- 04.11.2010, 20:37:26
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- OTS0281 OTW0281
Verkehrsunternehmen unter der Lupe des Rechnungshofausschusses ÖBB, Austro Control, Wiener Linien
Wien (PK) - In einer mehrstündigen Sitzung hat der
Rechnungshofausschuss heute unter der Verhandlungsleitung seines
Obmannes Werner Kogler Ereignisse bei verschiedenen Unternehmen
im Verkehrssektor unter die Lupe genommen: verlustreiche
Finanzgeschäfte bei den ÖBB (III-152 d.B.), eine um 23,92 Mio. ?
zu geringe Bemessung der Flugsicherungsgebühren bei der Austro
Control im Jahr 2007 (III-38 d.B.) und Mängel im
Projektmanagement der Wiener Linien bei der Verlängerung von U1
und U2 (III-96 d.B.). Außerdem informierte Rechnungshofpräsident
Josef Moser die Abgeordneten in einem Follow-up-Bericht, wie die
ÖBB RH-Empfehlungen zum Dauerthema "externe Berater" umgesetzt
haben (III-64 d.B.). Von Seiten der Regierung war
Verkehrsministerin Doris Bures im Ausschuss erschienen. Für
Auskünfte standen den Abgeordneten der Generaldirektor der ÖBB-
Holding Christian Kern, ÖBB-Aufsichtsratschef Horst Pöchhacker
und Austro Control-Chef Heinz Sommerbauer zur Verfügung. Die
Berichte wurden jeweils einstimmig zur Kenntnis genommen.
Verlustreiche Finanzgeschäfte der ÖBB mit der Deutschen Bank
Corporate Treasury - das ist der Name jener Organisationseinheit
der ÖBB-Holding AG, die eigenmächtig und unter Verletzung
bestehender Regelungen Derivatverträge (Hybrid-CDO2) abschloss,
die im Jänner 2010 mit einem Verlust von 295 Mio. ? für ÖBB-
Gesellschaften aufgelöst wurden. Ende 2008 hatten die -
buchmäßigen - Verluste sogar 578,16 Mio. ? betragen. Der
Rechnungshof hat dieses ÖBB-"Investment" auf Initiative der
Grünen geprüft und wirft den verantwortlichen ÖBB-Vorständen vor,
es verabsäumt zu haben, rechtzeitig aus dem Vertrag auszusteigen
und so die Verluste zu mindern. Statt dessen wurde durch
Absicherungsversuche weiterer Schaden von 1,88 Mio. ? verursacht,
liest man im Bericht des Rechnungshofs.
Angesichts der Verluste aus dem Hybrid-CDO2 und
ungerechtfertigter Absicherungsvereinbarungen sollen die ÖBB-
Aufsichtsräte nach Möglichkeit Schadenersatzansprüche gegen
verantwortliche Vorstandsmitglieder geltend machen.
Hinsichtlich der Abfindung von Vorständen bei der Auflösung ihrer
Verträge empfiehlt der RH, eine Organhaftung des
Aufsichtsratspräsidiums der ÖBB-Holding zu prüfen. Kritik üben
die Prüfer auch an Konsulentenverträgen für ehemalige
Vorstandsmitglieder. Die Schuld von MitarbeiterInnen, die beim
Erwerb des Hybrid-CDO tätig waren, sollte dienstrechtlich
bewertet werden.
Zudem berichtete der Rechnungshof den Abgeordneten über
risikoreiche Cross Border Leasing-Verträge, die den ÖBB zunächst
zwar einen Liquiditätsvorteil von 272,4 Mio. ? brachten, aber
Besicherungskosten und Bewertungsverluste von 56,81 Mio. ? nach
sich zogen und die ÖBB bei der wirtschaftlich sinnvollen
Verfügung über ihre Anlagen (Veräußerung, Belastung)
beschränkten.
Der Rechnungshof empfiehlt den ÖBB, Finanzgeschäfte künftig nur
in Verbindung mit Bahngeschäften und nur auf der Basis von
internem Know-how abzuschließen. Der RH warnt nachdrücklich vor
intransparenten Finanzprodukten und regt an, Spezialvollmachten
für MitarbeiterInnen betraglich zu beschränken und nur nach
Beurteilung eines Geschäfts sowie vorbehaltlich der Genehmigung
durch die zuständigen Organe und unter Wahrung des Vier-Augen-
Prinzips auszustellen.
