Armenisch-katholische Mönche im 7. Bezirk feiern Jubiläum - "Eine lebendige Brücke zwischen Orient und Okzient" - Wichtigstes Zentrum armenischer Kultur in Mitteleuropa
Wien (OTS) - 26.01.11 (PEW) Das Wiener Mechitharistenkloster
feiert sein 200-Jahr-Jubiläum. Die Mechitharisten sind
armenisch-katholische Mönche, die der Regel des Heiligen Benedikt
folgen, aber die Liturgie im armenischen Ritus feiern. Das
eindrucksvolle Kloster in der Mechitharistengasse im 7. Bezirk - ein
von Joseph Kornhäusl erbautes Kleinod biedermeierlicher Baukunst -
ist zugleich das wichtigste Zentrum armenischer Kultur in
Mitteleuropa. Die Bibliothek mit ihren 200.000 Bänden und 3.000
Handschriften ist die größte europäische Sammlung von Kulturgut aus
dem armenischen, kaukasischen und ostanatolischen Raum. Die älteste
Handschrift, die im Mechitharistenkloster aufbewahrt wird, stammt aus
dem 9. Jahrhundert, es ist das Lazarian-Evangeliar. Nur in Jerewan,
Jerusalem und Venedig gibt es mehr armenische Handschriften als bei
den Wiener Mechitharisten. Die armenischen Mönche in Wien verfügen
aber auch über eine komplette Dokumentation aller armenischen
Zeitungen - eine Fundgrube für Historiker. Das vierstöckige Museum
beherbergt Kunstschätze, die die armenischen Mönche in Wien im Lauf
von 200 Jahren sorgfältig zusammengetragen haben. Am 15. Mai wird in
der Mechitharistenkirche - ein Hauptwerk des Ringstraßen-Architekten
Camillo Sitte - der Festgottesdienst zum 200-Jahr-Jubiläum des
Klosters stattfinden. Wenige Tage später gibt es im Refektorium des
Mechitharistenklosters eine akademische Feier, im Anschluss daran
wird die Sonderausstellung armenischer Handschriften mit prachtvollen
Illustrationen eröffnet. Bereits am 12. Mai wird ebenfalls im
Refektorium die Jubiläums-Sonderbriefmarke der österreichischen Post
präsentiert. Abt Paul Kodjanian im Gespräch mit dem "Pressedienst der
Erzdiözese Wien": "Wir Mechitharisten bilden seit 200 Jahren in Wien
eine lebendige Brücke zwischen Orient und Okzident". Die Mönche sind
als Seelsorger, Wissenschaftler und Kulturvermittler tätig.
Die Mechitharisten waren am 18. Februar 1811 nach Wien eingezogen, wo
ihnen Kaiser Franz I. ein früheres Kapuzinerkloster zuwies. Franz I.
verlieh den armenischen Mönchen auch das Privileg für den Druck von
Büchern "in orientalischen und westlichen Sprachen". Mit der Zeit
entwickelte sich die Mechitharisten-Druckerei zu einem bedeutenden
Zentrum der Buchkunst. Hier konnte man in lateinischen ebenso wie in
griechischen, kyrillischen, hebräischen, arabischen, syrischen und
selbstverständlich armenischen Schriftzeichen drucken. Bis 1999
wurden in der Mechitharistengasse Werke in 41 Sprachen und Schriften
gedruckt. Im 19. Jahrhundert genossen die Wiener Mechitharisten
nicht nur das Wohlwollen des Kaiserhauses, sie waren auch stark in
das kulturell-wissenschaftliche Leben der Metropole des
Habsburger-Staates integriert. Die Herausgabe altarmenischer
Literaturdenkmale, die Übersetzung von Werken der klassischen
Weltliteratur ins Armenische und die Förderung der neuarmenischen
Sprache waren - und sind - Schwerpunkte des
wissenschaftlich-kulturellen Engagements der armenischen
Benediktiner. Im lokalen Umfeld des 7. Bezirks wurden die
Mechitharisten überaus geschätzt, vor allem auch wegen ihrer schönen
öffentlichen Prozessionen. Und Generationen älterer Wiener erinnern
sich heute noch daran, dass Erzbischof Mesrob Habozian (1887-1974)
als damaliger Abt des Mechitharistenklosters einer der wichtigsten
Firmspender bei den großen Firmungen im Wiener Stephansdom war.
