- 28.02.2011, 17:09:58
- /
- OTS0227 OTW0227
Bürgermeistertag: "Immer mehr Aufgaben, immer weniger Geld für Gemeinden"
Masterplan "Ländlicher Raum" - Aufgabenorientierter Finanzausgleich
Wien (OTS) - Der Einladung zum 23. Österreichischen
Bürgermeistertag waren heute 150 Bürgermeister und kommunale
Entscheidungsträger aus ganz Österreich ins Francisco-Josephinum in
Wieselburg gefolgt - das ist neuer Besucherrekord. Schon zum zweiten
Mal fand heute die von der Arbeitsgemeinschaft Ländlicher Raum und
Forum Land veranstaltete Reihe im Rahmen der "Ab Hof"-Messe in
Wieselburg, NÖ, statt. Organisator und Tagungsleiter Sixtus Lanner
hatte die Diskussionsveranstaltung mit dem Titel "Unsere Gemeinden:
Immer mehr Aufgaben. Immer weniger Geld. Wohin soll das führen?"
überschrieben und mit Rechnungshof-Präsident Josef Moser,
ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf und Landtagsabgeordneten Karl Moser,
Bürgermeister der Marktgemeinde Yspertal, drei hochkarätige
Referenten um Antworten gebeten.
Forum-Land Obmann Fritz Grillitsch, der gemeinsam mit der ARGE
Ländlicher Raum die Tagung organisierte, wies bei der Eröffnung
darauf hin, "dass die Zeit der großen Budgetversprechungen vorbei
ist. Umso mehr müssen wir darauf schauen, dass es zu einer gerechten
Verteilung der Mittel kommt". Die Chance für den ländlichen Raum
sieht Grillitsch insbesondere in der "Sehnsucht nach Heimat", die im
Zeitalter der Globalisierung stärker werde. Um die neuen
Herausforderungen wie Klimawandel oder die Sicherheit von Ernährung,
Lebensmitteln oder Energieversorgung zu beantworten, forderte
Grillitsch ein Mehr an gesellschaftlicher Solidarität und
zukunftsfähige Lösungen.
Abschaffung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels
Angesichts der drängenden Finanznöte der Gemeinden hatte der
niederösterreichische Bürgermeister und Landtagsabgeordnete Moser
konkrete Vorstellungen zur Entlastung der Gemeinden. "Es ist sinnlos,
wenn Gemeinden einen Wettbewerb darin führen, die besseren
Betriebskeiler oder Kopfgeldjäger zu sein", betonte er. Dies stelle
insbesondere für Abwanderungsgemeinden ein Problem dar. Was den
Stabilitätspakt anlangt, "gehören die Gemeinden nicht zu den
Schuldentreibern unter den Gebietskörperschaften", stellte Moser
klar.
So beläuft sich die Schuldlast des Bundes auf EUR 200 Mrd., die
Schuldlast aller österreichischen Gemeinden zusammen auf EUR 10,7
Mrd. Zudem forderte Moser eine neue Balance zwischen Ballungsräumen
und ländlicher Raum - für die ländlichen Gemeinden sei weder eine
Konzentration noch eine Zentralisierung der richtige Weg. "Der
Finanzlastenausgleich gehört aufgabenorientiert geregelt, der
abgestufte Bevölkerungsschlüssel muss endlich abgeschafft werden, die
Transferleistungen von Bund, Ländern und Gemeinden sollten
entflochten werden", brachte Moser die Benachteiligung von kleineren,
ländlichen Gemeinden auf den Punkt.
Vom Bund wünschte sich er, dass der Pflegefonds umsetzt wird und
mit der Verwaltungsreform, einen Faktor einführt, mit dem die
Umverteilung der Kommunalsteuer auch ins Hinterland ermöglicht wird.
Dazu gibt es laut Moser beispielsweise in Deutschland Modelle, wo
Einwohner pro Quadratmeter oder pro Straßendichte, die Seehöhe oder
insgesamt die sozioökonomische Entwicklung eines Ortes miteinbezogen
werde. Auch die Regionalbanken sieht Moser in der Pflicht: "Banken
sollten nicht nur Kredite vergeben, sondern sich via Private Public
Partnership aktiv an öffentlichen Projekten beteiligen."