Für bestehende Cross Border Leasing-Geschäfte legt der
Rechnungshof den ÖBB die Entwicklung einer Exit-Strategie nahe.
Zu prüfen sei, ob bei vorzeitiger Vertragsbeendigung günstigere
als die vertraglich vereinbarten Ausstiegskonditionen
ausverhandelt werden können. Bei der ÖBB-Holding sieht der
Rechnungshof Bedarf an mindestens zwei MitarbeiterInnen, die über
transaktionsspezifische Kenntnisse verfügen. Außerdem sollte ein
funktionstüchtiges Vertragscontrolling gewährleistet und ein
aussagekräftiges Berichtswesen zum Cross Border Leasing aufgebaut
werden.
ÖBB-Verluste durch Spekulationen - fassungslose Abgeordnete
Die Abgeordneten gaben ihrer Empörung über die
"verantwortungslosen Spekulationen" (Günther Kräuter, S), eine
"unvorstellbare Kriminalgeschichte und Steuergeldvernichtung
größten Ausmaßes" (Alois Gradauer, F) Ausdruck, fragten
"fassungslos, wie das geschehen konnte" (Abgeordneter Konrad
Steindl, V) oder sprachen von einem "Saustall ÖBB", der
"systempermanent" Skandale produziere (Abgeordneter Gerald Grosz,
B). "Warum haben die ÖBB nicht rechtzeitig die Reißleine gezogen,
um die Verluste zu minimieren", fragte schließlich Abgeordnete
Gabriela Moser (G). Ganz im Mittelpunkt der Debatte stand die
Frage nach Konsequenzen für die verantwortlichen ÖBB-Manager und
MitarbeiterInnen sowie für das Aufsichtsratspräsidium, das ÖBB-
Chef Huber und Finanzvorstand Söllinger bei deren Ausscheiden aus
dem Unternehmen hohe Abfertigungen genehmigte, obwohl es um deren
Verantwortung für die Verluste wusste.
Aufsichtsratspräsident Horst Pöchhacker räumte Rechtsverstöße ein
und berichtete, dass der Vorstand im April 2006 die "Reißleine"
hätte ziehen können, man damals aber die Kosten von 30 Mio. ?
gescheut und lieber auf die Hoffnung gesetzt habe, dass sich das
bis 2015 abgeschlossene Geschäft doch noch rechnen werde. Die
zweite Gelegenheit, aus dem Geschäft auszusteigen, habe man 2008
versäumt, als zwei Verfahren gegen den Geschäftspartner Deutsche
Bank verloren gingen. Zur Forderung nach Schadenersatzklagen
machte der Aufsichtsratspräsident darauf aufmerksam, dass das
Geschäft im April 2006 durch eine Entlastung der Vorstände
"geheilt" wurde.
ÖBB-Holding-Generaldirektor Christian Kern zeigte sich
beeindruckt vom Rechnungshofbericht und schloss sich den
Ausführungen der Abgeordneten an. Kern hielt es aber für
angebracht, in der Frage nach den Chancen von Schadenersatz- und
Organhaftungsklagen moralische und rechtliche Dimensionen des
Falles zu trennen. Sorgfaltspflichtverletzungen seien juristisch
nicht zwingend relevant, sagte Kern mit Bezug auf diesbezügliche
Rechtsgutachten und wies insbesondere auf die Entlastung des ÖBB-
Vorstands für den Abschluss des Geschäfts hin. Die ÖBB
beabsichtigen keine Klage, weil sie die hohen Kosten des
Verfahrens angesichts der geringen Erfolgsaussichten nicht
rechtfertigen könnten. Er sei aber selbstverständlich bereit,
sich als Privatkläger einem Strafverfahren anzuschließen, wenn
die Staatsanwaltschaft ein solches Verfahren einleitet. Die
Aussichten darauf halte er aber für gering, hielt Kern in der
Debatte wiederholt fest.
Die Cross-Border-Leasingverträge im Umfang von zwei Mrd. ? haben
den ÖBB Vorteile im Umfang von 282 Mio. ? gebracht, berichtete
Kern. Das Risiko eines Ausfalls der Tilgungsträger sei vorhanden,
aber als gering einzuschätzen. Eine Auflösung der Verträge wäre
juristisch schwierig und hätte wirtschaftlich wenig Sinn, da dies
Kosten von 470 Mio. ? mit sich bringen würde, erfuhren die
Abgeordneten.