Derzeit leben und wirken im Mechitharistenkloster in Wien vier
Mönche, mehr als 20 weitere Patres leben entweder im Bruderkloster in
Venedig (auf der Insel San Lazzaro) oder verstreut in allen
Erdteilen, wo sie Ordensschulen leiten. Im Lauf der Zeit gab es
insgesamt 54 Mechitharisten-Schulen - im Nahen Osten, auf dem Balkan,
aber auch in Amerika. Nicht alle dieser Schulen haben die politischen
Umbrüche ab dem Jahr 1900 überlebt. Die Wiener Mechitharisten widmen
sich hauptsächlich der Seelsorge und der Erforschung der armenischen
Geschichte und Kultur. Allerdings haben sie sich nicht nur in
Wissenschaft, Kunst und Kultur einen Namen gemacht, auch eine
kulinarische Spezialität ist im Mechitharistenkloster im 7. Bezirk
beheimatet: "Mechitharine" ist der klostereigene Likör, der nach
einem alten Geheimrezept aus 43 Kräutern und 12 Früchten hergestellt
wird.
Begründet wurde der Orden der Mechitharisten vor 310 Jahren - im Jahr
1701 - von Mechithar von Sebaste (1676-1749). Der junge Mönch aus dem
ostanatolischen Sivas strebte nach Heiligkeit, Bildung und
Wissenschaft, er wollte für die geistliche und geistige Erneuerung
des armenischen Volkes eintreten. Begegnungen mit den Jesuiten in
Konstantinopel führten dazu, dass er mit seiner in der osmanischen
Hauptstadt neugegründeten Ordensgemeinschaft Kontakt zur katholischen
Kirche suchte. Das Misstrauen der armenischen Kirche und der
osmanischen Behörden zwangen ihn, mit seinen Jüngern 1703 auf
"katholischem" Territorium, auf dem damals venezianischen Peloponnes,
Zuflucht zu suchen. 1711 entschied sich Mechithar mit seinen
Mitbrüdern für die Annahme der Regel des Heiligen Benedikt, ein Jahr
später wurde die neue Gemeinschaft von Papst Klemens XI. anerkannt.
Aber schon wenige Jahre später mussten die armenischen Mönche den
Peloponnes verlassen, als der venezianisch-osmanische Krieg ausbrach.
1717 übergab der Senat der Republik Venedig den armenischen
Ordensleuten die Insel San Lazzaro. Auf San Lazzaro verfasste
Mechithar viele religiöse, theologische und sprachwissenschaftliche
Schriften, u.a. vier Katechismen, zahlreiche Gebetbücher, einen
ausführlichen Kommentar zum Matthäus-Evangelium, Grammatiken und das
erste armenische Wörterbuch, das als größtes Werk des armenischen
Schrifttums im 18. Jahrhundert gilt. Nach 1770 übersiedelte ein Teil
der armenischen Mönche ins damals habsburgische Triest, wo sie
freundlich aufgenommen wurden. Im Zug der napoleonischen Wirren
mussten diese Mönche aber die adriatische Hafenstadt wieder verlassen
und nach Wien gehen. (ende)
Rückfragehinweis:
Erzdiözese Wien, Öffentlichkeitsarbeit & Kommunikation Erich Leitenberger 1010 Wien, Stephansplatz 4/7/1 Tel: 01/51552-3591 E-Mail: media@edw.or.at http://presse.erzdioezese-wien.at
OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | EDW