Wien (OTS) - Jüngst wurde eine Dokumentation über den
österreichischen Exilarchitekten Viktor Gruen, den Erfinder der
Shopping Mall, anlässlich seines 30. Todestages vom ORF gezeigt. Der
von Anette Baldauf und Katharina Weingartner gestaltete Film ruft in
Erinnerung, dass Viktor Gruen, der 1938 in die USA emigrieren musste,
bei seiner Rückkehr in den sechziger Jahren von der Ingenieurkammer
das Führen der Berufsbezeichnung Architekt versagt wurde.
Warum? Er erfüllte nicht alle Voraussetzungen! Als verfolgter Jude
konnte er sein Studium nicht abschließen, sein Büro wurde 1938 von
den Nationalsozialisten enteignet. Gruen setzte sich im Prozess um
seine Berufsbezeichnung mit der feinen Lanze des Humors durch, er
führte in Österreich seinen Titel schließlich mit "c" - "architect".
Der Zusammenhang mit seiner persönlichen Lebensgeschichte, der
Notwendigkeit der Emigration, der Flucht vor einem Mörderregime, war
wohl für die Wiener Kammer seinerzeit nicht herzustellen; oder
schlimmer noch, er war unerheblich.
Zum zweiten Mal zeigt sich damit im Jahr 2010, dass die
Verstrickungen von Österreichs zentralen technischen Institutionen in
die Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft noch immer
nicht bereinigt sind. Vor kurzem verhedderte sich die TU Wien in die
"lüftlige Geschichtsschreibung" eines Bauingenieurs, der unberufen
daherkam und ausrechnete, was seine Vordenker oder besser
Gesinnungsgenossen bei der Planung von Gaskammern falsch oder
unzureichend gemacht hätten. Letztlich versuchte er mit seiner
"Expertise" zu "belegen", dass die Massenvernichtungsanlagen nie
existiert hätten.
Dass bei solchen Geschehnissen, nicht nur die unselige Zeit des
Terrors relativiert wird, sondern auch spätere Handlungen von
Epigonen im Geiste offensichtlich werden, beschämt unsere Mitglieder
und erfüllt uns als führende Funktionäre der Bundeskammer der
Architekten und Ingenieurkonsulenten mit Wut.
Nun sei festgehalten: Viktor Gruen war, und das abseits aller
fachlichen Debatten über seine Konzepte, einer der bedeutenden
Architekten des letzten Jahrhunderts. Es steht uns gut an, ihm die
Ehre zu erweisen - als eine Art geistiger Restitution.
Angesichts der illegitimen Vorgangsweise der Kammerherren der
sechziger Jahre nehmen wir uns die Freiheit, ihm die
Ehrenmitgliedschaft der Bundeskammer der Architekten und
Ingenieurkonsulenten Kraft unserer Funktion als Präsident bzw. als
Vorsitzender der Bundessektion Architekten zu verleihen.
Arch. Dipl.-Ing. Georg Pendl
Präsident der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten
Arch. Mag. Walter Stelzhammer
Vorsitzender Bundessektion Architekten
ORF-Link zum Film "Der Gruen-Effekt":
http://tv.orf.at/program/orf2/20100207/467677401/283844
Rückfragehinweis:
Arch. Dipl.-Ing. Georg Pendl
g.pendl@pendlarchitects.at, Tel: + 43 (0) 699 12233446
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/1420
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