Verkehrsministerin Doris Bures schloss sich der Einschätzung der
Abgeordneten an, die angesichts der Spekulationsgeschäfte, die
bei den ÖBB im Jahr 2005 abgeschlossen wurden, von einem
"Skandal" sprechen. Die verantwortlichen Manager hätten
verantwortungslos für das Unternehmen und für den
Wirtschaftsstandort Österreich gehandelt. Sie habe daher
Maßnahmen gesetzt, die es in Zukunft verhindern werden, dass
solche Geschäfte abgeschlossen werden. Bures erinnerte an
personelle Veränderungen bei den ÖBB, an die Auflösung von
Dienstverträgen und an den Vergleich mit der Deutschen Bank, der
die Risiken auf 300 Mio. ? reduziert habe. Die Ministerin
erinnerte auch an die Strukturreform bei den ÖBB, mit der jene
Doppelgleisigkeiten und intransparenten Verhältnisse beendet
wurden, die zu den Rahmenbedingungen für die Spekulationen zu
zählen seien. Und nicht zuletzt machte Bures auf eine neue
Konzernrichtlinie mit klaren Vorgaben für Transaktionen
aufmerksam.
Rechnungshofpräsident Josef Moser führte dem gegenüber
unmissverständlich aus, dass es für ihn nicht ausreiche,
Sorgfaltspflichtverletzungen in der Zukunft auszuschließen. Moser
drängte vielmehr auf Organhaftungs- und Schadenersatzklagen. Er
begründete seine Empfehlung mit einer detaillierten Schilderung
der Ereignisse vom Frühjahr 2005 bis zum März 2009, in deren
Rahmen er die Sorgfaltspflichtverletzungen und Verstöße gegen das
Aktienrecht im Einzelnen darlegte. Unter anderem sei der
Aufsichtsrat unrichtig und unvollständig informiert, erhebliche
Risiken seien verschwiegen worden. Auch der wirkungslose Versuch,
die Risiken durch Absicherungen zu minimieren, sei mit
erheblichen Verstößen gegen das Aktienrecht verbunden gewesen und
haben zudem einen Schaden von 1,88 Mio. ? verursacht. Trotz all
dieser Sorgfaltspflichtverletzungen habe das
Aufsichtsratspräsidium den Vorständen Huber und Söllinger
ungerechtfertigte Abschlagszahlungen genehmigt, stellte der
Rechnungshofpräsident fest und knüpfte daran die Empfehlung, ein
Organhaftungsverfahren gegen das Aufsichtsratspräsidium
einzuleiten. Gegenüber den Darstellungen der Verkehrsministerin
und der ÖBB-Spitze zitierte der Rechnungshofpräsident seinerseits
aus Rechtsgutachten, die es für ihn aussichtsreich erscheinen
lassen, Haftungs- und Schadenersatzansprüche geltend zu machen.
Eine weitere Verhandlungsrunde leitete Abgeordneter Peter Pilz
(G) mit der Frage ein, ob die Berichterstattung "schwarz-blauer"
Vorstände an "schwarz-blaue" Kapitalvertreter im Vorfeld einer
ÖBB-Aufsichtsratssitzung im März 2008 dem Versuch gedient habe,
ein für das Unternehmen ÖBB schädliches Geschäft hinter dem
Rücken der "roten" Belegschaftsvertreter im Aufsichtsrat
fortführen zu können. Zur Frage des Abgeordneten Pilz, warum der
Rechnungshofbericht an dieser Stelle vom Text des Rohberichts
abweiche, sagte RH-Präsident Moser, der Vorgang habe sich bei der
aktienrechtlichen Beurteilung als irrelevant herausgestellt, weil
dem Aufsichtsrat als Organ des Unternehmens nichts von dem
berichtet wurde, was die Kapitalvertreter vorweg besprochen
hatten.
Abgeordneter Pilz wertete diese Information als Argument, das
Verhalten der Vorstände und Kapitalvertreter nicht nur
aktienrechtlich, sondern darüber hinausgehend juristisch zu
untersuchen und regte eine Entschließung des Nationalrats an, mit
der die Ressortleiterin aufgefordert werden soll, ein
Strafverfahren einzuleiten. Außerdem sollte man die aufgedeckten
Vorgänge in einem Unterausschuss des Rechnungshofausschusses
klären, meinte Pilz. Auch Abgeordneter Ferdinand Maier (V) zeigte
sich interessiert an den Rohberichten des Rechnungshofs.
