- 24.09.2010, 09:30:11
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Justiz greift massiv Pressefreiheit in Österreich an
Offener Brief des ÖJC an alle Nationalratsabgeordnete
Wien (OTS) - Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien (OLG),
dass der ORF das gesamte gedrehte Rohfilmmaterial in der sogenannten
"Skinhead-Affäre" an die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt
herausgeben muss, verstößt eindeutig gegen die Pressefreiheit und
gegen das gesetzlich verbriefte Redaktionsgeheimnis. Und das, nachdem
ein Gerichtsachverständiger festgestellt hat, dass auf dem bereits
dem Gericht zur Verfügung gestellten Material keine Manipulationen
festgestellt werden konnten.
Recherchen, und dazu gehört auch filmisches Rohmaterial, sind
"Gedanken im Kopf" und unterliegen daher nicht nur den "freien
Gedanken", sondern auch der freien Meinungsbildung und damit auch dem
Redaktionsgeheimnis. Das Urteil des OLG widerspricht daher den
Grundlagen eines bürgerlichen Rechtsstaates und ist aus
demokratiepolitischen Grundsätzen abzulehnen. Der Gang des ORF zum
Europäischen Gerichtshof ist daher konsequent und richtig und wird
vom ÖJC unterstützt.
Der ÖJC verurteilt aber auch die Haltung des ORF das Material
herauszugeben, obwohl das vor einigen Wochen noch ganz anders
geheißen hat. Die Pressefreiheit muss von jedem aufrechten Demokraten
mit aller Zivilcourage verteidigt werden.
In einem weiteren Justizskandal hat die Oberstaatsanwaltschaft
Wien Journalisten von "profil" und "News" im Rahmen einer
Beschuldigteneinvernahme vernommen, obwohl dafür jede gesetzliche
Basis fehlt. Die Journalisten hatten aus dem Gerichtsdossier zum Fall
der "Hypo Alpe-Adria" berichtet, was in Österreich nicht strafbar
ist. Anders allerdings in Deutschland. Die Staatsanwaltschaft München
1 hat die Einvernahme der österreichischen Journalisten in Wien
verlangt.
ÖJC-Präsident Fred Turnheim sieht in beiden Fällen einen "massiven
Angriff auf die Pressefreiheit. Österreich verliert langsam aber
sicher den Anspruch, ein demokratischer Rechtsstaat zu sein".
Aus diesem Grund hat der Präsident des Österreichischen
Journalisten Clubs folgenden Offenen Brief an alle
Nationalratsabgeordneten gerichtet:
Sehr geehrte Frau Abgeordnete, sehr geehrter Herr Abgeordneter!
In großer Sorge wende ich mich an Sie mit der Bitte, sich für den
Erhalt der Pressefreiheit in Österreich einzusetzen.
Der Österreichische Journalisten Club (ÖJC) hat in den vergangenen
Jahren mehrmals im Rahmen der Begutachtungsverfahren aber auch in
öffentlichen Stellungnahmen vor einer dramatischen Verschärfung der
Pressefreiheit in Österreich gewarnt.
Das in den vergangenen Tagen erfolgte Fehlurteil des Wiener
Oberlandesgerichts in der Skinhead-Affäre, die Einvernahme der
Journalisten von "profil" und "News" durch die Staatsanwaltschaft
Wien ohne Deckung durch das Gesetz, die Handhabung des
Sicherheitspolizeigesetzes durch die Exekutive, die geplanten
Verschärfungen im Mediengesetz und die neugeschaffene juristische
Medien-"Behörde" lassen bei uns Journalisten alle Alarmglocken
klingeln.
Wir bitten Sie als Abgeordnete zum Nationalrat dringend, die
Grundrechte, zu denen auch die Pressefreiheit gehört, nicht
anzutasten, sondern vielmehr auszubauen. Derzeit wird die
Pressefreiheit in Österreich mit Füssen getreten.
Machen Sie sich bei der Zerstörung der Grundrechte nicht mitschuldig.
Verteidigen Sie bitte die, mit viel Blut und Leid erkämpfte,
Pressefreiheit! Führen wir gemeinsam einen "Runden Tisch" zum Erhalt
der Pressefreiheit in Österreich durch.
In tiefer Sorge verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Fred Turnheim
Präsident
Österreichischer Journalisten Club
Rückfragehinweis:
Österreichischer Journalisten Club Blutgasse 3 1010 Wien www.oejc.at office@oejc.at T. +43 1 9828555 F. +43 1 982855550
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