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Justiz greift massiv Pressefreiheit in Österreich an

Offener Brief des ÖJC an alle Nationalratsabgeordnete

Wien (OTS) - Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien (OLG), dass der ORF das gesamte gedrehte Rohfilmmaterial in der sogenannten "Skinhead-Affäre" an die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt herausgeben muss, verstößt eindeutig gegen die Pressefreiheit und gegen das gesetzlich verbriefte Redaktionsgeheimnis. Und das, nachdem ein Gerichtsachverständiger festgestellt hat, dass auf dem bereits dem Gericht zur Verfügung gestellten Material keine Manipulationen festgestellt werden konnten.

Recherchen, und dazu gehört auch filmisches Rohmaterial, sind "Gedanken im Kopf" und unterliegen daher nicht nur den "freien Gedanken", sondern auch der freien Meinungsbildung und damit auch dem Redaktionsgeheimnis. Das Urteil des OLG widerspricht daher den Grundlagen eines bürgerlichen Rechtsstaates und ist aus demokratiepolitischen Grundsätzen abzulehnen. Der Gang des ORF zum Europäischen Gerichtshof ist daher konsequent und richtig und wird vom ÖJC unterstützt.

Der ÖJC verurteilt aber auch die Haltung des ORF das Material herauszugeben, obwohl das vor einigen Wochen noch ganz anders geheißen hat. Die Pressefreiheit muss von jedem aufrechten Demokraten mit aller Zivilcourage verteidigt werden.

In einem weiteren Justizskandal hat die Oberstaatsanwaltschaft Wien Journalisten von "profil" und "News" im Rahmen einer Beschuldigteneinvernahme vernommen, obwohl dafür jede gesetzliche Basis fehlt. Die Journalisten hatten aus dem Gerichtsdossier zum Fall der "Hypo Alpe-Adria" berichtet, was in Österreich nicht strafbar ist. Anders allerdings in Deutschland. Die Staatsanwaltschaft München 1 hat die Einvernahme der österreichischen Journalisten in Wien verlangt.

ÖJC-Präsident Fred Turnheim sieht in beiden Fällen einen "massiven Angriff auf die Pressefreiheit. Österreich verliert langsam aber sicher den Anspruch, ein demokratischer Rechtsstaat zu sein".

Aus diesem Grund hat der Präsident des Österreichischen Journalisten Clubs folgenden Offenen Brief an alle Nationalratsabgeordneten gerichtet:

Sehr geehrte Frau Abgeordnete, sehr geehrter Herr Abgeordneter!

In großer Sorge wende ich mich an Sie mit der Bitte, sich für den Erhalt der Pressefreiheit in Österreich einzusetzen.

Der Österreichische Journalisten Club (ÖJC) hat in den vergangenen Jahren mehrmals im Rahmen der Begutachtungsverfahren aber auch in öffentlichen Stellungnahmen vor einer dramatischen Verschärfung der Pressefreiheit in Österreich gewarnt.

Das in den vergangenen Tagen erfolgte Fehlurteil des Wiener Oberlandesgerichts in der Skinhead-Affäre, die Einvernahme der Journalisten von "profil" und "News" durch die Staatsanwaltschaft Wien ohne Deckung durch das Gesetz, die Handhabung des Sicherheitspolizeigesetzes durch die Exekutive, die geplanten Verschärfungen im Mediengesetz und die neugeschaffene juristische Medien-"Behörde" lassen bei uns Journalisten alle Alarmglocken klingeln.

Wir bitten Sie als Abgeordnete zum Nationalrat dringend, die Grundrechte, zu denen auch die Pressefreiheit gehört, nicht anzutasten, sondern vielmehr auszubauen. Derzeit wird die Pressefreiheit in Österreich mit Füssen getreten.

Machen Sie sich bei der Zerstörung der Grundrechte nicht mitschuldig.

Verteidigen Sie bitte die, mit viel Blut und Leid erkämpfte, Pressefreiheit! Führen wir gemeinsam einen "Runden Tisch" zum Erhalt der Pressefreiheit in Österreich durch.

In tiefer Sorge verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen

Fred Turnheim
Präsident
Österreichischer Journalisten Club

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