Abgeordneter Ewald Sacher (S) konzentrierte sich auf die
Feststellung der politischen Verantwortung der Verkehrsminister
Gorbach, Schmid und Forstinger, kritisierte parteipolitisch
motivierte Managerbestellungen und eine ÖBB-Struktur, die die
Bedingungen für die Spekulationsgeschäfte geschaffen habe. Die
SPÖ habe im Jahr 2006 unverzüglich damit begonnen, die
Verhältnisse bei den ÖBB zu sanieren, was sich als ein enorm
mühsamer Prozess herausstelle. Er erwarte sich, dass sich
Generaldirektor Kern einer Klage anschließe, um
Schadenersatzforderungen durchzusetzen.
Ein weiterer Diskussionspunkt war die Aussage des Abgeordneten
Alois Gradauer (F), der Bundeszuschuss zu den ÖBB betrage 6,5
Mrd. ? pro Jahr, was Verkehrsministerin Doris Bures entschieden
zurückwies und darauf aufmerksam machte, welche
gemeinwirtschaftlichen Leistungen die ÖBB erbringen. Außerdem
erinnerte die Ressortleiterin daran, dass die ÖBB bei ihrer
Ausgliederung aus der Bundesverwaltung nicht entschuldet wurden,
sondern Schulden aus früheren Investitionen mit in die
wirtschaftliche Selbständigkeit "mitgenommen" haben.
Die Abgeordneter Alois Gradauer (F) und Gerald Grosz (B)
schlossen sich der Forderung des Abgeordneten Pilz an,
Schadenersatzklagen einzuleiten, nicht zuletzt auch deswegen, um
eine abschreckende Wirkung für Leute auszuüben, "die sich künftig
aus dem Steuertopf bedienen wollen". Außerdem gehe es um eine
rückhaltlose Aufklärung der Vorkommnisse. In diesem Sinn schlug
Abgeordneter Gerald Grosz die Einsetzung eines ÖBB
Untersuchungsausschusses vor.
Abgeordnete Gabriela Moser (G) wandte sich gegen die Aussage der
Verkehrsministerin, die gemeint hatte, Anzeigen gegen die
verantwortlichen Manager seien aussichtslos, weil ihre, Mosers
Anzeige, bereits gescheitert sei. Ihr Verfahren sei wegen
mangelnder Nachweisbarkeit einer wissentlichen Verfehlung
eingestellt worden, eine Begründung, die seit dem Vorliegen des
Rechnungshofberichts nicht mehr gelten könne, sagte Moser und
hielt es für inakzeptabel, keine Konsequenzen aus dem Skandal zu
ziehen, obwohl klar sei, dass auch Aufsichtsratspräsident
Pöchhacker alles gewusst habe und trotzdem keine Handlungen
gesetzt habe.
ÖBB-Generaldirektor Kern unterstrich, dass er sich an einem
Verfahren als Privatkläger beteiligen werde, sah aber wenig
Chancen, dass es zustande komme, weil nicht alles, was der
Rechnungshof als Sorgfaltspflichtverletzung darstelle,
nachweisbar sei. "Es gibt die Entlastung", sagte Kern und
zitierte noch einmal Experten, die einen Versuch,
Schadenersatzansprüche durchzusetzen, für juristisch aussichtslos
halten.
Aufsichtsratspräsident Horst Pöchhacker machte auf die hohe
Verantwortung des Aufsichtsrats für das Unternehmen aufmerksam
und riet dazu, die Tätigkeit des Aufsichtsrats per Saldo in
seiner Gesamtverantwortung für eines der größten Unternehmen
Österreichs zu beurteilen.
Verkehrsministerin Doris Bures listete abschließend alle
Maßnahmen des Eigentümers auf, die darauf gerichtet sind, die
"systematische Schädigung des Unternehmens" durch
Spekulationsgeschäfte in der Zukunft auszuschließen.
Rechnungshofpräsident Josef Moser untermauerte seine Empfehlung
auf Geltendmachung von Schadenersatz- und Haftungsansprüchen mit
dem Hinweis darauf, dass die oft zitierte Entlastung der
verantwortlichen Vorstände juristisch wirksam zurückgenommen
werde und versicherte den Abgeordneten, dass zwischen dem Text
des Rohberichts und dem Endbericht keine wesentlichen
Unterschiede bestehen.
