung müsste längst ihre diversen Kampagnen bündeln und nicht nur erklären, wie sie das Land jetzt rasch reformieren wird, sondern auch dazusagen, dass die Rettung Griechenlands auch für uns teuer, aber unumgänglich ist. Wer die dramatische Lage schönredet, spielt nur den Blauen in die Hände. Ein Zusammenbruch Griechenlands (Portugal, Irlands etc.) würde in einer Kettenreaktion die Finanzen ganz Europas bedrohen. Wobei es Schwachsinn ist, sich den Schilling wieder herbeizufantasieren. Diese Krise lässt sich nicht mit populistischen Rezepten lösen, auch wenn sie noch so bestechend klingen. Jetzt ist Schluss mit lustig: in Griechenland. Und auch in Österreich.
Rückfragen & Kontakt:
KURIER, Chefredaktion
Tel.: (01) 52 100/2601