• 12.11.2009, 18:07:50
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Wiener Zeitung: Leitartikel von Reinhard Göweil: "Baustelle Asylgesetz"

Ausgabe vom 13. November 2009

Wien (OTS) - Die Abschiebung von Arigona muss auf 140 Seiten
erklärt werden, obwohl der - vor Wahlen stehende - Kosovo zwar arm,
aber sicher kein lebensgefährliches Gebiet mehr ist. Alleine das
zeigt, dass es beim Asylrecht ein Problem geben muss. Dass dieses
Gesetz allein seit 2006 dreimal novelliert wurde, untermauert die
These.

Ob sich daher in den befassten Behörden noch viele damit auskennen,
darf bezweifelt werden. Denn das Parlament flüchtete sich - in
Abwägung zwischen dem Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung und dem
Schutz von Flüchtlingen - in technische Bestimmungen. Die
Altersbestimmung von Asylsuchenden ohne Papiere per Röntgen findet
sich beispielsweise darin.

Wenn aber Menschenrecht formaljuristisch definiert wird, dann kommt
es zu Fällen wie Arigona Zogaj: Die Verfahren dauern viel zu lang,
und wenn sich Flüchtlinge in dieser Zeit vollständig in eine
Gesellschaft integrieren und heimisch werden, dann erscheint eine
Abschiebung vollkommen unverständlich.

Und ist es auch. Aber das Fremdenrecht nimmt eben auf Integration
kaum Rücksicht. Das sollte es aber tun, denn eine Integration unter
den Voraussetzungen dieses Gesetzes ist eine herausragende Leistung.
Asylwerber sind "Gebietsbeschränkungen" unterworfen, können sich also
in Österreich nicht frei bewegen. Und erst die Gesetzesnovelle vom
Oktober macht es ihnen - auch unter strengen Auflagen - möglich, eine
befristete Arbeitsbewilligung zu erhalten. Wegen der langen
Verfahrensdauer pfuschen halt viele - auch das kann nicht im Sinne
des Erfinders sein.
Die nächste "Fremdenrechtsänderungsnovelle" kommt also so sicher wie
das Amen im Gebet. Ein Blick nach Italien - dort werden Flüchtlinge
in Ruderbooten auf offener See zum Umdrehen gezwungen - zeigt, dass
(auch) dieses Thema nur auf europäischer Ebene zu lösen ist. Denn aus
vielen Asylanten werden Migranten. Neben rechtsstaatlichen Verfahren,
die es geben muss, um Missbrauch zu begegnen, sollte sich Europa der
Erkenntnis stellen, dass es Einwanderer braucht.

Und auch unter den Asylsuchenden werden sich mehr Talente als
Kriminelle finden, auch wenn das manche nicht gerne hören.

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