Wiener Zeitung: Leitartikel von Reinhard Göweil: "Unverschämtheit siegt?"
Ausgabe vom 15. Dezember 2009
Wien (OTS) - Noch sind nicht alle Hypo-Zahlen auf dem Tisch, aber
da sich sogar der Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, in die Verhandlungen einschaltete, muss es sehr ernst gewesen sein. Die Pleite der Hypo Alpe Adria hätte einen unabsehbaren Dominoeffekt gehabt, warnte er. Für einen Notenbanker ist ein solcher Satz nackte Panik.
Also rettet die Republik Österreich mit ungeheurem Aufwand jene Bank, die sich selbst an den Rand des Ruins brachte. Die Stellungnahmen aus München und Klagenfurt dazu sind - gelinde gesagt - unverschämt. Das BZÖ, deren Funktionäre die Verantwortlichen des Desasters sind, sprach von einem "guten Tag für Kärnten". Und in München wurde frohlockt, dass Schaden vom deutschen Steuerzahler abgewendet wurde.
So was sind doch verantwortungsvolle Eigentümer, da kommt richtig Freude auf! Für den Finanzminister muss es ein Akt hoher Disziplin sein, dies unter "ned amal ignorieren" abzulegen.
Eine Pleite der Bank wäre für Österreich noch teurer geworden, auch wenn dies angesichts der Zahlen kaum vorstellbar ist. Auf Kosten der Republik werden Verluste auftauchen, die sich im Moment niemand ausmalen mag. Mit der Hypo ist das "Banken-Paket" vom ertragreichen Zinsgeschäft endgültig zum Verlustbringer geworden.
Dafür behält Österreich seine Top-Bonität und der Euro ist um eine Belastung mehr herumgeschrammt.
Damit die Unverschämtheit nicht ganz siegt, sind nun Rechnungshof, Justiz und Finanzmarktaufsicht besonders gefordert. Bei so einer "Brez?n" muss die Frage beantwortet werden, wer die Verantwortung trägt. Und die Steuerzahler haben ein Recht darauf zu erfahren, was die Kärntner Landesregierung so alles in und um die Bank getrieben hat. Ob das alles mit den Gesetzen in Einklang stand, muss zweifelsfrei geklärt werden.
Sonst gibt es für niemanden mehr ein Hindernis, eigene Versäumnisse vom Budget finanzieren zu lassen. Da könnte etwa ein Unternehmer, der pleitegegangen ist, seine Außenstände von der Republik garantieren lassen. Und Bankräuber könnten sich den vermummten Weg zum Bankschalter ersparen und gleich im Finanzministerium die Überweisung des gewünschten Betrages einfordern . . .
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