- 19.10.2009, 12:43:21
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Wittgenstein-Preise 2009 an Jürgen Knoblich und Gerhard Widmer
Sechs Spitzen-NachwuchsforscherInnen in das prestigeträchtige START-Programm aufgenommen.
Wien (OTS) - Wissenschaftsminister Johannes Hahn gab heute im
Rahmen einer Pressekonferenz die diesjährigen Wittgenstein- und
START-PreisträgerInnen bekannt. Insgesamt werden in den kommenden
fünf bzw. sechs Jahren den acht ForscherInnen rund 9,8 Mio. EUR für
ihre wissenschaftlichen Arbeiten zur Verfügung stehen.
Bereits zum 14. Mal wurden heuer die START- und
Wittgenstein-Preise vergeben und der Kreis der im Rahmen dieser
Programme ausgezeichneten WissenschafterInnen wurde um acht Personen
erweitert. Die beiden Wittgenstein-Preisträger sind Jürgen Knoblich,
Institut für Molekulare Biotechnologie, Wien, und Gerhard Widmer,
Johannes-Kepler-Universität.
Jürgen Knoblich ist seit Anfang 2004 Senior Scientist am Institut
für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der Österreichischen Akademie
der Wissenschaften und wurde Anfang 2005 zum stellvertretenden
wissenschaftlichen Leiter des IMBA ernannt. Jürgen Knoblich, geboren
1963 in Memmingen (Bayern), arbeitet seit 1997 in Österreich. Nach
seinem Studium der Biochemie an der Universität Tübingen und
Molekularbiologie am University College London ging Jürgen Knoblich
zunächst an das Max-Plack-Institut für Entwicklungsbiologie und
wechselte 1990 an das Friedrich-Miescher-Labor der
Max-Plack-Gesellschaft (beides in Tübingen). Von 1994 bis 1997 war er
annähernd vier Jahre als EMBO- und Howard Hughes Medical Institute
Post-Doc-Fellow an der University of California (San Fancisco) tätig.
Im September 1997 kehrte er als Gruppenleiter an das Institut für
Molekulare Pathologie (IMP) nach Europa zurück. Das IMP war seine
wissenschaftliche Heimstätte bis Ende 2003.
Jürgen Knoblich beschäftigt sich seit geraumer Zeit mit dem
Phänomen der asymmetrischen Zellteilung. Die Zellteilung (Mitose)
wird allgemein als symmetrischer Prozess beschrieben, aus dem zwei
Zellen mit im Wesentlichen identem Zellinhalt hervorgehen.
Stammzellen jedoch teilen sich asymmetrisch, wobei eine Zelle
Stammzelle bleibt während die andere sich spezialisiert und genau
definierte Aufgaben im Organismus zu erfüllen hat. Wie die seit
Jahren an sich bekannte asymmetrische Zellteilung in molekularer aber
auch mechanischer Hinsicht bei Stammzellen abläuft, war hingegen
unbekannt. Dieses Rätsel hat Jürgen Knoblich mit seiner weltweit
anerkannten Arbeit gelöst. Anhand des Modellorganismus Drosophila
melanogaster (die Fruchtfliege) zeigte Jürgen Knoblich konkret, wie
Proteine mit der Bezeichnung "Numb" und "Brat" die asymmetrische
Zellteilung auslösen und wie die Steuerungsmechanismen auf
molekularer Ebene ablaufen. Von besonderer Bedeutung war dabei die
Entdeckung, dass Gendefekte in Numb und Brat Stammzellen in
sogenannte Tumorstammzellen verwandeln und zur Ausbildung von Tumoren
im Fliegengehirn führen.
Jüngste Arbeiten von Jürgen Knoblich und seiner Gruppe an
Mausmodellen legen den Schluss nahe, dass jene Erkenntnisse, die am
Modellorganismus Drosophila melanogaster gewonnen wurden,
wahrscheinlich für das gesamte Tierreich - insbesondere für höhere
Lebewesen - von großer Relevanz sind. Damit eröffnen sich neue
Perspektiven im Bereich der Stammzellenbiologie im Allgemeinen und
zukünftig möglicher medizinische Anwendungen, insbesondere im Bereich
der Tumorforschung.
Gerhard Widmer ist seit 2004 Professor für Computational
Perception an der Johannes-Kepler-Universität in Linz und leitet die
Abteilung für Intelligent Music Processing and Machine Learning am
Österreichischen Forschungsinstitut für Artificial Intelligence
(OFAI) in Wien. Gerhard Widmer beendete 1984 sein Diplomstudium
Informatik an der Technischen Universität Wien und ging unmittelbar
danach für zwei Jahre als Fulbright Stipendiat an die University of
Wisconsin, USA. Mit einem Master's degree in Computer Science kehrte
er 1986 nach Wien zurück, promovierte an der Technischen Universität
Wien 1989 und habilitierte sich 1995 ebenda. Ab 1991 bis 1997 war
Gerhard Widmer Universitätsassistent, und von 1997 bis 2004 a.
Univ.-Prof. am Institut für Medizinische Kybernetik und Artificial
Intelligence der Universität Wien. Gerhard Widmer ist nach Ferenc
Krausz und Markus Arndt der dritte Wittgenstein-Preisträger, dem das
Kunststück gelungen ist, nach der Aufnahme in das START-Programm
(1998) auch den begehrten Wittgenstein-Preis zugesprochen zu
erhalten.
