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"Kleine Zeitung" Kommentar: "Orbáns Fehdehandschuh für die Europäer" (Von Nina Koren)

Ausgabe vom 3.1.2011

Graz (OTS) - Das neue Jahr beginnt bedrückend. Zumindest für Europa, und ganz besonders für kritische Geister in Ungarn. Seit dem Jahreswechsel hat ein Mitgliedsland die Präsidentschaft inne, dem sogar Freunde aus dem konservativen Lager bescheinigen, mit seinem Mediengesetz grundlegende Werte der EU zu verletzen. Wie sehr der Regierung Orbán die Meinung Europas egal ist, demonstrierte sie klar:
Mahnungen aus Berlin oder Prag, das Gesetz zu ändern, quittierte Orbán mit einem trotzigen "Ich denke nicht im Traum daran". Unmittelbar vor dem Jahreswechsel und der Präsidentschaft schaffte er vollendete Tatsachen und setzte es in Kraft. Hier geht einer voll auf Konfrontation - und bis jetzt setzt ihm niemand Schranken.

Tatsächlich sind die Reaktionen aus Europa peinlich. Von der Kommission kommt weiter nur Schweigen. "Die sind mit ihrer Euro-Krise befasst, wir sind ihnen egal", fürchten Orbán-kritische Stimmen in Budapest, und es sieht so aus, als wäre da was dran. Zugleich gibt es etwa aus Luxemburg Kommentare, die der Sache auch nicht dienen: Orbán mit dem weißrussischen Präsidenten Lukaschenko zu vergleichen oder ihn als "Puszta-Putin" zu titulieren, klingt zwar gut, ruft aber zu Recht Widerstand hervor: Viktor Orbán kam durch demokratische Wahlen an die Macht; anders als seine Kollegen in Minsk oder Moskau lässt er - zumindest derzeit - politische Gegner nicht prügeln oder beseitigen.

Das bedeutet aber nicht, dass an der ungarischen Donau alles in Ordnung wäre. Orbán hat gezeigt, dass er bereit ist, seine Zweidrittelmehrheit zu nutzen, seinen Machtanspruch auszuweiten und Kontrollinstanzen wie das Verfassungsgericht zu schwächen. Das Mediengesetz bietet das Potenzial, die Presse gleichzuschalten. Das Parlament wurde verkleinert, nun muss ein neues Wahlrecht ausgearbeitet werden. Dazu kommt die Überarbeitung der Verfassung, mit der Orbáns Leute derzeit befasst sind. All dies könnte die Regierung in den nächsten Monaten nutzen, um ihre Macht für lange Zeit einzuzementieren. Hier gilt es, ihr genau auf die Finger zu schauen.

Sanktionen, wie sie manche fordern, sind zum jetzigen Zeitpunkt verfrüht; ihre Verhängung unterliegt zudem seit dem Streit um Jörg Haider klaren Regeln. Dass Orbán nun die Präsidentschaft übernimmt, ist aber in Wahrheit ein Glücksfall. Er bietet die Gelegenheit, sich mit dem potenziellen Autokraten auf Dialogbasis auseinanderzusetzen und die heiklen Punkte endlich offen anzusprechen. Deutlich mehr Konfrontationsbereitschaft wäre Brüssel da den eigenen Werten schuldig.****

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