Ausschussobmann Werner Kogler fasste die Debatte mit der
Erwartung zusammen, dass beim nächsten Nationalratsplenum der
ständige Unterausschuss des Rechnungshofausschusses mit den ÖBB-
Finanzgeschäften betraut werden wird.
Follow-up-Bericht über externe Berater bei den ÖBB
In einer Follow-Up-Überprüfung der Unternehmensgruppe
Österreichische Bundesbahnen stellte der Rechnungshof fest, dass
der überwiegende Teil seiner Empfehlungen erst teilweise
umgesetzt worden sei. Insbesondere übte der Rechnungshof Kritik
am Abschluss eines Beratungsvertrags mit einer
Rechtsanwaltskanzlei über ein Auftragsvolumen von 4,5 Mio. ? bis
2017, bei dem die ÖBB-Holding AG ungünstige Vertragsbedingungen
akzeptierte. Daher habe sie an die 2,9 Mio. ? auch dann zu
leisten, wenn von der Rechtsanwaltskanzlei keine Leistungen
abgerufen oder erbracht werden. Kritisiert wird auch, dass nicht
alle Dienstleistungen nach den Grundsätzen des freien und
lauteren Wettbewerbs ausgeschrieben wurden. Insgesamt ist der
Gesamtaufwand der ÖBB für externe Beratungsleistungen nach einem
Spitzenwert von 25,7 Mio. ? im Jahr 2005 in den Folgejahren
wieder zurückgegangen. Umgesetzt wurden die Empfehlungen,
vorrangig auf im Unternehmen vorhandene Ressourcen
zurückzugreifen sowie Kosten-Nutzen-Rechnungen und überprüfbare
Zeitangaben für Beratungstätigkeiten einzuführen.
Abgeordnete Rosemarie Schönpass (S) fragte nach den Auswirkungen
der RH-Empfehlungen und ob man in Zukunft Beratungsleistungen
benötigen werde bzw. wie man sie zu minimieren gedenke.
Abgeordneter Ferdinand Maier (V) schloss sich diesen Fragen an
und erkundigte sich nach Details abgeschlossener
Beratungsverträge. Abgeordneter Gerald Grosz (B) warf Ministerin
Bures vor, im Unterschied zu ihren Vorgängern den Abgeordneten
des Nationalrats keine Auskünfte über externe Beraterverträge bei
ÖBB und ASFINAG zu geben. Er wollte außerdem wissen, ob es im
BMVIT noch Beraterverträge gibt, die mit den ÖBB im Zusammenhang
stehen. Bezugnehmend auf Medienberichte und Untersuchungen der
Staatsanwaltschaft in Ungarn thematisierte Grosz weiters die
Vorgänge um den Kauf der MAV Cargo, in deren Vorfeld überhöhte
Beraterhonorare gezahlt wurden. Abgeordneter Roman Haider (F)
erkundigte sich, ob es weitere Rahmenverträge gibt, die
Vereinbarungen eines Mindesthonorars enthalten, und wie sich die
Zusammenarbeit der ÖBB mit der Finanzprokuratur gestalten werde.
ÖBB-Holding-Chef Christian Kern betonte, dass ein Unternehmen von
der Größe der ÖBB sicher nicht ohne externe Beratungsleistungen
auskommen könne. Zweifellos müsse man aber eigene Ressourcen
besser nutzen. Ab 2011 wolle man eine Halbierung der
Rechtsanwaltsleistungen erreichen. Das Volumen der
Beratungsleistungen entspreche der Größe des Unternehmens, doch
habe man Maßnahmen gesetzt, um hier "totale Transparenz" zu
erreichen, denn es gehe letztlich um die Glaubwürdigkeit der ÖBB.
Es gebe mehrere Rahmenverträge, wie den bereits angesprochenen,
man habe aber den Empfehlungen des Rechnungshofs entsprochen und
einen Rahmenvertrag mit der Finanzprokuratur abgeschlossen, also
einer Einrichtung des Bundes, die dem Unternehmen sehr günstige
Konditionen biete. Nur mehr in Ausnahmefällen würden andere
Berater beauftragt.
