• 21.10.2009, 13:27:56
  • /
  • OTS0188 OTW0188

Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte protestiert gegen "Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009"

Manfred Nowak: "Missbrauchsannahme führt zu menschenrechtlich äußerst bedenklichen Entwicklungen" - Verschlechterung für AsylwerberInnen durch bevorstehende Abstimmung im Nationalrat

Wien (OTS) - AsylweberInnen erleiden bereits eine Verschlechterung
ihrer Situation seit der kürzlich erfolgten Reduzierung der
Finanzierungshilfe von Rechtsberatung durch unabhängige NGOs wie
Caritas oder Diakonie. Die jetzt vorgeschlagenen Änderungen im Asyl-
und Fremdenpolizeigesetz führen zu einer weiteren Verschlimmerung der
rechtlichen Situation während und nach Abschluss ihres Verfahrens.

"Das Hauptziel eines Asylgesetzes sollte die Identifikation von
schutzbedürftigen Personen sein, um ihnen den durch die Genfer
Flüchtlingskonvention garantierten Schutz gewähren zu können. Die
derzeit diskutierte Novelle basiert jedoch auf der Generalannahme des
Missbrauchs", kritisiert Manfred Nowak, Leiter des Ludwig Boltzmann
Instituts für Menschenrechte. "Diese Missbrauchsannahme führt zu
menschenrechtlich äußerst bedenklichen Entwicklungen", so Nowak
weiter, "die den Zugang zum Recht für AsylwerberInnen drastisch
einschränken."

Beschwerdefrist von einer Woche genügt nicht

Die Verkürzung der Rechtsmittelfrist von zwei auf eine Woche für
Beschwerden an den Asylgerichtshof gegen bestimmte negative
(vorwiegend zurückweisende) Entscheidungen der ersten Instanz (zB bei
Dublin-Verfahren oder nach Folgeanträgen) schränkt den Rechtsschutz
für AsylwerberInnen in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise ein.
Die Beschwerdefrist von einer Woche lässt nicht ausreichend Zeit für
eine adäquate Rechtsberatung, die aber dringend notwendig ist, zumal
AsylwerberInnen in der Regel kaum über Kenntnisse der deutschen
Sprache verfügen und mit dem komplizierten österreichischen Asylrecht
nicht vertraut sind. Hinzu kommt, dass viele AsylwerberInnen in einem
Dublin-Verfahren von Schubhaft betroffen sind bzw. sein werden, wo es
keinen Zugang zu Rechtsberatung und -vertretung gibt.

Diese vorgesehene Verkürzung der Rechtsmittelfrist könnte für die
betroffene schutzsuchende Person letztlich drastische Konsequenzen
haben: Wird ein Asylverfahren in einem anderen EU-Mitgliedstaat mit
niedrigeren Verfahrensstandards oder einer anderen Anerkennungspraxis
durchgeführt, kann dies für AsylwerberInnen unter Umständen in einer
Abschiebung in einen Staat münden, wo Verfolgung oder Folter oder
unmenschliche Behandlung droht.

"Trotz Harmonisierungsbestrebungen auf EU-Ebene sehen
Asylverfahren und die Anerkennungspraxis hinsichtlich ähnlich
gelagerter Fälle in den einzelnen Mitgliedstaaten teilweise sehr
unterschiedlich aus", bekräftigt Nowak die von der EU Kommission und
dem UNHCR geübte Kritik. "Diese neuen Verfahrensregeln entsprechen
nicht dem von internationalen Menschenrechtsinstrumenten und
österreichischem Verfassungsrecht geforderten Standards eines
effektiven Rechtsschutzes", bemängelt Nowak. Kürzere Verfahren sind
grundsätzlich zu befürworten, aber nicht wenn sich diese Verkürzung
negativ auf die Qualität des Verfahrens und den Schutz des einzelnen
Asylwerbers/der einzelnen Asylwerberin auswirkt.

