Ruth Steiner brachte Lebenserinnerungen ihres Vaters heraus, der 1938 zur Flucht nach Manila gezwungen wurde - Präsentation im Wiener Kardinal-König-Haus - Dank an die Aufnahmebereitschaft der Philippinen für jüdische Flüchtlinge aus Mitteleuropa
Wien, 09.11.2009 (KAP) Im Zeichen des Gedenkens an die
Novemberpogrome und an die herzliche Aufnahme von mehr als 1.200
jüdischen Flüchtlingen aus Mitteleuropa auf den Philippinen stand im
Wiener Kardinal-König-Haus die Präsentation der Lebenserinnerungen
von Hans Steiner, der 1938 als junger Rechtsanwalt Wien verlassen
musste. Hans Steiner (1908-1980) war der Vater der in Manila
geborenen Publizistin Ruth Steiner, die sich als Konvertitin
besonders für die christlich-jüdische Verständigung einsetzt. Ruth
Steiner hat die Lebenserinnerungen ihres Vaters unter dem Titel "Nie
wieder Wien?" im Wiener "Dom"-Verlag herausgebracht.
Bei der Präsentation erinnerte Ruth Steiner daran, dass ihr Vater -
ebenso wie viele andere jüdische Flüchtlinge - ohne die großzügige
Asylgewährung durch den damaligen philippinischen Präsidenten Manuel
Luis Quezon y Molina (1878-1944) nicht überlebt hätte. Nach
Kriegsende und der Wiedererrichtung Österreichs setzte sich Hans
Steiner als österreichischer Honorargeneralkonsul in Manila sehr für
die Vertiefung der österreichisch-philippinischen Beziehungen ein.
Die Präsentation des Buches - bei der zahlreiche jüdische und
katholische Persönlichkeiten anwesend waren - hatte daher auch
bewusst philippinische Akzente: der Vizebotschafter der Philippinen
bei den Wiener UNO-Organisationen, Charlie P. Manangan, war
anwesend, für die musikalische Gestaltung sorgte der aus
philippinischen Krankenschwestern und Pflegern bestehende Chor
"Larawang Kupas", im Zeichen der Solidarität wurde für die Opfer der
jüngsten Flutkatastrophe in dem Inselstaat gesammelt.
In den Lebenserinnerungen Hans Steiners wird spannend, humorvoll und
sehr persönlich eine Kindheit und Jugend im jüdischen Bürgertum
Wiens geschildert - und dann der Weg eines erfolgreichen jungen
Rechtsanwalts. Im besten Sinn "aufklärend" ist die Darstellung der
dreißiger Jahre, als das Unheil schon überall zu spüren war und
allzu viele es doch nicht glauben wollten. Auch in Nebenszenen wird
spürbar, was damals wirklich los war, so in der Schilderung Steiners
aus den ersten "Anschluss"-Tagen 1938: "Meine deutschnationale
Sekretärin in der Kanzlei kam in den ersten wilden Tagen gar nicht.
Dann kreuzte sie wieder auf und konfiszierte zuerst einmal meine
schöne goldene Montblanc-Füllfeder mit der Bemerkung: 'Die habe ich
schon immer haben wollen, aber jetzt können Sie nichts machen, weil
Sie ein Jud sind'".
Steiner gelang es, aus Wien zu fliehen. Über Dänemark, die USA und
China kam er auf die Philippinen, wo er eine Stelle an der
Universität erhielt, eine Familie gründete und dann mit den
Schrecknissen des Zweiten Weltkrieges konfrontiert wurde, der auf
den Philippinen eine Million Tote forderte. Erst 1963 kehrte Steiner
wieder nach Wien zurück.
