- 02.03.2011, 18:15:11
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WirtschaftsBlatt-Leitartikel: Libyen ist nur die halbe Öl-Wahrheit - von Jochen Hahn
Alles schreit nach einem Ende der Nullzinspolitik
Wien (OTS) - Die Welt ist in Sorge, die Börsen höchst nervös.
Verantwortlich dafür sind die Revolutionen in Nordafrika und der
arabischen Welt, die den Ölpreis immer weiter nach oben treiben. Am
Dienstag beschäftigte sich auch US-Notenbankchef Ben Bernanke vor dem
US-Senat mit diesem Thema. Seiner Expertise zufolge soll der
Inflationsdruck durch steigende Ölpreise nur temporär sein und keine
nachhaltige Entwicklung darstellen. Eine äußerst gewagte These.
Die politischen Umwälzungen, wie sie aktuell in Libyen stattfinden,
haben zwar das Panikpotenzial am Ölmarkt deutlich erhöht, einen
gewichtigen Teil der Ölpreissteigerungen muss sich Ben Bernanke aber
höchstselbst auf die Fahnen heften. Die rekordtiefen Zinsen und das
600 Milliarden US-$ schwere Anleihenkaufprogramm der Fed sind es
nämlich, die nicht nur am Ölmarkt die Preise springen lassen. Und das
schon weit vor der Eskalation in Nordafrika.
Ein Lied davon können vor allem die Schwellenländer singen. Dort
führen die explodierenden Rohstoff- und Lebensmittelpreise derweil zu
Inflationsraten zwischen sechs und neun Prozent. Derartige
Teuerungsraten schreien geradezu nach einem Ende der Nullzinspolitik.
Zur Erinnerung: Ben Bernanke hat den Leitzins bis auf Weiteres unter
0,25 Prozent festgezurrt. Wobei das aktuelle Anleihenkaufprogramm
laut Fed einer zusätzlichen Zinssenkung von 75 Basispunkten
entspricht.
In den Schwellenländern steigen jedenfalls die Zinsen längst, um die
Währungen hoch zu halten und damit zumindest einen Teil der Inflation
abzufedern. Allerdings ist das ein Kampf gegen Windmühlen, wenn in
den USA, Japan und Europa die Zinsen weiter am Boden liegen.
Die Währungshüter sollten in ihrer öffentlichen Darstellung auch
nicht länger nur die Verteuerungen bei Rohstoffen und Öl in den
Vordergrund stellen. Spätestens, wenn der Druck der Tankstellenpreise
zunimmt, wird sich die Inflationsspirale auch in Richtung höherer
Lohnforderungen weiter drehen. Und genau dann können die Notenbanken
nicht mehr aus und es muss eine Kapitalverteuerung via Zinserhöhungen
folgen.
Besonders für Europa bedeutet das den Tag der Wahrheit: Die Banken
müssen dem Tropf der EZB abschwören und Problemstaaten wie
Griechenland, Portugal, Spanien oder Irland dann noch mehr für ihre
Refinanzierung berappen. Derweil wird sich wohl auch die Politik
wieder zu Wort melden, um das Märchen der bösen Spekulanten neu
aufzuwärmen. Irgendjemand muss ja schuld sein am teuren Öl.
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