• 12.11.2010, 09:37:33
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BildungswissenschafterInnen kritisieren Vorschläge zur "LehrerInnenbildung NEU"

Mit der Auftaktveranstaltung in Linz beginnen heute die Stakeholderkonferenzen, in denen über die Zukunft der Österreichischen LehrerInnenbildung beraten werden soll.

Linz (OTS) - Der Vorstand der Österreichischen Gesellschaft für
Forschung und Entwicklung im Bildungswesen (ÖFEB), der
wissenschaftlichen Vereinigung der österreichischen
Bildungsforscher/innen, äußert sich in seiner Stellungnahme zu den
Empfehlungen der ExpertInnengruppe "LehrerInnenbildung NEU" kritisch:

1. Der Endbericht benennt relevante Problemstellungen und
Ansatzpunkte für Reformen, so z. B. die Abstimmung der Tätigkeit von
Universitäten und Hochschulen, die Berufseinführungsphase für
Lehrpersonen und die Aufwertung der Ausbildung von
Kindergartenpädagog/innen und Sozialpädagog/innen. Die
Reformvorschläge sind jedoch in einigen Teilen unklar oder
widersprüchlich formuliert und in anderen Teilen für eine
qualitativen Weiterentwicklung der Lehrerausbildung in Österreich
nicht geeignet.

Zentrale Schwachpunkte sind:

2. Die Aufteilung der Verantwortung für Lehrerbildung auf zwei
Institutionen mit sehr unterschiedlichen Stärken und Schwächen,
unterschiedlicher Autonomie und unterschiedlichem Lehr- und
Forschungsprofil wird allgemein als strukturelles Problem der
österreichischen Lehrerbildung angesehen. Das Expertenpapier
verschließt sich dennoch der Notwendigkeit, dieses Problem anzugehen.

3. Die offene Frage nach der Weiterentwicklung der Struktur der
österreichischen Lehrerbildung wird an Aushandlungsprozesse zwischen
Universitäten und Pädagogischen Hochschulen in regionalen "Clustern"
delegiert. Dadurch wird einer Stellungnahme zur Frage ausgewichen,
inwiefern die bisherige Struktur der Lehrerbildungseinrichtungen
selbst veränderungsbedürftig ist, wie die bisherigen Stärken und
Schwächen der bestehenden Einrichtungen in die künftige Lehrerbildung
eingehen werden und an welchen Qualitätskriterien in den Bereichen
Fachwissenschaft, Fachdidaktik, Erziehungswissenschaft/Pädagogik und
schulpraktische Ausbildung sich die Kooperation in den Clustern
orientieren soll.

4. Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Frage ausgespart
bleibt, inwieweit und wie die Pädagogischen Hochschulen
weiterentwickelt werden können, um einerseits eine akademische
Ausbildung qualitätsvoll anzubieten und andererseits zu annähernd
gleichwertigen und gleichberechtigten Kooperationspartner/innen von
Universitäten zu werden.

5. Die sinnvolle Idee einer systematischeren Berufseinführung für
Lehrpersonen wird zur Etablierung eines besonderen Typs von
Masterstudium genutzt, das aus einer unklaren und problematischen
Mischung aus praktischen Berufserfahrungen ("Turnus") und
begleitenden Veranstaltungen besteht. Diese Konstruktion entspricht
nicht dem Typus eines international vergleichbaren Studiums auf
akademischem Niveau.

6. Dieser besondere Typ des Masterstudiums bedeutet vielmehr für
einen Teil der Lehrerschaft (jenen, der in universitären
Studiengängen war) eine Einschränkung und Abwertung bisheriger
Qualifikationsmöglichkeiten. Dem anderen Teil der Lehrerschaft
(jenem, der in Pflichtschulen unterrichtet) wird weiterhin - wie es
dem vermeintlich "niederen Lehrerstand" in der Geschichte immer
wieder zugemutet wurde - eine volle tertiäre Ausbildung vorenthalten.
Lediglich für die Kindergartenpädagogik bedeutet diese Strukturierung
eine Aufwertung des professionellen Status.

7. Es werden zudem zwei Lehrertypen - Assistenz- und
Volllehrkräfte - geschaffen. Die vorgesehene Zulassung zur
Berufsausübung als Assistenzlehrkraft schon mit dem Abschluss
Bachelor birgt die Gefahr eines Niveau- und Lohndumpings. Gerade
angesichts der Personalrekrutierungsprobleme, wie sie aufgrund der
Altersstruktur der Lehrerschaft zu erwarten sind, bietet die
Konstruktion der "Assistenzlehrkräfte" die Möglichkeit, Lehrerstellen
zu füllen, ohne auf der Weiterqualifizierung zum Master zu
insistieren, welche das Expertenpapier derzeit für den dauerhaften
Verbleib im Beruf vorsieht.

8. Der für das österreichische Schulwesen charakteristische und in
seinem Umfang wesentliche Bereich der Berufsbildung (Berufsschulen,
Berufsbildende Mittlere und Höhere Schulen) bleibt in diesem
Konzeptpapier ebenso ausgespart wie die Frage der Gestaltung der
Fort- und Weiterbildung von Lehrpersonen, die in einem integrierten
Lehrerbildungssystem mit Bemühungen der Grundausbildung abgestimmt
werden muss. Die Bereiche der Kindergarten- und der Sozialpädagogik
sind zu knapp angesprochen.

Rückfragehinweis:
Mag. Dr. Andrea Seel, Vorsitzende der Österreichischen Gesellschaft
für Forschung und Entwicklung im Bildungswesen
0316 581670/13 oder 0676 8742 7555, andrea.seel@kphgraz.at

Die Stellungnahme liegt auch in einer Langfassung vor.

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | NEF

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