Gerhard Widmer forscht im Schnittbereich zwischen Informatik,
künstlicher Intelligenz und Musik, einem Gebiet, das er maßgeblich
mitbegründet und geprägt hat. Seine und die Arbeiten seines Teams
spannen einen weiten Bogen von rein erkenntnisorientierter
Grundlagenforschung - zum Beispiel der quantitativen
computerbasierten Analyse und Modellierung so subtiler Phänomene wie
ausdrucksvolle künstlerische Musikinterpretation - bis hin zur
Entwicklung von musikalisch intelligenten Algorithmen mit hoher und
kommerzieller Relevanz - zum Beispiel Programmen, die Aspekte der
menschlichen Musikwahrnehmung simulieren und dadurch z.B. riesige
digitale Musiksammlungen nach musikalischen Klangkriterien
durchsuchen und ordnen können. Letztere haben vor kurzem sogar
Eingang in die erste musikalisch intelligente digitale Stereoanlage
gefunden. Es handelt sich hier um hochgradig interdisziplinäre
Forschung, die so unterschiedliche Disziplinen wie Artificial
Intelligence, maschinelles Lernen, Audiosignalverarbeitung, Music
Information Retrieval und Musikwissenschaften verbindet. Widmer wird
international als Pionier im Bereich Artifical Intelligence und Musik
wahrgenommen und sein Forschungsteam wird in diesem Gebiet zu den
leistungsfähigsten Gruppen weltweit gezählt.
Zukünftige Herausforderungen, denen sich Gerhard Widmer und seine
Teams in Linz und Wien stellen werden, zielen darauf ab,
substanzielles Musikverständnis auf maschineller Basis zu
realisieren, um sinnvolle und nützliche musikalische Interaktion
zwischen Computer und Mensch möglich zu machen.
Der Wittgenstein-Preis ist Österreichs höchstdotierter und
prestigeträchtigster Wissenschaftspreis, der im Auftrag des
Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung jährlich seit 1996
durch den FWF vergeben wird. Der Preisträgerin/dem Preisträger stehen
für ihre/seine weitere wissenschaftliche Arbeit bis zu 1,5 Mio. EUR
für die Dauer von fünf Jahren zur Verfügung. Der Wittgenstein-Preis
ist ein so genannter "Dry prize", das heißt, die Gelder stehen
ausschließlich für die intendierte Forschung und hier insbesondere
für junge WissenschafterInnen, die im Wittgenstein-Projekt
mitarbeiten werden, zur Verfügung.
Der Entscheidungsvorschlag - basierend auf Fachgutachten
ausländischer ExpertInnen - wurde von der Internationalen START- und
Wittgenstein-Jury zusammengestellt. Die Jury setzt sich aus
renommierten WissenschafterInnen aus dem Ausland zusammen, um eine
bestmögliche Objektivierung der Entscheidung sicherzustellen. Die
Jury tagte Ende letzter Woche unter der Vorsitzführung von Sheila
Jasanoff, Professorin an der Kennedy School of Government, Harvard
University.
Neben dem Wittgenstein-Preis wurden sechs
Spitzen-NachwuchsforscherInnen aus 49 Bewerbungen in das
START-Programm aufgenommen. Die START-Auszeichnung ist die
höchstdotierte und anerkannteste Förderung für
NachwuchsforscherInnen, die aufgrund ihrer bisher geleisteten
wissenschaftlichen Arbeit die Chance erhalten sollen, in den nächsten
sechs Jahren finanziell weitgehend abgesichert, ihre
Forschungsarbeiten zu planen und eine eigene Arbeitsgruppe
aufzubauen. Nach drei Jahren haben sie sich einer
Zwischen-evaluierung zu stellen. Die START-Preise sind mit jeweils
bis zu 1,2 Mio. EUR dotiert.
Die neu in das START-Programm aufgenommenen WissenschafterInnen - in
alphabetischer Reihenfolge - sind:
Francesca FERLAINO
"Ultrakalte Erbium-Atome: exotische quantenentartete Gase"
Institut für Experimentalphysik,
Leopold-Franzens-Universität Innsbruck
francesca.ferlaino@uibk.ac.at
Ilse FISCHER
"Kompakte Abzählformeln für verallgemeinerte Partitionen"
Institut für Mathematik
Universität Wien
ilse.fischer@univie.ac.at
Arthur KASER
"Rolle von ER Stress und XBP1 für die Schleimhautfunktion"
Univ.-Klinik für Innere Medizin II - Gastroenterologie &
Hepatologie
Medizinische Universität Innsbruck
arthur.kaser@i-med.ac.at
Manuel KAUERS
"Schnelle Computeralgebra für Spezielle Funktionen"
Research Institute for Symbolic Computation
Johannes-Kepler-Universität Linz
manuel@kauers.de
Thorsten SCHUMM
"Kernphysik mit einem Laser: 229Thorium"
Atominstitut
Technische Universität Wien
schumm@atomchip.org
David TEIS
"'ESCRT'-Service für Rezeptoren an der Zelloberfläche"
Biocenter
Medizinische Universität Innsbruck
dt272@cornell.edu
Sowohl das START-Programm als auch der Wittgenstein-Preis sind für
alle wissenschaftlichen Disziplinen offen. Die Programme werden vom
FWF im Auftrag des Wissenschaftsministeriums (BMWF) seit 1996
durchgeführt.
Rückfragehinweis:
Mag. Stefan Bernhardt, MBA
Tel.: +43 1 5056740 DW 8111
mailto:stefan.bernhardt@fwf.ac.at
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