• 15.01.2010, 11:28:31
  • /
  • OTS0106 OTW0106

Asylerstbetreuungszentrum EBERAU - OFFENER BRIEF

Wien (OTS) - Sehr geehrte Frau Bundesminister Dr. Fekter!

Das Projekt Eberau ist tot.

Frau Bundesminister, ergreifen Sie die Gelegenheit und leiten Sie
ein Vergabeverfahren über Planungsleistungen zu einem neuen
Asylerstbetreuungs-zentrum ein, das diesem Lande, uns
ÖsterreicherInnen und unserer Verantwortung gegenüber Menschen, die
aus welchen Gründen immer Asyl bei uns suchen, würdig ist. Asyl ist
ein Menschenrecht, und Menschenrechte sind unteilbar! Sorgfalt,
Transparenz und umfassender Qualitätsanspruch sind bei einer solchen
Bauaufgabe nicht nur so wesentlich wie bei jeder anderen
öffentlichen, sondern noch viel mehr.

Wir erlauben uns aufgrund der Erfahrungen mit dem Projekt Eberau
einige Hinweise und Anregungen zu geben.

Zur Raumplanung

Zuerst ist der geeignete Standort zu finden oder besser: Die Frage
der angemessenen Größenverhältnisse ist sorgfältig zu klären. Kann
eine Verteilung der Asylwerber auf kleinere Einheiten deren
Lebensqualität steigern und deren Akzeptanz bei den BürgerInnen
verbessern? Wie kann diese überall ortsuntypische Nutzung am besten
in Siedlungsstruktur und Landschaft, aber auch in die mentalen
Landkarten der BürgerInnen eingegliedert werden? Ist der Standort
geeignet in Bezug auf die notwendige Infrastruktur, die Beratung in
rechtlicher, psychologischer und ärztlicher Hinsicht? Genau diese
Fragen konnte das Projekt Eberau nicht befriedigend beantworten.

Zur Projektentwicklung

Eine Realisierungsplanung für ein öffentliches Bauwerk verletzt
dann die Grundsätze und Mindeststandards der Hochbauplanung, wenn:

- das Pflichtenheft für die Planung weder die Bedürfnisse der
Nutzer noch der Betroffenen eines Bauwerks berücksichtigt;
- die Planung nicht schrittweise detaillierend von Vorentwurf über
Entwurf zur behördlichen Einreichung entsteht. Eine solche
Planungsabfolge ist unumgänglich zur Schärfung der Projektidee, zur
qualitativen Kontrolle und zur Wahrung ökonomischer Aspekte. Das
Weglassen einzelner Schritte ist "Pfusch" - und daher nicht nur
ökonomisch unvertretbar.
- das Bauverfahren zur Durchsetzung eines ungeeigneten Standorts
und einer verfehlten Gestaltung missbraucht wird;
- das Vergabeverfahren für die Planungsleistung nicht auf die
fortlaufend detaillierenden Planungsschritte zielt, sondern nur zur
Exekution eines von vornherein feststehenden, genehmigungstaktisch
optimierten Planungsvorschlags benutzt wird.

Genau diese Defizite trafen leider auf das genehmigte Projekt für
das AEZ Eberau zu.

Zum Bauverfahren

Genehmigungs- und Bauverfahren sind nicht als Hindernisse auf dem
Weg zur Realisierung konzipiert, sondern dienen im Grunde dem
Ausgleich der Interessen am Standort, insofern bei inhaltlich
korrekter, positiver Erledigung auch höhere Akzeptanz bei den
Projektbeteiligten und -betroffenen entsteht. Jedweder Schritt der
Umgehung oder Verschleierung belastet ein Projekt. Gerade bei einer
sensiblen Bauaufgabe ist Verfahrenstreue und Genauigkeit oberste
Pflicht.

Dazu gehört selbstverständlich auch die klare Deklaration der
öffentlichen Bauherrschaft und der tatsächlichen Nutzung, nicht ein
Versteckspiel hinter einer Privatperson, die im Fall Eberau noch dazu
der (für solche Planungen nicht befugte) Planer war.

