• 11.06.2010, 13:02:23
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Offener Brief an die österreichische Bundesregierung und an die Initiatorinnen des Runden Tisches zu Missbrauchsfällen

Wien (OTS) - An die österreichische Bundesregierung und besonders
an die Initiatorinnen des Runden Tisches zu Missbrauchsfällen in
kirchlichen, schulischen und anderen pädagogischen Einrichtungen,
Frau Justizministerin Mag. Claudia Bandion-Ortner und Frau
Staatssekretärin im BMWFJ Christine Marek

Sehr geehrte Frau Ministerin Bandion-Ortner,
Sehr geehrte Frau Staatssekretärin Marek,
Sehr geehrte Damen und Herren der Bundesregierung,

Sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen ist seit Monaten in
aller Munde.

Eine Welle von Missbrauchsaufdeckungen erschüttert die
Gesellschaft. In teils sehr differenzierten Diskussionen in den
Medien und darüber hinaus werden die Ursachen angeschaut, werden die
Strukturen, die Gewalt ermöglichen und begünstigen, benannt und
erforscht. Unisono kommen Fachleute und Betroffene, KommentatorInnen
und Mitdenkende zu dem Schluss, dass in Zukunft klare Strukturen,
Transparenz, Stärkung der Kinder, Enttabuisierung, Wissensaneignung
und eine präventive pädagogische Haltung Mädchen und Buben gegenüber
DIE Antwort auf all das sein muss.

Wir als eine der Hauptstellen in Österreich mit dem Schwerpunkt
Prävention von sexueller Gewalt (Selbstlaut arbeitet seit 1991 genau
dazu) begrüßen bei aller Bedauerlichkeit der Vorfälle und
erschütternden Anzahl von unaufgearbeiteten Übergriffen die Einsicht,
dass es keiner Law- und Order- Maßnahmen bedarf, es keine schnellen
Lösungen gibt, sondern dass es guter und umfassender
Präventionsarbeit bedarf. Dabei wissen wir, dass auch die Prävention
sexuelle Gewalt nicht gänzlich abschaffen kann, aber Vorbeugung und
die damit verbundene Haltung der Erwachsenen und Stärkung der Kinder
macht es TäterInnen schwer und hilft Betroffenen, sich in einem eher
frühen Stadium der Anbahnung von sexuellem Missbrauch anzuvertrauen
und somit Schlimmeres zu verhindern.

Umso mehr erstaunt es uns, dass schon während des eigens
einberufenen interministeriellen Runden Tisches (BMJ und BMWFJ), an
dem auch Selbstlaut teilgenommen hat, und auch nachher in den
Presseaussendungen seitens der Ministerien verlautbart wurde, dass
keinerlei extra finanziellen Mittel zur Verfügung stehen. Das heißt
konkret, dass der Konsens, präventive Maßnahmen auszubauen und zu
verstärken, nur ein Lippenbekenntnis bleibt.

Das können und wollen wir als eine mit der Umsetzung just dieser
Erkenntnisse und Forderungen betraute Einrichtung nicht hinnehmen.
Selbstlaut ist seit Anfang des Jahres, also mit dem Beginn der
medialen Aufarbeitung der Missbrauchsvorwürfe, mit zirka der
doppelten Menge an Anfragen und Arbeitsvolumen des vergleichbaren
Zeitraums im letzten Jahr konfrontiert. Und das bei gleich bleibender
Subventionierung. Das kann sich nicht ausgehen. Diese und ähnliche
Situationen werden Sie bei vielen anderen Beratungsstellen finden,
die gegen sexualisierte Gewalt arbeiten.

Sollte sich dieser gestiegene Bedarf an Beratung, an
Präventionsprojekten, an Verdachtsbegleitung und allem, was
dazugehört, nicht auch in zusätzlichen Förderungen niederschlagen,
ist die Besorgnis der politischen RepräsentantInnen nicht
ernstzunehmen, sondern als Verschleierung zu verstehen. Fachstellen
wie Selbstlaut müssten binnen kurzer Zeit ihre Tätigkeit massiv
reduzieren anstatt sie auszubauen.

Wir bitten Sie, im Interesse der Betroffenen von sexualisierter
Gewalt, aber auch im Interesse der derzeitigen und zukünftigen Kinder
und Jugendlichen in Schulen, Kindergärten, Internaten, kirchlichen
und sonstigen pädagogischen und Freizeiteinrichtungen Ihren Worten
Taten folgen zu lassen und zusätzliche Mittel für die Vorbeugung
bereit zu stellen.

Gerne erläutern wir in persönlichen Treffen die konkreten
Schritte, die nach unserer Erfahrung für eine Intensivierung von
präventiven Maßnahmen notwendig wären. Oder/und geben vertiefende
Einblicke in die Möglichkeiten und Mittel der Primärprävention für
Kinder, die keine sexuellen Gewalterfahrungen haben, der
Sekundärprävention für Kinder, die aktuell betroffen sind und der
Tertiärprävention für jene Kinder, denen in der Vergangenheit
sexuelle Gewalt angetan wurde. Für alle drei Gruppen bieten die
Mittel und Ansätze der Prävention Hilfe.

Es ist ein großer Schritt, wenn heute über alte und aktuelle Fälle
von sexueller Gewalt auf breiter gesellschaftlicher Basis gesprochen
werden kann und die Betroffenen ernst genommen werden.
Wir sehen das als sehr wichtig an und freuen uns, wenn auch unsere
Arbeit einen Teil dazu beitragen kann, dass Kinder und Jugendliche
heute leichter und schneller offene Ohren und aufmerksame Erwachsene
finden.

Mit freundlichen Grüßen - Team Selbstlaut

Rückfragehinweis:

Verein SELBSTLAUT gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen
   Vorbeugung - Beratung - Verdachtsbegleitung 
   Berggasse 32/4, 1090 Wien
   www.selbstlaut.org
   mailto:office@selbstlaut.org
   Tel: 01 - 810 90 31

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