• 15.02.2010, 18:17:32
  • /
  • OTS0223 OTW0223

DER STANDRD-KOMMENTAR "Sympathisanten der Steuersünder" von András Szigetvari

Die Debatte um den Kauf gestohlener Bankdaten wirft ein schiefes Licht auf Wien - Ausgabe vom 16.2.2010

Wien (OTS) - Die großen Antworten auf die Finanzkrise ist die
Politik bisher schuldig geblieben. Der Reformeifer, mit dem sie nach
den Bankenzusammenbrüchen im Herbst 2008 ans Werk gingen, ist
erlahmt. Dennoch blieb nach der Lehman-Pleite nicht Alles beim Alten.
Etwa bei Steuerhinterziehung. Die internationale Gemeinschaft ist
zunehmend weniger gewillt, den Diebstahl an Steuergeldern zu
tolerieren. Doch die Forderung nach mehr Transparenz ruft auch Gegner
auf den Plan, die es weiterhin schaffen, die Diskussionen zu prägen.
Exemplarisch zeigt das der geplante Ankauf der Steuersünder-CD durch
Deutschland.

Abgabenhinterziehung durch den Geldtransfer ins Ausland war in den
vergangenen Jahrzehnten ein Kavaliersdelikt. Allein in der Schweiz
sollen laut Finanzdienstleister Helvea rund 500 Milliarden Euro
Schwarzgeld aus der EU gebunkert sein. 500 Milliarden sind mehr als
eineinhalbmal so viel wie die jährliche Wirtschaftsleistung
Österreichs. Da geht es also nicht um ein paar Kriminelle, sondern um
systematischen Diebstahl durch Reiche und Superreiche. Die
internationale Staatengemeinschaft blieb lange untätig.

Beim G-20-Gipfel in London im Frühjahr 2009 kam Bewegung in die
Sache. Die OECD wurde beauftragt, eine Liste der Steueroasen zu
erstellen. Der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück stellte
medienwirksam die Schweiz und Österreich auf eine Stufe mit Burkina
Faso ("Ouagadougou").

Umso bemerkenswerter ist es, unter welchen Vorzeichen die Debatte
rund um die Steuersünder-CD stattfindet. Mehrheitlich wird darüber
diskutiert, ob Deutschland, moralisch gesehen, die CD kaufen darf
oder nicht. Wieso die Schweiz moralisch berechtigt ist, fremdes
Steuergeld in Milliardenhöhe zu horten, wird kaum hinterfragt.

Viel Unrühmliches kam auch aus Österreich. Einige der Statements
waren entlarvend. Dass die Präsidenten der Wiener Rechtsanwaltskammer
und der Kammer der Wirtschaftstreuhänder davor warnten, dass der
Staat Geschäfte mit Kriminellen mache, gehört da noch unter die
Rubrik der reinen Klientelpolitik. Weit schwerer wiegt, dass
Finanzminister Josef Pröll so wenig zu dem Thema eingefallen ist.
Pröll bezeichnete den Ankauf gestohlener Daten durch den Staat als
"sehr kritisch". Dabei hatten Juristen in Österreich in seltener
Eintracht erklärt, dass der CD-Kauf legal wäre und auch Experten des
Finanzministeriums vertreten diese Ansicht. Von Pröll kam dennoch
wenig: kein pathetischer Ruf nach Selbstanzeigen, keine
Grundsatzerklärung. Dabei zeigen die vielen Fälle in Deutschland, wie
wirksam das Instrument der Selbstanzeige, gepart mit einer Portion
Angst im Nacken, sein kann.

Das Zaudern Wiens liegt daran, dass Österreich bisher selbst eine
unrühmliche Rolle gespielt hat. Auf dem Index der 60
intransparentesten Finanzplätze des Tax Justice Network rangiert
Österreich auf Platz zwölf. Gemeinsam mit Luxemburg und Belgien
verweigert es die EU-weite automatische Weitergabe von
Zinseinkünften.

Diese Haltung ist in Zeiten krisenbedingter Rekorddefizite noch
schmerzhafter. Die EU verlangt derzeit aus Furcht um den Euro einen
rigiden Sparkurs von Griechenland. Mindestens so dringend müssen die
500 Milliarden in der Schweiz versteuert werden. Das würde auch Athen
helfen. 99 Prozent des griechischen Geldvermögens in der Schweiz
liegt auf Schwarzgeldkonten; es geht um mehr als 16 Milliarden Euro.

Rückfragehinweis:
Der Standard
Tel.: (01) 531 70 DW 445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | PST

Bei Facebook teilen.
Bei X teilen.
Bei LinkedIn teilen.
Bei Xing teilen.
Bei Bluesky teilen

Stichworte

Channel