Zur Vergabe

Die oberflächliche Markterkundung Ihres Ministeriums, bei der
rasch via Google nach passenden PlanerInnen gesucht wurde und aus der
Anfragen bei etwa zehn PlanerInnen resultierten, kann - und darf
nicht - wiederholt werden. Nur ein Architekt (höchstes Lob an die
nicht leistungswilligen KollegInnen) erklärte sich zur Mitwirkung an
dem aberwitzigen Unterfangen bereit, eine Planungsleistung binnen 3
Wochen zu erbringen, die seriöser weise etwa 6 Monate in Anspruch
nehmen würde. Und der eine "Architekt" war schließlich gar keiner -
wie das Ministerium in der Folge nicht selbst herausgefunden hat.

Das darf nicht noch einmal vorkommen. Das Bundesvergabegesetz
(BVergG) schreibt bei einem Projekt dieser Größenordnung sogar eine
EU-weite Bekanntmachung bei der Ausschreibung der Planungsleistung
vor. Das BVergG lässt eine Stückelung des Planungsauftrags nicht zu,
um unter den EU-Schwellenwert zu kommen. Das in Eberau geübte
Auftragssplitting ging offensichtlich davon aus, dass der Vorentwurf
aufgrund des bewährten Raumprogramms des Bundesministeriums sowie der
bewährten Baustilkunde des Bürgermeisters ("burgenländischer
Baustil") nicht notwendig und der Rest daher auch "wenig aufwändig"
zu erledigen wäre.

Dass zudem angedacht war, das genehmigte Obstrukt mitsamt der
Liegenschaft der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) zur Realisierung
"aufs Auge zu drücken", wäre angesichts des Anspruchs und der
jahrelangen, kontinuierlich qualitätsvollen Projektentwicklungsarbeit
der BIG für diese wohl eine Zumutung der besonderen Art gewesen.

Wir hoffen daher, dass Sie, Frau Bundesminister, beim nächsten Mal
die BIG von Anfang an in Ihr Projekt einbinden werden, um sich der
dort gegebenen Kompetenz in Sachen Projektentwicklung, Vergabe und
Umsetzung zu bedienen.

Zur Architektur

Die Gestaltung des Projekts in Eberau, davon gehen wir zumindest
aus, war so nicht gewollt, sondern ist nur Resultat unfähiger Planer,
die zudem einem Geist verpflichtet zu sein scheinen, der nicht nur in
der Fachwelt, sondern auch in der Öffentlichkeit längst überwunden
ist: Eberau drohte eine dumpf-dreiste Anlage, der nur noch jene
Beschilderung fehlt, welche vor kurzem nicht weit von hier gestohlen
wurde. Hoffentlich kein gewollter Zynismus, sondern ein Dokument von
Unfähigkeit.

In Österreich leben und arbeiten eine Vielzahl hervorragender
ArchitektInnen, die sich diesem schwierigen und komplexen Thema mit
Engagement nähern wollen und können, um jenen Menschen, die bei uns
Schutz und Asyl suchen, eine erste Behausung zu ermöglichen.
Architektur kann dazu beitragen, die Würde der AsylantInnen zu
respektieren, die Bewältigung ihrer oft schrecklichen persönlichen
Geschichte zu erleichtern. Nicht zuletzt würde Architektur beweisen,
dass Österreich ein humanes Land ist, das eine kultivierte Haltung
auch bei der Aufnahme von Flüchtlingen zeigt.

Frau Bundesminister, wir sind guten Mutes, dass Sie sich als
verantwortliche Politikerin in diesem Sinn für eine baukulturell
gesamthaft verantwortliche Vorgangsweise stark machen werden!

Hochachtungsvoll

Präsident der Bundeskammer der Architekten
und Ingenieurkonsulenten (bAIK)
E-Mail: g.pendl@pendlarchitects.at; Tel: +43 (0) 699 12233446

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/1420

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | BAI

Bei Facebook teilen.
Bei X teilen.
Bei LinkedIn teilen.
Bei Xing teilen.
Bei Bluesky teilen

Stichworte

Channel