- 21.10.2009, 13:27:56
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Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte protestiert gegen "Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009"
Manfred Nowak: "Missbrauchsannahme führt zu menschenrechtlich äußerst bedenklichen Entwicklungen" - Verschlechterung für AsylwerberInnen durch bevorstehende Abstimmung im Nationalrat
Wien (OTS) - AsylweberInnen erleiden bereits eine Verschlechterung
 ihrer Situation seit der kürzlich erfolgten Reduzierung der
 Finanzierungshilfe von Rechtsberatung durch unabhängige NGOs wie
 Caritas oder Diakonie. Die jetzt vorgeschlagenen Änderungen im Asyl-
 und Fremdenpolizeigesetz führen zu einer weiteren Verschlimmerung der
 rechtlichen Situation während und nach Abschluss ihres Verfahrens.
"Das Hauptziel eines Asylgesetzes sollte die Identifikation von
 schutzbedürftigen Personen sein, um ihnen den durch die Genfer
 Flüchtlingskonvention garantierten Schutz gewähren zu können. Die
 derzeit diskutierte Novelle basiert jedoch auf der Generalannahme des
 Missbrauchs", kritisiert Manfred Nowak, Leiter des Ludwig Boltzmann
 Instituts für Menschenrechte. "Diese Missbrauchsannahme führt zu
 menschenrechtlich äußerst bedenklichen Entwicklungen", so Nowak
 weiter, "die den Zugang zum Recht für AsylwerberInnen drastisch
 einschränken."
Beschwerdefrist von einer Woche genügt nicht
Die Verkürzung der Rechtsmittelfrist von zwei auf eine Woche für
 Beschwerden an den Asylgerichtshof gegen bestimmte negative
 (vorwiegend zurückweisende) Entscheidungen der ersten Instanz (zB bei
 Dublin-Verfahren oder nach Folgeanträgen) schränkt den Rechtsschutz
 für AsylwerberInnen in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise ein.
 Die Beschwerdefrist von einer Woche lässt nicht ausreichend Zeit für
 eine adäquate Rechtsberatung, die aber dringend notwendig ist, zumal
 AsylwerberInnen in der Regel kaum über Kenntnisse der deutschen
 Sprache verfügen und mit dem komplizierten österreichischen Asylrecht
 nicht vertraut sind. Hinzu kommt, dass viele AsylwerberInnen in einem
 Dublin-Verfahren von Schubhaft betroffen sind bzw. sein werden, wo es
 keinen Zugang zu Rechtsberatung und -vertretung gibt.
Diese vorgesehene Verkürzung der Rechtsmittelfrist könnte für die
 betroffene schutzsuchende Person letztlich drastische Konsequenzen
 haben: Wird ein Asylverfahren in einem anderen EU-Mitgliedstaat mit
 niedrigeren Verfahrensstandards oder einer anderen Anerkennungspraxis
 durchgeführt, kann dies für AsylwerberInnen unter Umständen in einer
 Abschiebung in einen Staat münden, wo Verfolgung oder Folter oder
 unmenschliche Behandlung droht.
"Trotz Harmonisierungsbestrebungen auf EU-Ebene sehen
 Asylverfahren und die Anerkennungspraxis hinsichtlich ähnlich
 gelagerter Fälle in den einzelnen Mitgliedstaaten teilweise sehr
 unterschiedlich aus", bekräftigt Nowak die von der EU Kommission und
 dem UNHCR geübte Kritik. "Diese neuen Verfahrensregeln entsprechen
 nicht dem von internationalen Menschenrechtsinstrumenten und
 österreichischem Verfassungsrecht geforderten Standards eines
 effektiven Rechtsschutzes", bemängelt Nowak. Kürzere Verfahren sind
 grundsätzlich zu befürworten, aber nicht wenn sich diese Verkürzung
 negativ auf die Qualität des Verfahrens und den Schutz des einzelnen
 Asylwerbers/der einzelnen Asylwerberin auswirkt.
