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"Kleine Zeitung" Kommentar: Das Erzherzog-Gen
Ausgabe vom 12.9.2010
Graz (OTS) - Ein ganzes Jahr lang hat die offizielle Steiermark
im Vorjahr ihrem früheren Schirmherr und Neuerer Erzherzog Johann
gehuldigt. Leise hatte man daran die Hoffnung geknüpft, dass sich die
landespolitische Elite von den Tugenden des querköpfigen Habsburgers
inspirieren lassen würde, von der Art, wie der liberale, grüne
Adelige Modernität und Aufbruch lebte und lehrte, wie er mit seiner
Musterlandwirtschaft, der Modernisierung des Erzberges, den
wissenschaftlichen Sammlungen das Land weitete und voranbrachte.
Aus jener unerschrockenen Reformfreude leitete sich der
Erzherzog-Mythos ab, jene Aura aufgeklärter, geerdeter
Intellektualität, die die steirische Politik prägte und
österreichweit zu einer Marke machte. Die Steiermark bewies, dass ein
vitales regionales Bewusstsein und Weltzugewandtheit kein Gegensatz
sein müssen. Der dialektische Spagat zwischen Tradition und
Avantgarde unterschied den Heimatbegriff diesseits und jenseits der
Pack. Wo auf der einen Seite 10. Oktober war, war auf der anderen
Steirischer Herbst.
Es war die Zeit, als es für steirische Landespolitiker
selbstverständlich war, ohne Fotografen Antrittsvorlesungen zu
besuchen. Man suchte das geistige Gespräch, stellte Gewissheiten in
Frage, buchstabierte als Erster das Wort Cluster und stieß mit
verwegenen Vorschlägen zum Abbau föderaler Wucherungen Debatten an.
Namen wie Krainer, Koren, Schilcher oder die hirschknopffreien
Varianten Paierl und Hirschmann standen beispielhaft für diese Form
von Politik. Sie hatten ein Johann-Gen. In der ÖVP ist es nur noch
rudimentär vorhanden, in der SPÖ war es nie Teil der DNA.
Beide Leerstellen spürt man schmerzhaft. Wo früher, als sich die
Steiermark nach dem Niedergang der verstaatlichten Industrie neu
erfand, der Reformgeist gedieh, wuchert heute banale Folklore. Kopf
an Kopf stehe es in der Steiermark, heißt es formelhaft. Ein kühnes
Sprachbild. Wo sind die Köpfe?
Der desolate Zustand manifestiert sich in einem Wahlkampf, im dem
arithmetische Spannung und aufreizende Inhaltsleere
aufeinanderprallen. Wer von außen kommt und durch das Bundesland
fährt, steht verstört vor dem rätselhaften dadaistischen Gestammel
der Plakate ("Gut so." "Wir sind Heimat". "Zurück zur Steiermark").
Eigentlich hätten die Bürger ein Recht zu erfahren, wer das bessere
Reformkonzept für das budgetär schwer angezählte Bundesland hat. Die
Politik steht an einem Scheideweg, doch weder die SPÖ noch die ÖVP
geben Auskunft. Man nimmt Maß an Wien. Auch das ist etwas, was sich
die Grüne Mark, als sie noch eine Marke war, niemals gestattet hätte.
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