Können die Hackler nicht mehr oder wollen sie nicht?
Wien (OTS) - Hackler-Regelung
Non vult laborare!
"Er will nicht arbeiten!" Was kann das heißen?
Rüffelt hier ein Lateinlehrer eine verträumte Schülerin in der
Verbalbeurteilung seiner Montessoriklasse? Nein, das kann nicht sein!
Erstens sind Mädchen immer fleißig - siehe mein humanistisches
Eingangsstatement. Zweitens bieten die in den Gymnasien per Lehrplan
verordneten Bildungsziele und die - europa-harmonisiert -
götzengleich (Pisa) verehrten Kontrollschablonen - wenig Platz für
die von Maria Montessori postulierte Freiheit der Entwicklung der 13
bis 18 jährigen. Bekanntermaßen kommt es in diesem Alter ohnehin
weniger auf den Willen an - auf lateinische Weisheiten schon gar
nicht!
Hackler non vult...
Und der Humanismus, die Humboldtschen Ideale? Das Erwerbsleben,
die Wirtschaft also dumpfe Umschlagsplätze aufgekrempelter Ärmel und
ökonomischer Theorien, die im Konjunkturzyklus des
wirtschaftswissenschaftlichen Ideenkarussells auf der Halde landen?
Nein! Zum einen begünstigt und fordert Industrie mit ihrer flexiblen
und vielfältigen Arbeitswelt die individuelle Entwicklung durch
stetiges Fortbilden und Entwicklung persönlicher, nicht nur
sprachlicher Fertigkeiten. Zum anderen zeigt schon die historische
Perspektive, dass es zuerst die Händler waren, die das Reisen zum
Beruf machten und damit die Völkerverständigung und den Wohlstand
förderten. Die Wirtschaft ist mit ihrem Latein noch lange nicht am
Ende!
Zurück zum Spruch "Non vult laborare" und seiner Herkunft - die
Deutung wird leichter, wenn der Verfasser offenlegt, dass er
"laborare" nicht mit dem Gleichnis des arbeitsamen Mannes im
Weingarten unseres Herrn in Verbindung bringt sondern mit dem -
ostösterreichisch - Hackler und der auf ihn bezughabenden
Hackler-Regelung.
Lange Versicherungsdauer
Doch wie oben dargestellt, sind lateinische Wendungen alt und
meist schon tot. Was geblieben ist, ist der Pensionsantritt
krankheitshalber.
Was hat das alles mit wollen und arbeiten zu tun? "Non vult
laborare" schrieb der Hausarzt in seiner Diagnose an die "Löbliche
Pensionsversicherungsanstalt", wenn er die Entscheidung über die
Pensionierungsfähigkeit nicht treffen oder eben nicht verantworten
wollte. Heute würde man vereinfacht sagen: Ein Kandidat (nicht der
Hausarzt) für die Hacklerregelung! Nun ist schon klar, dass nicht
jeder, der lange (40 bzw. 45 Jahre) Versicherungszeiten aufzuweisen
hat, Missbrauch mit dem ohnehin verstärkt Schlagseite zeigenden
Schiff des österreichischen Sozialversicherungssystems treibt.
Die "Vorzeitige Alterspension wegen langer Versicherungsdauer",
wie die Hacklerpension im Amtsdeutsch heißt, wurde im Jahr 2000
eingeführt. Im Jahr 2000 beschließt der Nationalrat die vom Kabinett
Schüssel I als Teil der ersten österreichischen Pensionsreform
vorgelegte Hacklerregelung als notwendige Übergangsmaßnahme.
Gerechtigkeit
Man denkt an einen 60 jährigen österreichischen Mann, gut
bezahlten Industriearbeiter. Man spielt das Spiel 15+45 und bietet
dem Mann (Berufseintritt im Wirtschaftswunder: geboren 1940,
Berufseintritt 1955) einen frühen Pensionsantritt bei adäquaten
Bezügen. Bingo: Teure Arbeitskraft weg, neuer Arbeitsplatz in der
Industrie frei: Kann man brauchen.
Man denkt nicht an die 55-jährige Kassenteilzeitkraft: Gleiches
Spiel 15+40. Aber unterschiedliche Voraussetzungen. Teilzeitkraft,
schlecht verdienend. Auch zum Hausarzt kann sie nicht mehr in dieser
Angelegenheit, denn der sagt: "Non vult laborare" ist nicht mehr,
weil ja Hacklerregelung. Die Ersatzzeiten für die Kindererziehung
sind ein schwacher Trost. In diesem Fall heißt gegendert leider:
Milchmädchenrechnung.
Laut Prognosen würde eine Verlängerung der Hacklerregelung von
2009 bis 2013 1,6 Milliarden Euro kosten. Breiter Konsens ist: Das
kann und will sich keiner leisten!
"Sozial"-Minister Hundstorfer will 250 Euro Prämie an den
Arbeitnehmer pro Monat bezahlen, wenn er nicht zum ehestmöglichen
Zeitpunkt in Pension geht - wann dann?
So will wohl kein Hund mehr arbeiten, Herr Minister - und auch keiner
mehr Arbeit geben...
Cave canem!
Stefan Mumelter
Herausgeber
retail ist das offizielle Medium des Österreichischen
Handelsverbands. Als Magazin für den österreichischen Einzelhandel
informieren wir Sie laufend über aktuelle Trends und News aus der
Welt des Handels. www.retail.at
Der Handelsverband wurde vor rund 90 Jahrengegründet und ist heute
eine freiwillige Interessenvertretung von mehr als 150 großen
Handelsbetrieben in Österreich. Er nimmt die Funktionen eines
Wirtschafts-, Berufs- und Arbeitgeberverbandes wahr.
Rückfragehinweis:
Michael Schiebel
Querverkehr
Tel.: +43 (664) 3011363
mm.schiebel@gmail.com
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