Noch mehr Schubhäftlinge
Es ist zu befürchten, dass die vorgesehene Einführung fünf
 weiterer Schubhaftgründe, bei deren Vorliegen die Schubhaft gegen
 AsylwerberInnen grundsätzlich verpflichtend zu verhängen ist, zu
 einem Anstieg der in Schubhaft befindlichen Personen führen wird.
 Dies ist verfassungsrechtlich und menschenrechtlich bedenklich, da
 die Einschränkung des Rechts auf persönliche Freiheit einen
 gravierenden Grundrechtseingriff darstellt, der nur als letztes
 Mittel nach vorangehender ausführlicher Einzelfallprüfung erfolgen
 sollte - dies ganz besonders bei AsylwerberInnen, die in Österreich
 um internationalen Schutz ansuchen und generell nicht gegen
 österreichisches Recht verstoßen haben.
Zudem handelt es sich häufig um Personen, die Opfer von Gewalt im
 Heimatstaat wurden oder auf Grund der Erlebnisse während der Flucht
 traumatisiert sind, so dass die Anhaltung in Schubhaft oftmals zu
 einer schweren psychischen Belastung wird. Abgesehen davon hat die
 Inschubhaftnahme Auswirkungen auf das Asylverfahren: Wie bereits von
 UNHCR und Menschenrechtsbeirat wiederholt kritisiert, haben
 AsylwerberInnen in Schubhaft weder Zugang zu ausreichender
 Information über den Verfahrensstand in ihrem Asylverfahren noch
 Zugang zu rechtlicher Beratung und Vertretung - dies ist jedoch
 notwendig, um ein faires Asylverfahren zu garantieren.
 So sind nach dem neuen Gesetz beispielsweise AsylwerberInnen in einem
 Dublinverfahren, das klären soll, welcher EU Mitgliedstaat für die
 Prüfung eines Asylantrags zuständig ist, grundsätzlich in Schubhaft
 zu nehmen, ebenso wie AsylwerberInnen, die (nunmehr verschärfte)
 Meldeverpflichtungen oder Gebietsbeschränkungen, die keine Rücksicht
 auf individuelle Bedürfnisse nehmen, verletzen. Dies kann etwa dazu
 führen, dass eine Asylwerberin, die die Betreuungsstelle in
 Traiskirchen verlässt, um ihr krankes Kind im Krankenhaus in Wien zu
 besuchen, in Schubhaft genommen wird, weil sie gegen die
 Gebietsbeschränkungsvorschrift verstoßen hat.
Hinzu kommt, dass die Bedingungen in Polizeianhaltezentren, in
 denen Schubhäftlinge derzeit angehalten werden, von internationalen
 Organen aber auch vom Menschenrechtsbeirat als schlechter als in
 Strafhaft beurteilt werden. Schubhaft ist aber gerade keine
 Strafhaft, sondern dient ausschließlich der Sicherung eines
 Verfahrens. Zudem sind, wie der Menschenrechtsbeirat seit Jahren
 kritisiert, die Bedingung in den Polizeianhaltezentren in Wien für
 eine längerfristige Anhaltung nicht geeignet, da es an einer offenen
 Station und ausreichend Beschäftigungsangeboten fehlt. "Ein Land wie
 Österreich, das demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien
 ebenso wie der Europäischen Menschenrechtskonvention verpflichtet
 ist, sollte sich die Reduktion der Anzahl von Menschen in Schubhaft
 zum Ziel setzen", so Nowak abschließend.
Das Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte fordert daher den
 Nationalrat und die österreichische Bundesregierung auf, die
 fraglichen Passagen in der Novelle zu überdenken und sie den von
 internationalen Menschenrechtsinstrumenten vorgeschriebenen Standards
 anzupassen. Darüber hinaus ist es Aufgabe des Staates den Zugang zu
 einer unabhängigen und fachlich qualifizierten Rechtsberatung für
 AsylwerberInnen zu ermöglichen, die unabhängig vom Bereich der
 Rückkehrberatung durchgeführt werden muss.
http://bim.lbg.ac.at
Rückfragehinweis:
 Mag.a Margit Ammer
 Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte
 Tel. 01/4277-27462
 mailto:margit.ammer@univie.ac.at
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