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Wiener Zeitung: Leitartikel von Reinhard Göweil: "930 Milliarden Euro"

Ausgabe vom 25. März 2010

Wien (OTS) - Wenn die 27 EU-Regierungschefs zum Gipfeltreffen anreisen, wird alles Interesse (und alle Kameras) auf einen gerichtet sein: Griechenlands Ministerpräsident Giorgos Papandreou. Sein Land steht vor der Monsteraufgabe, heuer 55 Milliarden Euro aufzutreiben, um nicht pleitezugehen.

Die anderen 26 werden dies mit heimlicher Freude hinnehmen. Solange alle auf das Budgetdefizit Griechenlands schauen, kommt niemand auf die Idee, jene zu betrachten, die derzeit Griechenland gute Ratschläge erteilen.

Um nur die Großen zu nennen: Großbritanniens Defizit wird heuer mit 12,9 Prozent erwartet, jenes Spaniens mit 10,1 Prozent. Frankreich liegt bei 8,2 Prozent, Italien bei 5,3 Prozent, und Deutschland bei fünf Prozent. Österreichs Vorschau: 5,5 Prozent. Die Griechen liegen in der EU-Defizit-Bestellerliste mit 12,2 Prozent Prognose auf Platz 4.

Nun sind Länder wie Großbritannien natürlich ungleich potenter, sodass sie dies besser wegstecken können als das strukturschwache Griechenland. Doch auch sie müssen heuer Milliarden-Defizite im zweistelligen Bereich abdecken, und dazu müssen sie Anleihen begeben. Dass Griechenland auf den Märkten so raushängt, mag daher den anderen recht sein, weil sie so im Windschatten ihre Schäfchen ins Trockene bringen können.

Das Gesamtdefizit der 27 EU-Länder wird heuer in absoluten Zahlen unvorstellbare 930 Milliarden Euro ausmachen. Dazu kommen noch die USA und Japan. Das zeigt, dass es heuer und in den kommenden Jahren einen ziemlichen Wettbewerb der diversen Staatsanleihen geben wird. Die Käufer, Großinvestoren und Banken rund um den Globus, werden umschmeichelt. Im Ernstfall wird der andere schlecht gemacht, um selbst besser dazustehen. Besser dastehen heißt: Weniger Zinsen zu zahlen.

Beim Frühjahrsgipfel der EU wird es also - neben der unwürdigen Diskussion, die seit Tagen läuft - eine gehörige Portion Scheinheiligkeit geben. Deutschland spielt auf Kosten der Griechen hart, um als Stabilitätsgarant dazustehen. Das sichert günstige Zinsen für die enorme Staatsschuld. Der einzige Ausweg wären gemeinsame Euro-Anleihen für alle - gepaart mit harten, externen Budgetkontrollen. Dies ist utopisch, es bleibt also bei der Scheinheiligkeit.

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