• 30.06.2009, 14:44:19
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Die Patchwork-Familie zieht ins ABGB ein Justizausschuss beschließt Änderungen im Familienrecht

Wien (PK) - Ein Bündel von Gesetzesänderungen in mehreren
Rechtsmaterien sieht das Familienrechts-Änderungsgesetz vor, das
heute mit den Stimmen der Regierungsparteien, der FPÖ und in
Teilbereichen der Grünen vom Justizausschuss plenumsreif gemacht
wurde. Ziel des Pakets ist es, moderne Familienformen - Stichwort
"Patchwork-Familie" - stärker zu berücksichtigen, wobei vor allem auf
die Lebensbedingungen von Stiefkindern und auf nichteheliche
Lebensgemeinschaften Bedacht genommen wird.

Nunmehr wird im ABGB u.a. klar gestellt, dass Ehegatten nicht nur für
gemeinsame Kinder Verantwortung haben, sondern dass sie auch den
Partner in dessen Obsorgeaufgaben für in die neue Verbindung
"mitgebrachte" Kinder übernehmen müssen; der Stiefvater bzw. die
Stiefmutter gilt dem Stiefkind gegenüber familienrechtlich nicht mehr
als "Fremder". Dem Globalziel der Stärkung des Kindeswohls entspricht
die Erweiterung der Beistandspflicht auf alle volljährigen Personen,
die mit einem Elternteil und dessen Kind in einem gemeinsamen
Haushalt wohnen. Zur Modernisierung des Eherechts zählt die
Streichung nicht mehr üblicher Begriffe und Sachverhalte wie
Heiratsgut, Morgengabe und Widerlage bzw. deren moderne Fassung unter
der Überschrift "Gütergemeinschaft".

Abgeordnete Gabriele Binder-Maier (S) begrüßte die Bestimmungen in
dem Familienpaket vor allem als rechtliche Klarstellungen, die auf
die unterschiedlichen Lebenssituationen der Menschen Bedacht nehmen.
Nun gelte es, an diesem Gesetz weiter zu arbeiten, da sich die
sozialen Realitäten permanent verändern, meinte sie und sah für die
Zukunft Handlungsbedarf, insbesondere bei der Regelung des
Unterhalts. Würden Mütter und Väter ihre Rolle als erwachsene
Menschen wahrnehmen, dann bräuchte man viele dieser Bestimmungen gar
nicht, merkte Binder-Maier grundsätzlich an.

Abgeordneter Johann Maier (S) wies auf die Folgen von Ehescheidungen
hin und präsentierte den Vorschlag, dem sich auch die Abgeordnete
Karin Hakl (V) anschloss, vor der Scheidung eine verpflichtende,
unabhängige Beratung beider scheidungswilliger Teile durch die
Gerichte einzuführen. Hakl machte überdies auch auf eine Schieflage
zu Lasten von Lebensgefährten aufmerksam und gab zu bedenken, der
nicht verheiratete Lebensgefährte und leibliche Vater sollte ex lege
die gleichen Rechte und Pflichten hinsichtlich der Kinder haben wie
der Stiefvater.

Abgeordnete Ridi Maria Steibl (V) hob die Ausdehnung der ehelichen
Beistandspflicht auf die "Patchwork-Familien" sowie Verbesserungen
der Unterhaltsregelung zu Gunsten von AlleinerzieherInnen als positiv
hervor.

Abgeordneter Peter Fichtenbauer (F) kündigte die Zustimmung seiner
Fraktion an und begrüßte vor allem die Streichung überkommener
Bestimmungen aus dem Gesetz.

Abgeordnete Daniela Musiol (G) meinte zwar, das Gesetz gehe in die
richtige Richtung, sah aber nach wie vor dringenden Reformbedarf im
Scheidungsrecht, in der Regelung des Unterhalts und der Obsorge sowie
bei den Lebensgemeinschaften. Sie kritisierte darüber hinaus, dass
die Bestimmungen über die "Patchwork-Familien" mit den ehelichen
Beistandspflichten verknüpft wurden, und vermisste Regelungen über
die Pflegefreistellung oder die Elternkarenz in diesen
Familienformen. Auch sei im Unterhaltsrecht keinerlei Systemänderung
in Richtung einer generellen Grundsicherung für Kinder gelungen.

Abgeordneter Herbert Scheibner (B) warf der Regierung vor, wieder
einmal die Chance auf eine grundlegende Neuordnung des Familienrechts
verpasst zu haben. Seiner Meinung nach müsste klar zum Ausdruck
gebracht werden, dass die Kinder hinsichtlich der sozialen und
finanziellen Absicherung und der Obsorge bei jeder gesetzlichen
Regelung des Familienrechts im Vordergrund stehen. Weiters sollten
Kinder unabhängig davon, aus welcher Art von Lebensgemeinschaft sie
stammen, gleich behandelt werden, stand für Scheibner fest.

Justizministerin Claudia Bandion-Ortner äußerte ihre Überzeugung,
dass sich das Familienrecht ständig bewegen und den
gesellschaftlichen Entwicklungen anpassen müsse, und hoffte auf
weitere Modernisierungen bis zum 200jährigen Jubiläum des ABGB im
Jahr 2011. Was die Lebensgemeinschaften betrifft, wies die Ministerin
auf ein nach wie vor bestehendes Ungleichgewicht etwa bei der Obsorge
hin. Dieses Problem führte sie auf das grundsätzliche Fehlen einer
gesetzlichen Regelung der Lebensgemeinschaften in der
österreichischen Rechtsordnung zurück.

Gemeinsam mit dem Familienpaket wurde ein selbständiger Antrag der
Regierungsparteien beschlossen, der eine Halbierung der Gebühren für
Besuchsanträge vorsieht.

Einstimmigkeit über EU-Anpassungen im Aktienrecht

Mit dem Aktienrechts-Änderungsgesetz 2009, das im Anschluss an die
Änderungen im Familienrecht einstimmig plenumsreif gemacht wurde,
wird eine entsprechende Richtlinie des Europäischen Parlaments und
des Rats umgesetzt. Ziel der Novelle ist es vor allem, die Rechte der
Aktionäre börsenotierter Gesellschaften zu vereinheitlichen und zu
stärken und die Präsenz in der Hauptversammlung zu erhöhen. Dem wird
der "Record-Date"-Nachweis dienen. Außerdem werden
Informationspflichten im Vorfeld der Hauptversammlung geregelt,
Minderheitsrechte festgelegt und die Stimmabgabe durch Stellvertreter
vereinheitlicht.

Die Behandlung der restlichen Tagesordnungspunkte fiel daraufhin der
Terminkollision mit der Sitzung des Verfassungsausschusses zum Opfer.
Einstimmig vertagt wurden deshalb ein Antrag der Grünen auf Änderung
des Strafgesetzbuches, ein Entschließungsantrag der Grünen betreffend
die Rehabilitierung von Justizopfern des Austrofaschismus, ein Antrag
des BZÖ betreffend wirksame Maßnahmen zum Schutz gegen Kinderschänder
und Sexualstraftäter, ein weiterer Entschließungsantrag des BZÖ
hinsichtlich eines Maßnahmenpakets zum Schutz von Kindern und vor
Jugendkriminalität sowie zwei F-Anträge, die Regelungen der Obsorge
zum Inhalt haben. (Schluss)

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