- 29.01.2010, 10:16:34
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- OTS0074 OTW0074
Staatsbürgerschaftsprüfung: Ein Defizit an "Grundkenntnissen" beim BM.I.?
Wien (OTS) - Stellungnahme und zusammenfassende Kritik betreffend
Staatsbürgerschaftsprüfung vom Österreichischen Verband für Deutsch
als Fremdsprache/Zweitsprache (ÖDaF) zur Staatsbürgerschaftsprüfung
und zur Lernunterlage des BM.I.:
Grundlage des Tests soll laut Staatsbürgerschaftsgesetz der
Lehrplan der 4. Klasse Hauptschule für "Geschichte und Sozialkunde"
sein. Diese Zielsetzungen werden in der Lernunterlage in keinem
einzigen Kapitel eingelöst.
Das bloße Abprüfen von Daten, Faktenwissen und gesetzlichen
Grundlagen macht ein Verstehen, eine Kontextualisierung und
Interpretation durch nicht vorgebildete RezipientInnen völlig
unmöglich. Im Teil zur Geschichte Österreichs sind die Auswahl
historischer Ereignisse, die Verkürzungen und die Tendenz zu
monokausalen Erklärungen wissenschaftlich und fachlich nicht
vertretbar. Sie entsprechen nicht dem neueren Forschungsstand,
sondern reproduzieren überholte Geschichtsauffassungen. Zentrale
Erkenntnisse und Begriffe der österreichischen Zeitgeschichte werden
völlig ausgeblendet, die Mitschuld Österreichs am Holocaust wird
verschwiegen, implizit wird sogar die Opferthese vertreten. In der
Auswahl der für eine Darstellung des politischen Systems als wichtig
und elementar definierten Bereiche zeigt sich ein auf formale und
juristische Aspekte reduziertes Politik- und Demokratieverständnis im
Sinne eines völlig antiquierten Staatsbürgerkundeunterrichts. Zudem
haben ExpertInnen aus den Bereichen Politikwissenschaft und
Geschichte in der Lernunterlage zahlreiche inhaltliche Fehler
festgestellt.
Das sprachliche Niveau der Lernunterlage übersteigt über das in
der verpflichtenden Deutschprüfung vorausgesetzte Niveau A2 des
Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen.
Diese Staatsbürgerschaftsprüfung ist als Mittel zur
Integrationsförderung und zur Bildung eines - im weitesten Sinn -
politischen Bewusstseins prinzipiell untauglich, ja sogar
kontraproduktiv. Das Auswendiglernen von willkürlich
aneinandergereihten Daten kann von StaatsbürgerschaftswerberInnen nur
als Schikane empfunden werden, dies auch vor dem Hintergrund, dass
die VerfasserInnen des BM.I. vermeintliche "Grundkenntnisse"
abverlangen, über die sie selbst offensichtlich nicht oder nur
lückenhaft verfügen. Dass eine solchermaßen inkompetente Form von
Landeskunde die Basis für die Zuerkennung der österreichischen
Staatsbürgerschaft, darstellt, muss in demokratiepolitischer Hinsicht
als skandalös bezeichnet werden.
Es wird nicht genügen, einzelne Fehler der Lernunterlage zu
korrigieren bzw. diese zu entfernen. Der ÖDaF fordert daher die
Abschaffung dieser Staatsbürgerschaftsprüfung. Stattdessen könnte für
StaatsbürgerschaftswerberInnen das Angebot einer modularen Schulung
in politischer Bildung unter Anleitung und Mitarbeit von kompetenten
ExpertInnen aus Lehre und Forschung eine sinnvolle Alternative
darstellen.
Detaillierte Analysen und Stellungnahmen finden sich auf
www.oedaf.at.
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