• 19.09.2010, 19:18:25
  • /
  • OTS0074 OTW0074

"Kleine Zeitung" Kommentar: "Der "Heilige Großvater" gewann viele Sympathien" (Von Matthias Thibaut)

Ausgabe vom 20.9.2010

Graz (OTS) - Polizisten, Politiker und Bischöfe sandten Dankgebete
gen Himmel, als der Heilige Vater gestern unbeschadet Großbritannien
verließ. Sie waren erleichtert, dass die Menschen trotz der Hetze von
Papstgegnern und Säkularisten an den Straßenrändern jubelten und der
Papst seine Messen vor freudigen Menschenmassen zelebrieren konnte.
Sogar die angeblichen Attentäter wurden als harmlos wieder
freigelassen.

Die Briten schenkten dem schüchternen Mann schon aus Fairness Gehör.
Vor allem am Samstagabend im Hyde Park schlossen sie den "Heiligen
Großvater", wie einer schrieb, ins Herz. Und wenn sie seine englisch
genuschelten Worte nicht auf Anhieb verstanden, begriffen sie dann
doch, welch kompromisslose Botschaft er ihnen brachte.

Benedikt XVI. hat das vielleicht säkularisierteste und
materialistischste Land der westlichen Welt besucht. Islamistischer
Terror schürte die Sehnsucht der Briten nach einer religionsfreien
Öffentlichkeit. Die Labour-Regierung drängte den Einfluss der
Religion im Staat systematisch zurück. Sexualmissbrauch von Kindern
durch Priester, die Haltung des Papstes zu Empfängnisverhütung oder
der Rolle von Frauen in der Kirche bestärkte diejenigen, die Religion
in die Privatsphäre verbannen wollten.

Hier gegenzusteuern war seine Mission und sie scheint erstaunlich gut
gelungen. Seine Worte zum Pädophilenskandal waren offen und demütig,
auch wenn sie vielen nicht weit genug gingen. Aber im Zentrum stand
die Rede in der Westminster Hall, wo 1533 der Bruch Englands mit dem
Papsttum besiegelt wurde, der bis heute die Identität des Landes und
seine Verfassung prägt. Ausgerechnet hier erinnerte Benedikt an die
legitime Rolle der Religion "auf dem Platz der Öffentlichkeit" und
betonte, dass sich der Toleranzgedanke nicht auf die private
Religionsausübung beschränken dürfe. Er pochte darauf, dass
Gesellschaft und Religion, Vernunft und Spiritualität einander als
Korrektiv brauchen.

Damit zeigte er den britischen Säkularisten die Grenzen ihres Denkens
auf. Man wird sehen, was es bewirkt. Aber der Papst kam in einem
guten Moment. Denn die konservativ geführte Koalition hat weniger
Angst vor der Religion. Premier David Cameron betonte dies beim
Abschied. Er sieht bei seinen Reformen eine aktive Rolle für die
Kirchen und ihre Werte wie Familie, Nachbarschaftlichkeit und
Gemeinschaft. Der Papst war zufrieden. Diejenigen, die gegen die
Intoleranz des Papstes demonstriert hatten, sahen nun wie die
Intoleranten aus.****

Rückfragehinweis:
Kleine Zeitung, Redaktionssekretariat, Tel.: 0316/875-4032, 4033, 4035, 4047, mailto:redaktion@kleinezeitung.at, http://www.kleinezeitung.at

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | PKZ

Bei Facebook teilen.
Bei X teilen.
Bei LinkedIn teilen.
Bei Xing teilen.
Bei Bluesky teilen

Stichworte

Channel