ÖBB-Aufsichtsratsvorsitzender Horst Pöchhacker erläuterte zum
Zustandekommen des Beratungsvertrags im Zusammenhang mit dem
Erwerb der MAV Cargo, es habe sich um einen durchaus üblichen
Lobbying-Vertrag gehandelt. Bundesministerin Doris Bures wies
darauf hin, dass Verträge über Beratungsleistungen in der
Verantwortung des Unternehmens liegen. Für Beraterverträge im
BMVIT gebe es klare Regelungen, die eingehalten würden. RH-
Präsident Josef Moser betonte, dass sich der Rechnungshof über
die Zusagen des Unternehmens, alle Empfehlungen umzusetzen,
zufrieden zeige.
In einer weiteren Fragerunde kamen Abgeordneter Gerald Grosz (B)
und Abgeordnete Gabriela Moser (G) nochmals auf die MAV Cargo und
die in diesem Zusammenhang beauftragte Beraterfirma in Ungarn zu
sprechen und vermuteten hier zweifelhafte Vorgänge. Christian
Kern sah die für die Beratungsleistung gezahlte Summe ebenfalls
als überzogen an, meinte aber, daraus allein lasse sich nicht
ableiten, dass hier kriminelle Vorgänge stattgefunden hätten. Die
Auswahl des ungarischen Lobbyisten habe sich auf Informationen
von Insidern gestützt. Abgeordnete Moser wollte in einer
Zusatzfrage wissen, ob die ÖBB aus dem kritisierten Rahmenvertrag
mit einer Rechtsanwaltskanzlei hätte aussteigen können und dies
versäumt habe, was RH-Präsident Moser verneinte. Im Zusammenhang
mit dem Ankauf der MAV Cargo vermutete Abgeordnete Moser außerdem
die Zahlung von Bestechungsgeldern und vermisste dazu eine
deutliche Stellungnahme von Bundesministerin Bures. Abgeordneter
Grosz wiederum meinte, es handle sich nicht um Bestechungsgeld,
sondern um Kick back-Zahlungen für eine große österreichische
Partei. Dies wies ÖBB-Holding-Chef Kern zurück, die Behauptungen
entbehrten jeder Grundlage. Auch Bundesministerin Bures betonte,
dass selbstverständlich das Parlament einen wichtigen
Kontrollauftrag erfülle, sie erteile im Rahmen der
Geschäftsordnung stets ausführlich und pünktlich Auskunft auf
Anfragen. Falls es zu kriminellen Vorgängen gekommen sei, werde
jedenfalls der Rechtsweg zu beschreiten sein.
Austro Control - zu wenige Flugsicherer leisten zu viele
Überstunden
Hinsichtlich der zu geringen Bemessung der Flugsicherungsgebühren
bei der Austro Control im Jahr 2007, die zu einer Unterdeckung
beim Flugsicherungsaufwand von 23,92 Mio. ? führte, erinnerte der
Rechnungshof an das gesetzlich fixierte Kostendeckungsprinzip und
empfahl eine genauere Planung der Flugsicherungskosten.
Lob enthält der Bericht des Rechnungshofs für die Umsetzung von
Rationalisierungsmaßnahmen in der Flugsicherung, durch die die
Austro Control bis 2006 international überdurchschnittliche
Produktivitätskennzahlen erreichte. Die Erhöhung des
Personalaufwands im Jahr 2007 um 10,6 % sieht der Rechnungshof
kritisch und regt - angesichts eines hohen Überstundenaufwands -
die Bereinigung der Personalunterdeckung bei den Fluglotsen an.
Auch der Pensionskassenvertrag jener MitarbeiterInnen, die vor
dem 1. Jänner 1997 bei der Austro Control gearbeitet haben, soll
von einem leistungs- auf ein beitragsorientiertes System
umgestellt werden. Der Rechnungshof drängt auch auf Umsetzung des
Unternehmenskonzepts MOVA NEU, wendet sich gegen die Ausschüttung
von Bilanzgewinnen aus der Flugsicherung, schlägt die Einbindung
der Austro Control in das Finanz- und Beteiligungscontrolling vor
und tritt für regelmäßige Berichte über behördliche Tätigkeiten
der Austro Control ein.
Nach wie vor spricht sich der Rechnungshof für eine
Zusammenlegung der österreichischen Wetterdienste, für eine
Konzentration auf die Kernaufgaben der Flugmeteorologie und für
verstärkten EDV-Einsatz unter Beachtung international geforderter
Qualitätsstandards aus.
