Ausgabe vom 18.10.2009
Wien (OTS) - Ausländerfrage und Sozialstaatsdebatte zeigen: Die
politisch Korrekten sind verrückt. Menschen wie Thilo Sarrazin helfen
ihnen dabei, ihre Wirklichkeitswahrnehmung zurechtzurücken.
Thilo Sarrazin, Vorstand der Deutschen Bundesbank, hat die
Zuständigkeit für den Bargeldumlauf verloren (das Risikocontrolling
"gehört" ihm noch). Das war die ziemlich austriakisch anmutende
"Strafe" seiner Kollegen dafür, dass er in einem Interview mit dem
Kulturmagazin "Lettre International" böse Sachen gesagt hat. Über
Berlin und seine Ausländer, vor allem Türken und Araber.
Seine Maledizien über die Produktion von Kopftuchmädchen und Gemüse
sind ja inzwischen allseits beliebt und bekannt. Eine
Kurzzusammenfassung der bisherigen Sarrazin-Debatte würde lauten: Er
hat ziemlich sicher mit ziemlich allem recht, aber so sagt man das
nicht. Das erbost naturgemäß alle, die von der Political Correctness
die Nase voll haben. Weil die alles mit dem Verdacht des Rassismus
belegt, was auch nur einigermaßen nach Klartext klingt. Zugleich geht
es denen zu weit, die wirklich politisch korrekt sein wollen: Die
glauben nämlich, dass alle Menschen, vor allem solche mit
Migrationshintergrund, gut sind. Und nur darunter leiden, dass sie in
Berlin, Wien und London nicht ausreichend als Bereicherung gewürdigt
werden. Die sagen: Sarrazin hat nicht recht, und das sieht man daran,
wie er es sagt.
Nun, sie irren. Sarrazin hat nicht nur inhaltlich recht. Er hat es
auch genau so gesagt, wie man es sagen muss. Sowohl in der
Ausländerfrage als auch in der Sozialstaatsdebatte (und die hängen
bekanntlich über die Einwanderung ins Sozialsystem eng zusammen) hat
ja nicht nur das deutsch-österreichische Sozialingenieurswesen
versagt. Totalschaden haben vor allem die sprachlichen Vehikel der
Sozialmechaniker erlitten: Mit ihrem Schlingerkurs an den traurigen
Tatsachen vorbei haben die Chauffeure der politischen Korrektheit den
Diskussionskarren an die Wand fahren lassen. Es glaubt ihnen niemand
mehr. Weil es inzwischen kaum noch jemanden gibt, dessen persönliche
Erfahrungen der sozialen Situation mit deren politisch korrekter
Beschreibung übereinstimmen. Und das kann für jemanden, der sich
nicht selbst für verrückt hält, nur bedeuten, dass die politisch
Korrekten verrückt sind.
Sie sind es auch, im wahrsten Sinn des Wortes: Der Kampf um ihr
Anliegen, das man nicht denunzieren darf, hat ihre
Wirklichkeitswahrnehmung verrückt. Menschen wie Thilo Sarrazin, die
keine politische Agenda haben, sind dazu da, diese Wahrnehmung
zurechtzurücken: Ungefähr so, wie er über Türken und Araber spricht,
sprechen türkische Schüler - wenn sie einigermaßen gut erzogen sind
-über ihre österreichischen Lehrerinnen. Was Thilo Sarrazin sagt,
verstehen sie. Würde man auf diese Klarheit verzichten aus Angst
davor, dass die Angesprochenen dann noch zorniger würden, wäre wahr
geworden, was Henryk M. Broder uns prophezeit hat:
"Hurra, wir kapitulieren."
Und das sollten wir nicht. Nicht vor integrationsunwilligen
Ausländern, nicht vor der Moralkeule der politisch Korrekten und
nicht vor ehemaligen Neonazis.
Rückfragehinweis:
"Die Presse am Sonntag"
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