- 01.12.2009, 20:20:23
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Verfassungsausschuss sagt ja zu Kinderrechten in der Verfassung Notwendige Zweidrittel-Mehrheit im Nationalrat aber fraglich
Wien (PK) - Die von den Koalitionsparteien geplante
verfassungsrechtliche Verankerung von Kinderrechten hat die erste
parlamentarische Hürde genommen. Der Verfassungsausschuss des
Nationalrats stimmte heute mehrheitlich dem aus insgesamt 9 Artikeln
bestehenden Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern zu.
Allerdings ist es äußerst fraglich, ob die für einen Beschluss
notwendige Zweidrittelmehrheit im Nationalrat zustande kommt, nachdem
FPÖ, BZÖ und Grüne im Ausschuss nicht nur auf den Oppositionsboykott
verwiesen, sondern sich zum Teil auch inhaltlich ablehnend zum
Gesetzentwurf äußerten.
Auch die umfassende Novellierung des aus dem Jahr 2000 stammenden
Datenschutzgesetzes, die erstmals detaillierte Regelungen für private
Videoüberwachung enthält, droht an der Oppositionsblockade für
Verfassungsgesetze zu scheitern. Durch gemeinsames Vorgehen haben
FPÖ, BZÖ und Grüne heute außerdem verhindert, dass das von den
Koalitionsparteien eingebrachte Wahlrechtsänderungsgesetz 2010, mit
dem unter anderem die Bestimmungen für die Briefwahl vereinheitlicht
werden sollen, auf die Tagesordnung des Verfassungsausschusses kommt.
Das vom Verfassungsausschuss gebilligte Bundesverfassungsgesetz über
die Rechte von Kindern sieht unter anderem einen Rechtsanspruch von
Kindern auf Schutz und Fürsorge, ein Recht auf gewaltfreie Erziehung,
altersgerechte Mitspracherechte und ein Verbot von Kinderarbeit vor.
Außerdem sollen Kinder grundsätzlich Anspruch auf regelmäßigen
Kontakt zu beiden Elternteilen haben. Gemäß Antrag ist jedoch eine
gesetzliche Beschränkung von Kinderrechten aus bestimmten Gründen
möglich, wobei in den Erläuterungen als konkrete Beispiele straf- und
fremdenrechtliche Maßnahmen und berücksichtigungswürdige
Elterninteressen genannt werden.
Mit dem Gesetzentwurf mitverhandelt wurden eine Petition der
Kinderfreunde Oberösterreich und ein Entschließungsantrag der Grünen,
die beide ebenfalls auf die verfassungsrechtliche Verankerung von
Kinderrechten abzielen.
Im Rahmen der Debatte kritisierte Abgeordnete Tanja Windbüchler-
Souschill (G) die fehlende Einbindung der Opposition und von
ExpertInnen bei der Erarbeitung der Gesetzesvorlage und bekräftigte,
ihre Fraktion lehne den vorliegenden Entwurf nicht wegen der
vereinbarten Oppositionsblockade ab, sondern aus inhaltlichen
Gründen. Sie vermisst im Entwurf etwa eine Reihe von Kinderrechten
wie das Recht auf Bildung, das Recht auf volle Partizipation, das
Recht auf soziale Absicherung und das Recht auf Freizeit und
Erholung. Überdies braucht es ihrer Meinung nach begleitende
Maßnahmen zur verfassungsrechtlichen Verankerung von Kinderrechten
und die Bereitstellung finanzieller und personeller Ressourcen.
Kritisch zum Entwurf äußerten sich auch die Abgeordneten Harald
Stefan (F), Herbert Scheibner (B) und Ewald Stadler (B). So
bemängelte Abgeordneter Stefan etwa die fehlende Einordnung der
Kinderrechte in die Familie. Abgeordneter Scheibner bekräftigte, man
könne die jahrelangen Versäumnisse der Regierung in Bezug auf die
verfassungsrechtliche Verankerung von Kinderrechten nicht der
Opposition anlasten. Abgeordneter Stadler machte geltend, die
Regierung sei seit 1992 säumig. Er verteidigte zudem generell die
Oppositionsblockade von Verfassungsgesetzen und betonte, die
Opposition müsse die Möglichkeit haben, sich zur Wehr zu setzen.
Seitens der ÖVP appellierte Abgeordneter Wilhelm Molterer an die
Opposition, "die Kirche im Dorf zu lassen". Niemand in der
Öffentlichkeit werde es verstehen, dass die Aufnahme von
Kinderrechten in die Verfassung blockiert sei, weil die Opposition
diese Frage mit der Arbeit des Untersuchungsausschusses verknüpfe,
meinte er. Was die inhaltliche Kritik betrifft, merkte Molterer an,
der Gesetzentwurf baue auf einem Vorschlag des Österreich-Konvents
auf. Der Bildungszugang und die soziale Absicherung seien in
Materiengesetzen geregelt. SPÖ-Abgeordnete Angela Lueger sprach
insgesamt von einem guten Entwurf und einem ersten wichtigen Schritt
und verteidigte wie Molterer den Gesetzesvorbehalt.
Bei der Abstimmung wurde das Bundesverfassungsgesetz mit S-V-Mehrheit
gebilligt, die Petition einstimmig zur Kenntnis genommen und der
Entschließungsantrag der Grünen mit der Mehrheit der
Koalitionsparteien und der FPÖ abgelehnt.
Datenschutz soll zur Gänze Bundeskompetenz werden
An der Hürde Zweidrittelmehrheit könnte auch die geplante umfassende
Novellierung des Datenschutzgesetzes scheitern. Im
Verfassungsausschuss sprachen sich jedenfalls nur SPÖ und ÖVP für den
von der Regierung vorgelegten Gesetzentwurf aus, mit dem verschiedene
Probleme, die in den vergangenen Jahren bei der Vollziehung
datenschutzrechtlicher Bestimmungen aufgetreten sind, beseitigt
werden sollen.
