• 18.01.2011, 08:09:39
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Leitartikel der Tiroler Tageszeitung von MICHAEL SPRENGER "Bundesheer oder die verkehrte Welt"

Ausgabe vom 18. Jänner 2011

Wien (OTS) - Die SPÖ stand beim Heer immerzu auf der Bremse. Die
ÖVP setzte auf Veränderung. Jetzt ist es umgekehrt.

Damals, im Jahre 1975, als von der SPÖ der Zivildienst als Ersatz
für den Wehrdienst eingeführt worden war, mussten sich viele
Zivildiener als Tachinierer beschimpfen lassen. Heute können sie als
Kronzeugen herhalten, wenn es um die Verteidigung der Wehrpflicht
geht. Denn ohne Wehrpflicht auch kein Zivildienst. Das hätten sich
die Zivildiener auch nie träumen lassen. Verkehrte Welt.

Doch in Zeiten wie diesen, in denen der Verteidigungsminister im
Sommer die Wehrpflicht in Stein meißeln lässt, um sich sechs Monate
später davon zu verabschieden, kann nur noch wenig verwundern. Sechs
Monate sind genug - für eine Kehrtwende. Da will doch die ÖVP auch
flexibel wirken. War sie es doch, die dem Berufsheer das Wort redete
- und die Neutralität immer wieder als überholt ansah. Doch wenn nun
die SPÖ für sich erkennt, dass die Wunden des Bürgerkriegs verheilt
sind, und - angetrieben von der Kronen Zeitung - zur Vorkämpferin für
das Berufsheer wird, rudert eben die Volkspartei zurück. Plötzlich
entdecken die Schwarzen ihre Liebe zu den Zivildienern und sehen die
Neutralität in Gefahr. Verkehrte Welt.

Wenigstens in einer Frage sind sich die beiden Koalitionsparteien
einig. Das Bundesheer muss neu aufgestellt werden. Deshalb soll es
eine neue Sicherheitsdoktrin geben. Allerdings liegt diese neue
sicherheitspolitische Strategie noch immer nicht vor. Egal, denkt die
SPÖ bei sich. Die Wehrpflicht wird hierfür jedenfalls nicht benötigt.
Egal, sagt die ÖVP, die Wehrpflicht darf jedenfalls nicht aufgegeben
werden. So etwas nennt man wohl umsichtige Politik. Zuerst streitet
man über die Entfernung der Wehrpflicht, also über den Grundpfeiler
des alten Heeres, erst dann macht man sich Gedanken über das
Fundament eines neuen Heeres.

So betrachtet bleiben uns in dieser verkehrten Welt wenigstens die
Kurzsichtigkeit und der Konflikt zwischen den Koalitionspartnern als
Konstante erhalten.

Rückfragehinweis:
Tiroler Tageszeitung, Chefredaktion , Tel.: 05 04 03 DW 610

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