Noch mehr Schubhäftlinge

Es ist zu befürchten, dass die vorgesehene Einführung fünf
weiterer Schubhaftgründe, bei deren Vorliegen die Schubhaft gegen
AsylwerberInnen grundsätzlich verpflichtend zu verhängen ist, zu
einem Anstieg der in Schubhaft befindlichen Personen führen wird.
Dies ist verfassungsrechtlich und menschenrechtlich bedenklich, da
die Einschränkung des Rechts auf persönliche Freiheit einen
gravierenden Grundrechtseingriff darstellt, der nur als letztes
Mittel nach vorangehender ausführlicher Einzelfallprüfung erfolgen
sollte - dies ganz besonders bei AsylwerberInnen, die in Österreich
um internationalen Schutz ansuchen und generell nicht gegen
österreichisches Recht verstoßen haben.

Zudem handelt es sich häufig um Personen, die Opfer von Gewalt im
Heimatstaat wurden oder auf Grund der Erlebnisse während der Flucht
traumatisiert sind, so dass die Anhaltung in Schubhaft oftmals zu
einer schweren psychischen Belastung wird. Abgesehen davon hat die
Inschubhaftnahme Auswirkungen auf das Asylverfahren: Wie bereits von
UNHCR und Menschenrechtsbeirat wiederholt kritisiert, haben
AsylwerberInnen in Schubhaft weder Zugang zu ausreichender
Information über den Verfahrensstand in ihrem Asylverfahren noch
Zugang zu rechtlicher Beratung und Vertretung - dies ist jedoch
notwendig, um ein faires Asylverfahren zu garantieren.
So sind nach dem neuen Gesetz beispielsweise AsylwerberInnen in einem
Dublinverfahren, das klären soll, welcher EU Mitgliedstaat für die
Prüfung eines Asylantrags zuständig ist, grundsätzlich in Schubhaft
zu nehmen, ebenso wie AsylwerberInnen, die (nunmehr verschärfte)
Meldeverpflichtungen oder Gebietsbeschränkungen, die keine Rücksicht
auf individuelle Bedürfnisse nehmen, verletzen. Dies kann etwa dazu
führen, dass eine Asylwerberin, die die Betreuungsstelle in
Traiskirchen verlässt, um ihr krankes Kind im Krankenhaus in Wien zu
besuchen, in Schubhaft genommen wird, weil sie gegen die
Gebietsbeschränkungsvorschrift verstoßen hat.

Hinzu kommt, dass die Bedingungen in Polizeianhaltezentren, in
denen Schubhäftlinge derzeit angehalten werden, von internationalen
Organen aber auch vom Menschenrechtsbeirat als schlechter als in
Strafhaft beurteilt werden. Schubhaft ist aber gerade keine
Strafhaft, sondern dient ausschließlich der Sicherung eines
Verfahrens. Zudem sind, wie der Menschenrechtsbeirat seit Jahren
kritisiert, die Bedingung in den Polizeianhaltezentren in Wien für
eine längerfristige Anhaltung nicht geeignet, da es an einer offenen
Station und ausreichend Beschäftigungsangeboten fehlt. "Ein Land wie
Österreich, das demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien
ebenso wie der Europäischen Menschenrechtskonvention verpflichtet
ist, sollte sich die Reduktion der Anzahl von Menschen in Schubhaft
zum Ziel setzen", so Nowak abschließend.

Das Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte fordert daher den
Nationalrat und die österreichische Bundesregierung auf, die
fraglichen Passagen in der Novelle zu überdenken und sie den von
internationalen Menschenrechtsinstrumenten vorgeschriebenen Standards
anzupassen. Darüber hinaus ist es Aufgabe des Staates den Zugang zu
einer unabhängigen und fachlich qualifizierten Rechtsberatung für
AsylwerberInnen zu ermöglichen, die unabhängig vom Bereich der
Rückkehrberatung durchgeführt werden muss.

http://bim.lbg.ac.at

Rückfragehinweis:
Mag.a Margit Ammer
Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte
Tel. 01/4277-27462
mailto:margit.ammer@univie.ac.at

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | LBG

Bei Facebook teilen.
Bei X teilen.
Bei LinkedIn teilen.
Bei Xing teilen.
Bei Bluesky teilen

Stichworte

Channel