Unter anderem sieht der Entwurf vor, die Zuständigkeit zur
Gesetzgebung und zur Vollziehung des Datenschutzes zur Gänze dem Bund
zu übertragen, das Grundrecht auf Datenschutz in eine sprachlich
verbesserte Form zu fassen, das Datenschutzgesetz um detaillierte
Regelungen hinsichtlich der Zulässigkeit von Videoüberwachungen durch
Private zu ergänzen, den Rechtsschutz durch eine präzisere Regelung
des Beschwerdeverfahrens vor der Datenschutzkommission zu verbessern,
das Registrierungsverfahren für Datenanwendungen zu vereinfachen und
Unternehmen die Möglichkeit verbindlicher einseitiger Erklärungen
einzuräumen. Gleichzeitig sind verschärfte Sanktionen bei der
Vernachlässigung von Meldepflichten in Aussicht genommen.
Videoüberwachungen sollen grundsätzlich einer Meldepflicht und einer
Vorabkontrolle unterliegen und müssen zudem dem
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen. Außerdem sind Anlagen zur
Videoüberwachung entsprechend zu kennzeichnen und aufgezeichnete
Daten, sofern sie nicht für Beweis- bzw. Schutzzwecke benötigt
werden, innerhalb von 72 Stunden zu löschen. Jeder Verwendungsvorgang
ist zu protokollieren. Ausdrücklich untersagt ist laut Entwurf die
Videoüberwachung an Orten, die zum "höchstpersönlichen Lebensbereich"
eines Betroffenen zählen, z.B. in WCs und in Umkleidekabinen, sowie
zum Zweck der Mitarbeiterkontrolle an Arbeitsstätten. Weitergegeben
werden können aufgezeichnete Daten, wenn der Verdacht auf eine von
Amts wegen zu verfolgende gerichtlich strafbare Handlung besteht.
Für den Beschluss der Datenschutzgesetznovelle 2010 ist eine
Zweidrittelmehrheit sowohl im Nationalrat als auch im Bundesrat
erforderlich. Die Regierung strebt ein Inkrafttreten mit 1. Jänner
2010 an.
In der Debatte stellte Abgeordneter Ewald Stadler (B) klar, das BZÖ
werde nicht bereit sein, dem Gesetz die erforderliche
Zweidrittelmehrheit zu sichern. Auch Abgeordneter Werner Herbert (F)
wies auf den Oppositionsboykott hin, konzedierte der
Regierungsvorlage aber, "alles in allem", tauglich zu sein.
Ausdrücklich begrüßte er die Regelungen für die private
Videoüberwachung. Einziger inhaltlicher Wermutstropfen ist für die
FPÖ Herbert zufolge das Fehlen eines betrieblichen
Datenschutzbeauftragten.
Abgeordneter Albert Steinhauser (G) machte dem gegenüber eine Reihe
inhaltlicher Bedenken gegen die Datenschutzgesetz-Novelle geltend. So
wies er darauf hin, dass es in Österreich derzeit schätzungsweise
bereits 250.000 private Videokameras gebe, und kritisierte, dass
dieser "Wildwuchs" nun zwar reglementiert, aber nicht eingeschränkt
werden solle. Auch der Rechtsschutz ist seiner Meinung nach zu
schwach ausgeprägt. So müsse man bei illegalen Videoaufzeichnungen
auf dem Zivilrechtsweg eine Unterlassungsklage einbringen.
Steinhauser forderte eine Art Betriebsgenehmigungsverfahren für
private Videoaufzeichnungsanlagen. Als durchaus positiv wertete er,
dass das Gesetz die Mitarbeiterkontrolle durch Videoüberwachung
verbiete.
Abgeordneter Johann Maier (S) äußerte Bedauern über die Blockade der
Opposition und gab zu bedenken, dass mit der Gesetzesnovelle einigen
Kritikpunkten der Opposition aus der Vergangenheit Rechnung getragen
werde. Es gehe um die größten Änderungen im Datenschutzgesetz seit
dem Jahr 2000, skizzierte er. Erstmals würde auch die private
Videoüberwachung geregelt. Ein von Maier eingebrachter
Abänderungsantrag hat die Erstreckung der Frist für die Löschung von
Videoaufzeichnungen aus privaten Überwachungsanlagen von 48 auf 72
Stunden zum Inhalt.
Abgeordneter Wilhelm Molterer (V) bekräftigte, die Bestimmungen über
private Videoüberwachung seien ein wesentlicher Fortschritt gegenüber
dem Ist-Zustand.
Staatssekretär Josef Ostermayer sprach von einem insgesamt sehr
ausgewogenen Gesetz und wies u.a. darauf hin, dass Videoüberwachungen
an manchen Orten künftig ausdrücklich unzulässig und generell zu
kennzeichnen seien. Auch hob er die Löschungsverpflichtung von Daten
hervor. Über die Einrichtung von betrieblichen
Datenschutzbeauftragten soll Ostermayer zufolge mit den
Sozialpartnern verhandelt werden, dazu fasste der Ausschuss auch eine
so genannte Ausschussfeststellung.
Bei der Abstimmung wurde die Regierungsvorlage unter Berücksichtigung
des Abänderungsantrags mit S-V-Mehrheit angenommen, die
Ausschussfeststellung wurde auch von den Grünen mitunterstützt.
Den Verfassungsausschuss passiert haben heute auch eine Änderung des
Bundesvergabegesetzes, eine Dienstrechts-Novelle und eine Änderung
des KommAustria-Gesetzes. (Fortsetzung)
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