Der jüdische Theologe Prof. Peter Landesmann erinnerte bei der
Präsentation daran, dass Hans Steiner nach seiner Rückkehr nur
ungern über seine Flucht gesprochen habe. Steiner sei ein
kulturbegeisterter Mensch gewesen, "typischer Repräsentant" des
Wiener jüdischen Bürgertums, bei dem die jüdische "Liebe zum Buch"
stark ausgeprägt war. Er sei humorvoll und den Mitmenschen gegenüber
sehr positiv eingestellt gewesen. "Dennoch hat er die Kränkung, die
er 1938 erfahren musste, nie vergessen. Man darf daher sein Buch
nicht so lesen, als ob er mit seiner Rückkehr nach Wien eine
Generalabsolution erteilen wollte", betonte Landesmann.
"Dom"-Verlag-Geschäftsführer Anton Gatnar wies auf das neue
Verlagsprogramm seines Hauses hin, das als einen Schwerpunkt auch
den Rückblick auf die "düstere Zeit" in Österreich habe. So sei im
Vorjahr ein Buch über die "Hilfsstelle für nichtarische Katholiken"
erschienen, die von Kardinal Theodor Innitzer 1940 gegründet wurde
und die ihren Sitz im Wiener Erzbischöflichen Palais hatte. Das
Steiner-Buch sei nicht nur spannend und humorvoll, sondern es berge
eine Fülle von wenig bekannten Detailinformationen über das Wien der
Zwischenkriegszeit und den Krieg auf den Philippinen, so Gatnar.
Verlagsleiterin Inge Cevela schilderte den Werdegang des Buches "Nie
wieder Wien?"
"Furche"-Religionsredakteur Otto Friedrich betonte die
Notwendigkeit, an die Ereignisse in Wien vor 71 Jahren zu erinnern,
als am 9./10. November 1938 insgesamt 42 Synagogen und Bethäuser
zerstört wurden. "Wir können das und die Ermordung und Verfolgung
der Juden nicht ungeschehen machen", so Friedrich. Als Reaktion
werde seit mehreren Jahren jeweils Anfang November von Christen in
Wien die Bedenkwoche "Mechaye Hayetim" (Der die Toten auferweckt)
abgehalten. Heuer findet der ökumenische "Mechaye"-Gottesdienst am
Montag, 9. November, um 19 Uhr, in der Wiener Ruprechtskirche statt.
Der Wiener Bischofsvikar Karl Rühringer und die evangelische
Oberkirchenrätin Hannelore Reiner leiten den Gottesdienst. Im
Anschluss ist ein "Schweigegang" zum Mahnmal auf dem Wiener
Judenplatz vorgesehen.
Ruth Steiner bedauerte im Blick auf jüngste Landeswahlkämpfe, dass
in Österreich "leider antisemitische Zwischenrufe noch immer aktuell
sind". Es sollte so sein, "dass ein Rücktritt eines diesbezüglich
auffälligen Politikers von der ganzen Bevölkerung gefordert wird".
In der Realität schaue es aber anders aus, und es werde
"geschwiegen, um keine Wählerstimmen zu verlieren".
Die 1944 in Manila geborene Ruth Steiner studierte
Rechtswissenschaften an der Universität Wien. Sie war von 1969 bis
1973 Leiterin des Internationalen Studentenclubs Wien, dann bis 1983
als Personalchefin im Internationalen Institut für Angewandte
Systemanalyse in Laxenburg tätig und von 1983 bis 1986 in der
"Citibank" in Wien. Von 1986 bis zu ihrem Ruhestand im Jahr 2000 war
sie Generalsekretärin der Katholischen Aktion Österreich (KAÖ).
Die Publizistin ist heute in zahlreichen Bereichen ehrenamtlich
tätig, u.a. im Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische
Zusammenarbeit und in der Mauthausen-Lagergemeinschaft Österreich.
Im Wiener "Dom"-Verlag sind von ihr bereits zwei Bücher erschienen:
"Daheim in zwei Religionen" und "Was ich dich noch fragen wollte:
Eine Christin auf der Suche nach ihrer jüdischen Identität".
(ende)
nnnn
OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | KAT