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"Kleine Zeitung" Kommentar: "Besser eine hässliche als gar keine Lösung" (von Stefan Winkler)

Ausgabe vom 25.03.2010

Graz (OTS) - Es gibt ein Bonmot, es stammt von Alfred Polgar
und lautet: "Es hat sich bewährt, an das Gute im Menschen zu glauben, aber sich auf das Schlechte zu verlassen."

Hätten die Europäer diesen Grundsatz beherzigt, dann wäre ihnen das ganze griechische Schuldenschlamassel erspart geblieben. Aber die große Lebenslüge der Eurozone war es, zu glauben, man könne sich eine Währung teilen, ohne die gleiche Politik zu verfolgen.

Wenn Deutschland als Lehre aus dem ägäischen Fiasko jetzt die Regeln des Euro-Stabilitätspakts radikal verschärfen will, ist das daher eine zwar späte aber lobenswerte Einsicht.

Sicher, die tiefen Tubatöne aus Berlin, die Drohung, reuelosen Schuldensündern künftig EU-Gelder zu streichen und sie als Ultima Ratio sogar aus der Währungsunion zu verstoßen, haben vor allem einen Adressaten. Es ist der deutsche Wähler, der in Nordrhein-Westfalen im Mai zu den Urnen gebeten ist.

Die Landtagswahl in Deutschlands bevölkerungsreichstem Bundesland gilt als kleine Bundestagswahl. Mit dem kühlen Kalkül der Naturwissenschaftlerin ordnet Angela Merkel ihr nun Europa unter.

Deutschland, das über Jahrzehnte hinweg den Zahlmeister Europas gab, ist nicht länger gewillt, jeden Preis für die europäische Einigung zu berappen. Das ist neu in der EU und wird von Lissabon bis Warschau mit einer Mischung aus Wut und Verblüffung registriert.

Sollte sie die wichtigsten Staaten doch noch überreden können, den Internationalen Währungsfonds in die Rettung des griechischen Patienten einzubinden, würde Merkel buchstäblich in letzter Minute das Ärgste vom Gipfel abwenden.

Nichts wäre schlimmer, als wenn Europas Staatenlenker wieder im Streit voneinandergehen würden.

Sicher, in Washington um Hilfe anzuklopfen, mag das ohnehin schwache Ego der Europäer nicht unbedingt stärken. Aber auch wenn jetzt der Eindruck entsteht, dass Europa das eigene Haus nicht zu bestellen vermag, so handelt es sich doch um den einzig richtigen Weg.

Denn Gemeinschaftshilfen sind in der Eurozone strikt verboten. Im Fall eines drohenden Staatsbankrotts mag das zwar als widersinnig erscheinen. Und nichts ist in Krisenzeiten gefährlicher als blinder Dogmatismus. Aber die Gefahr, dass die hohen Verfassungsrichter in Karlsruhe ein unsauberes Hilfskonstrukt kassiert hätten, ist zu groß.

Nach dem Gipfel wäre dann vor dem Gipfel. So wird zwar auch über diesem Gipfel nicht die Ruh sein, die man den Europäern wünschen möchte, aber die Ungewissheit hätte ein Ende, und das wäre gut so.****

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