• 31.03.2011, 14:23:54
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"Die Gottesfrage entzieht sich der naturwissenschaftlichen Methode"

Kardinal Schönborn präsentierte Gemeinschaftswerk der Professoren Johannes Huber und Walter Thirring "Baupläne der Schöpfung. Hat die Welt einen Architekten?"

Wien (OTS) - Wien, 31.03.11 (PEW) Kardinal Christoph Schönborn
präsentierte am Donnerstag im Wiener "Club Stephansplatz 4" das neue
Gemeinschaftswerk der Professoren Johannes Huber (Mediziner) und
Walter Thirring (Physiker) "Baupläne der Schöpfung. Hat die Welt
einen Architekten?" Der Wiener Erzbischof nannte es ein "mutiges
Zeichen", dass die beiden Naturwissenschaftler schon in der
Titelgebung ihres Buches ein Bekenntnis zum Schöpfer abgelegt haben.
Freilich dürfe man sich von der Naturwissenschaft nicht erwarten,
dass sie einen Gottesbeweis liefert, das sei eine Überforderung. "Die
Naturwissenschaften können den Menschen an die Schwelle der
Gottesfrage führen", betonte Kardinal Schönborn: "Aber das ist eine
existenzielle Frage, die sich der naturwissenschaftlichen Methode
entzieht".

In diesem Zusammenhang erneuerte Kardinal Schönborn seine Kritik an
der Denkschule des "Intelligent Design", mit der er sich "zu Unrecht"
in eine Schublade gesteckt fühle. Der Grundfehler der -"zweifellos
sehr bemühten" - Vertreter des "Intelligent Design" bestehe darin,
dass sie meinen, "aus der Komplexität der Wirklichkeit" die Existenz
eines "Designers" naturwissenschaftlich beweisen zu können.

Zugleich müsse man sich vor Augen halten, dass die
naturwissenschaftliche Fragestellung nicht die einzig mögliche ist.
Es gebe auch die menschlichen Grundfragen, die sein Vorvorgänger
Kardinal Franz König immer prägnant zusammengefasst habe, erinnerte
der Wiener Erzbischof: Woher komme ich? Wohin gehe ich? Welchen Sinn
hat mein Leben? Kardinal Schönborn plädierte für ein Miteinander von
Naturwissenschaft und Religion und machte sich das Zitat aus dem Buch
von Huber und Thirring zu eigen: "Der Dialog zwischen
Naturwissenschaft und Religion ist sinnvoll, muss aber getragen sein
von Toleranz und Achtung gegenüber Andersdenkenden". Wörtlich betonte
Kardinal Schönborn: "Der Glaube widerspricht nicht der Vernunft, geht
aber darüber hinaus".

Der Publizist Heinz Nussbaumer bezeichnete als Moderator der
Präsentation das im "Seifert"-Verlag erschienene Gemeinschaftswerk
der beiden Wiener Professoren als ein "Novum". Es stelle den Versuch
einer "engagierten Versachlichung" einer oft emotional geführten
Diskussion dar. Das 410 Seiten starke Werk setzt sich mit den Fragen
von Anfang und Ende der Welt, Natur und Moral, Glauben und Wissen,
mit ethischen Grundfragen der menschlichen Existenz in der Welt von
heute auseinander.

Prof. Thirring, ein evangelischer Christ, sagte bei der Präsentation,
die in dem Buch behandelten Fragen beschäftigten ihn seit
Jahrzehnten. Prof. Huber erinnerte an sein letztes Gespräch mit
Kardinal König kurz vor dessen Tod: "Bitte machen Sie weiter im
Gespräch zwischen Naturwissenschaft und Religion". Zugleich betonte
der Mediziner (der viele Jahre auch Sekretär von Kardinal König war),
dass er unter der "Militanz des neuen Atheismus" leide. Es sei ihm
ein Anliegen, dieser Intoleranz entgegenzutreten.

Es gebe unterschiedliche Ausdrucksweisen zwischen Religion und
Naturwissenschaft, die aber durchaus auch übereinstimmen könnten:
Prof. Thirring erinnerte an die Formulierung des "Vater unser", die
deutlich mache, dass alle Menschen Kinder desselben Vaters sind. Auch
die Naturwissenschaft besage, dass alle Menschen Produkt der selben
evolutionären Entwicklung sind. Der Physiker erinnerte daran, dass
auch im naturwissenschaftlichen Denken - ebenso wie im religiösen
Denken - "ein Gesetz das ganze Universum umspannt". So sei "in jedem
noch so kleinen Punkt der Bauplan des gesamten Universums vorhanden",
die Naturgesetze seien überall gültig, so Thirring.

Prof. Huber unterstrich - ausgehend von Erkenntnissen der modernen
Biologie -, dass für die Überwindung gesellschaftlicher
Fehlentwicklungen die "tägliche Arbeit am eigenen Ich" notwendig sei.
"Die Ethik der abrahamitischen Weltreligionen würde genug
Lösungsansätze für die Krisen bieten, in der sich die Welt
gegenwärtig befindet", sagte Huber unter Verweis auf die aktuellen
Stichworte Fukushima, Finanzkrise, Korruption, Überalterung der
Gesellschaft usw. An fünf der Zehn Gebote führt der Mediziner diese
Überzeugung im Detail aus.

Zugleich arbeitete der Wiener Gynäkologe und Geburtshelfer die Rolle
der "Prägeerlebnisse", auch der vorgeburtlichen, heraus. Durch diese
Prägeerlebnisse werde die Entscheidung für oder gegen den
Gottesglauben bestimmt. In der christlichen Theologie sei in diesem
Zusammenhang von "Gnade" die Rede. Huber erinnerte an den berühmt
gewordenen Satz von Bruno Kreisky bei der Entgegennahme eines hohen
päpstlichen Ordens. Der Politiker sagte damals, er schätze und
respektiere die Kirchen, "aber ich habe die Gnade des Glaubens
nicht".

Letztlich sei die Entscheidung für oder gegen den Glauben an Gott
immer vorwissenschaftlich, betonten Huber und Thirring
übereinstimmend. Naturwissenschaftlich könne man weder die Existenz
noch die Nichtexistenz Gottes beweisen. (ende)

Rückfragehinweis:
Erzdiözese Wien, Öffentlichkeitsarbeit & Kommunikation
Tel. 0664/515 52 69
E-Mail: media@edw.or.at

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