Geringe Erfolgsaussichten bescheinigt der Rechnungshof dem
Projekt CEATS (Central European Air Traffic Services). Er
empfiehlt Austro Control deswegen die einvernehmliche Auflösung
des Vertrags und statt dessen alternative Kooperationen im Rahmen
des "Single European Sky". Außerdem rät der Rechnungshof zu einer
Zertifizierung der Austro Control als Ausbildungsanbieter und zu
Verhandlungen mit anderen Flugsicherungsorganisationen über
Haftungsregelungen und Aufsichtsrechte.
Verkehrsministerin Doris Bures informierte auf eine
diesbezügliche Frage der Abgeordneten Gabriela Moser (G) und des
Abgeordneten Erwin Kaipel (S) zunächst darüber, dass sich das
CEATS-Projekt als nicht umsetzbar herausgestellt habe, weil
einzelne Staaten nicht bereit seien, einen gemeinsamen
europäischen Luftraum zu schaffen. Gute Chancen sieht die
Ressortleiterin aber im für das 2008 vereinbarte Projekt
"European Sky" mit neuen Lufträumen, wobei Österreich Teil des
Zentraleuropäischen Raumes wäre, der der Luftfahrt mehr
Sicherheit bei geringeren Sicherungskosten und kürzeren
Flugzeiten bringen wird. Haftungsfragen zwischen den
Teilnehmerländern seien nicht zu klären, teilte Bures mit.
Um die Kostendeckung bei der Flugsicherung zu erhöhen, wurde 2009
auf Basis der gesetzlichen Vorgaben eine neue Verordnung mit
höheren Gebühren erlassen. Nach sinkenden Gebühren bewege sich
das Gebührenniveau auf jenem des Jahres 2003.
Austro Control-Chef Heinz Sommerbauer teilte den Abgeordneten
Wolfgang Zanger (F) sowie Josef Lettenbichler (V) und Ferdinand
Maier (V) mit, dass der Fluglotsenmangel der letzten Jahre auf
die falsche Erwartung zurückzuführen sei, der Flugverkehr werde
zurückgehen. Daher habe man den Betrieb nur mit zunehmenden
Überstundenleistungen der Lotsen bewältigen können. Schon 2009
konnte durch forcierte Ausbildung die Zahl der Überstunden um 17
% reduziert werden. 2012 werde die Personalsituation bei der
Austro Control wieder dem Bedarf entsprechen.
Die neue Gebührenverordnung habe die Kostendeckung auf 36 %
erhöht, von einer Volldeckung sei man aber noch weit entfernt. Ab
2012 werde das Gebührensystem nach europäischen Vorgaben völlig
neu gestaltet werden müssen, teilte der Austro Control-Chef mit.
Rechnungshofpräsident Josef Moser sprach von einem positiven
Bericht, der erfolgreiche Rationalisierungsmaßnahmen
dokumentiere, aber auch Probleme infolge der steigenden
Personalkosten ab 2007, insbesondere durch hohe Überstundenkosten
bei den Fluglotsen und große Rückstellungen für das in den 90iger
Jahren vereinbarte Vorruhestandsmodell, aufzeige. Mit Nachdruck
trat der Rechnungshofpräsident für die Zusammenführung aller
zivilen Wetterdienste ein. Andere Länder zeigten, dass ein
Wetterdienst ausreiche.
In einer weiteren Verhandlungsrunde informierte Austro Control-
Chef Sommerbauer die Abgeordnete Erwin Hornek und Gabriel
Obernosterer (beide V) sowie Gerald Grosz (B) darüber, dass das
Vorruhestandmodell für Fluglotsen europäischen Vorbildern und
medizinischen Notwendigkeiten entspreche, weil die
Aufmerksamkeitsleistung von Fluglotsen nach dem 55. Lebensjahr
nachlasse. Es sei auch sinnvoll gewesen, die Wochenarbeitszeit
der Fluglotsen auf 32,5 Stunden zu reduzieren, auch wenn dies die
Personalkosten verteuert habe. Austro Control, AUA und Flughafen
Schwechat arbeiteten konstruktiv zusammen, um den Flughafen Wien
- den pünktlichsten Europas - konkurrenzfähig zu erhalten, sagte
Sommerbauer und wies auf die hohe Produktivität seines
Unternehmens hin.