Gesundheits- und Sozialhilfekosten explodieren
Rechnungshof-Präsident Josef Moser legte alarmierende Zahlen vor:
So werden sich die Pflegekosten in den nächsten 30 Jahren verdoppeln,
die Gesundheitsbudgets haben zuletzt um 9% zugelegt, die Kosten für
Sozialhilfe sind gar um 40 % in die Höhe geschnellt. Alarm auch beim
Staatsdefizit: Von 2007 auf 2009 ist es von EUR 1,16 Mrd. auf 9,6
Mrd. gestiegen. In Niederösterreich gab es 2005 noch 29
Abgangsgemeinden, während im Vorjahr 2010 bereits 158 in den roten
Zahlen steckten. "Ohne Strukturreform ist der Generationenvertrag
ernstlich gefährdet, schon jetzt wird die Solidarität zwischen
einzelnen Gebietskörperschaften aufgekündigt."
Prüfen darf der oberste "Kontrolleur der Republik" Gemeinden über
10.000 Einwohner - das sind derzeit 71 von 2.356 Kommunen. Dabei
sieht Moser die Gemeinden "als Partner, auf die es beim
Stabilitätspakt und bei den Maastricht-Kriterien ankommt - nicht als
Prüfobjekte". Die Prüfungen sieht er auch als wichtigen Beitrag, die
Finanzströme offenzulegen und die Diskussion darüber zu
versachlichen, um das Geld im Rahmen des Finanzausgleiches dorthin zu
lenken, wo es gebraucht wird. Moser verlangte eine vernetzte
Betrachtungsweise und mehr Transparenz: "Noch fehlt uns eine
Gesamtsicht über die finanzielle Lage der Gemeinden", erklärte er.
Strukturreform notwendig, Pflegefonds soll kommen
Transparenz und Entlastung verfolgte auch ÖVP-Klubobmann Kopf in
seinem Statement beim Bürgermeistertag. Sein Gebot der Stunde hieß:
"Effizienzsteigerung bei den Kostentreibern soziale Wohlfahrt,
Gesundheit und Pflege". Hier müsse die jährliche Steigerung an das
Wirtschaftswachstum von derzeit 2% angepasst werden. Im
österreichischen Gesundheitswesen, das zu den besten, aber auch
teuersten Systemen der Welt gehöre, ortet Kopf ein Sparpotenzial von
10 bis 20% ohne spürbare Qualitätseinbußen für die Patienten.
"Eine jährliche 6-prozentige Kostensteigerung im Spitalsbereich
ist nicht finanzierbar. Die Kosten dürfen nicht mehr steigen, als die
Wirtschaft wächst", stellte Klubobmann Kopf in Wieselburg
SPÖ-Gesundheitsminister Alois Stöger die Rute für eine Spitalsreform
ins Fenster. Als Hilfeleistungen für die Finanzierung der Pflege will
sich Kopf in den nächsten Wochen und Monaten für die Umsetzung und
Dotierung des Pflegefonds stark machen. Neuen Steuern zur
Finanzierung der gestiegenen Aufgaben erteilte Kopf hingegen eine
Abfuhr. "Die Abgabenquote liegt bereits bei 44%. Da haben wir keinen
Spielraum für zusätzliche Steuern", sagte er. Den Gastgebern
Grillitsch und Lanner, aber auch den anwesenden Bürgermeistern sprach
Kopf mit seinem Fazit ganz aus dem Herzen: "Wir müssen alles daran
setzen, um vergleichbare Lebensbedingungen im Ländlichen Raum zu
erhalten."
(Schluss)
Rückfragehinweis:
Mag. Andrea Salzburger
Forum Land, Brucknerstraße 6/3, 1040 Wien
Tel.: 01/505 81 73-28
mailto: a.salzburger@bauernbund.at
http://www.forum-land.at
OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | AIM