Wien (WIFO) - Die Steuerreform 2009/10 konzentriert sich auf
Entlastungsmaßnahmen im Bereich der Lohn- und Einkommensteuer. Ihre
wesentlichen Elemente sind eine Tarifreform, Entlastungsmaßnahmen für
Familien, die Ausweitung der Spendenabsetzbarkeit sowie eine
Entlastung der unternehmerischen Einkünfte. Die strukturellen
volkswirtschaftlichen Ziele, die mit dem Abgabensystem (bzw. seiner
Reform) verfolgt werden, werden mit der Steuerreform - ebenso wie mit
den sonstigen steuerlichen Entlastungsmaßnahmen des vergangenen
Jahres - jedoch nur teilweise erreicht.
Die Tarifreform kompensiert die kalte Progression für alle
Einkommensschichten. Die Steuerreform leistet einen wesentlichen
Beitrag zur Krisenbekämpfung: Sie erhöht das BIP im Jahr 2010
kumuliert um 0,6% (Gesamteffekt der Konjunkturmaßnahmen von Bund und
Ländern 1,4%) und die Zahl der Beschäftigten um 10.900 (Gesamteffekt
Bund und Länder +26.600). Auch enthält die Steuerreform Instrumente
zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Dagegen ist mit den jüngsten steuerlichen Maßnahmen weder eine
Ökologisierung des Abgabensystems noch dessen Vereinfachung
verbunden. Auch wurde das Potential der Besteuerung zur Eindämmung
von weiteren "public bads" (Aktivitäten, die individuelle und/oder
gesamtgesellschaftliche Folgekosten verursachen; neben Energie- und
Umweltverbrauch z. B. Tabak- und Alkoholkonsum) nicht gestärkt. Das
Verteilungsziel wird zwar durch die Tarifreform befördert, welche die
niedrigen Einkommen am stärksten entlastet, sie verschärft aber auch
die Progression im unteren und mittleren Einkommensbereich. Durch das
Auslaufen der Erbschafts- und Schenkungssteuer wirkt das Steuersystem
der ungleichen Verteilung von Erbschaften künftig nicht mehr
steuerlich entgegen.
Darüber hinaus tragen die Maßnahmen zur Steuerentlastung des
vergangenen Jahres zur Erhöhung der Wachstums- und
Beschäftigungsneutralität des Abgabensystems wenig bei. Die Abgaben
auf Arbeit, die in Österreich hohe und steigende Bedeutung haben,
gehören zu den wachstums- und beschäftigungsschädlichsten
Abgabenkategorien. An diesem strukturellen Problem ändern die
jüngsten steuerlichen Maßnahmen nur wenig. Die steuerlichen Barrieren
zur Ausweitung der geringfügigen oder Teilzeitbeschäftigung sind auch
nach der Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge für geringe
Einkommen und des Eingangssteuersatzes hoch, und es wurde kein
wesentlicher Schritt unternommen, um die Belastung der
Arbeitseinkommen mit Sozialbeiträgen energisch zu senken bzw. die
Steuerfinanzierung des Sozialsystems zu stärken.
Eine Abgabenstrukturreform, die das gesamte Abgabensystem
wachstums- und beschäftigungsfreundlicher ausgestalten will, hätte
die Abgaben auf Arbeit (einschließlich der
Sozialversicherungsbeiträge) vor allem für die niedrigen und
mittleren Einkommen weiter zu senken. Dies wäre zum einen
gegenzufinanzieren (neben Einsparungsmaßnahmen) durch den Abbau
obsolet gewordener steuerlicher Ausnahmen (z. B. Einschränkung der
Überstundenbefreiung, Abschaffung des Alleinverdienerabsetzbetrags
für Kinderlose). Zum anderen bietet sich eine stärkere Nutzung
spezieller Verbrauchssteuern auf gesamtgesellschaftlich schädliche
Aktivitäten bzw. Steuerbasen an (Energieverbrauch, Alkohol- und
Tabakkonsum, Glücksspiel). Nicht zuletzt kommt auch der Stärkung
vermögensbezogener Steuern (Vermögenszuwachssteuer, Grundsteuer,
Erbschafts- und Schenkungssteuer) zur Kompensation der Senkung von
arbeitsbezogenen Abgaben eine Rolle beim Design eines wachstums- und
beschäftigungsfreundlicheren Abgabensystems zu.
Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht
9/2009
(http://www.wifo.ac.at/wwa/jsp/index.jsp?fid=23923&id=36768&typeid=8&
display_mode=2)!
Rückfragehinweis:
Dr. Margit Schratzenstaller-Altzinger
Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung - WIFO
Tel. +43 1 798 26 01-204 * Fax. +43 1 798 93 86
mailto:Margit.Schratzenstaller@wifo.ac.at
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