Wiener Linien - Managementmängel beim U-Bahnbau
Der Rechnungshof stellte fest, dass bei der Verlängerung der U-
Bahn-Linien U1 und U2 das interne Kontrollsystem der Wiener
Linien versagt hat. Fehler in der Projektabwicklung der drei
kontrollierten Bauabschnitte führten zu erheblichen Mehrkosten
und Fehlverrechnungen im Ausmaß von rund 8,95 Mio. ?. Außerdem
bemängelte der Rechnungshof, dass die Wiener Linien dem Bund und
der Stadt Wien Kosten von mindestens 6,18 Mio. ? verrechnet
haben, die nicht der Herstellung der Verkehrsinfrastruktur
zurechenbar waren, wie etwa die Errichtung von Geschäftslokalen
in U-Bahn-Stationen. Positiv hebt der RH-Bericht hervor, dass
trotz des Termindrucks durch die Fußballeuropameisterschaft EURO
2008 die Verlängerungen der U1 bis nach Leopoldau und der U2 bis
zum Praterstadion zeitgerecht fertiggestellt werden konnten.
Die Fragerunde der Abgeordneten eröffnete Abgeordneter Heinz-
Peter Hackl (F). Er listete eine Reihe von Mängeln auf, die der
RH-Bericht in der Durchführung des U-Bahn-Ausbaues festgestellt
hatte und wollte wissen, wie sich die zum Teil erheblichen
Mehrkosten erklären ließen. B-Mandatarin Martina Schenk meinte,
die 32 Empfehlungen des Rechnungshofs sprächen für sich und seien
ein "starkes Stück". Sie erkundigte sich daher nach den
Konsequenzen, die seitens der Wiener Linien aus ihnen gezogen
würden.
Auch Abgeordneter Ferdinand Maier (V) wollte wissen, welche
Maßnahmen gesetzt würden, um der Entstehung eines solchen
Problems in Hinkunft entgegenzuwirken. Außerdem erkundigte er
sich nach der Größenordnung, in der sich das Budget bewegen
werde, das man seitens des Bundes zukünftig für den Bereich der
U-Bahnen aufzuwenden gedenke. Desweiteren interessierte sich
Maier für die Höhe der Rückforderungen, mit denen nun zu rechnen
ist.
Ausschussobmann Hermann Gahr (V) wollte außerdem wissen, welche
Veränderungen im Kontrollbereich vor dem Hintergrund des RH-
Berichts vorgenommen wurden.
Verkehrsministerin Doris Bures hielt fest, dass es nicht sinnvoll
sei, jedes Einzelprojekt nochmals einer Prüfung zu unterziehen,
zumal dies einer doppelten Verwaltungstätigkeit aufgrund der
Überschneidung mit Prüfkompetenzen anderer Institutionen
gleichkäme. Es gelte, so Bures, vielmehr die Grundsätze der
Förderung einer Überprüfung zu unterziehen. Die von Seiten der
Abgeordneten angesprochene Rückabwicklung, die derzeit im Gang
sei, bewege sich in der Größenordnung von knapp 3 Mio. ?,
informierte die Verkehrsministerin. Mit diesem Vorgehen
entspreche sie auch den beiden an das BMVIT gerichteten
Feststellungen, konstatierte Bures. Was das Volumen der
Mitfinanzierung des Bundes in der näheren Zukunft anbelange,
wolle man diese auf ein Niveau von 80 Mio. ? absenken.
Rechnungshofpräsident Josef Moser konstatierte, dass die
angefallenen Mehrkosten auf Mängel bei der Kontrolle
zurückzuführen seien. Was die Wiener Linien betreffe, wurde aus
den begangenen Fehlern aber gelernt - man bemühe sich nun um
Schadensminimierung. Moser plädierte außerdem dafür, in Zukunft
klar zwischen verschiedenen Maßnahmen und Zuständigkeiten
abzugrenzen. Durch den aufgetretenen negativen Kompetenzkonflikt
zwischen BMVIT und BMF habe "unterm Strich niemand kontrolliert",
was weitreichende Konsequenzen gezeitigt habe. Das Stellen von
Rückforderungen bewertete Moser als positiven Schritt. (Schluss
Rechnungshofausschuss)
Eine Aussendung der Parlamentskorrespondenz
Tel. +43 1 40110/2272, Fax. +43 1 40110/2640
e-Mail: pk@parlament.gv.at, Internet: http://www.parlament.gv.at
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