Einer der dramatischen "Stolpersteine" auf dem Weg zum großen panorthodoxen Konzil - die Regelung der kirchenrechtlichen Verhältnisse in der orthodoxen Diaspora - wurde aus dem Weg geräumt
Genf, 15.06.2009 (KAP) Die orthodoxen Kirchen ordnen ihre
Zusammenarbeit in der Diaspora neu. Weltweit werden in mehreren
Regionen neue gemeinsame Bischofsversammlungen eingerichtet. Das
beschloss die vierte vorkonziliare panorthodoxe Konferenz im
schweizerischen Chambesy. Den neuen Bischofsversammlungen sollen
jeweils alle kanonischen Bischöfe angehören, die Verantwortung für
Gemeinden in diesen Regionen tragen. Ziel der Versammlungen sei die
Stärkung der Einheit der orthodoxen Kirche und des gemeinsamen
Hirtendienstes an den orthodoxen Christen, die außerhalb der
traditionellen Grenzen der orthodoxen Ortskirchen leben, hieß es
weiter. Beobachter werteten die Beschlüsse in Chambesy als
"Durchbruch", der jetzt den Weg zum panorthodoxen Konzil frei macht.
An der vierten vorkonziliaren panorthodoxen Konferenz nahmen rund 40
Vertreter aller 14 kanonischen orthodoxen Kirchen teil. Den Vorsitz
hatte der Metropolit von Pergamon (Bergama), Ioannis Zizioulas,
inne. Die vorkonziliaren Konferenzen sollen das große panorthodoxe
Konzil vorbereiten. Erst im Oktober 2008 hatte nach zwei Jahrzehnten
Unterbrechung ein Treffen aller orthodoxen Kirchenoberhäupter
("Synaxis") aus Anlass des Paulus-Jubiläums in Istanbul den Weg für
eine Wiederaufnahme der Vorbereitung des panorthodoxen Konzils
freigemacht.
Bei der Konferenz wurden Beschlüsse der interorthodoxen
Vorbereitungskommission für das Konzil (die im Dezember wieder in
Chambesy zusammentreten wird) aus den Jahren 1990 und 1993 im
Hinblick auf die Diaspora bestätigt. Entscheidend sei, dass die
Bischofsversammlungen in der Diaspora im Geist der "Konziliarität"
(sobornost) stattfinden. Im Schlussdokument der Konferenz wird
ausdrücklich betont, dass der "gemeinsame Wille" aller orthodoxen
Kirchen zum Ausdruck gekommen sei, das Problem der
kirchenrechtlichen Organisation der "orthodoxen Diaspora" im
Einklang mit der orthodoxen Lehre von der Kirche, mit der Tradition
und der kirchenrechtlichen Praxis zu lösen. Den Vorsitz der neuen
Bischofsversammlungen soll jeweils der örtlich dienstälteste Bischof
des Ökumenischen Patriarchats übernehmen. Wenn es keinen solchen
gibt, geht der Vorsitz an jeweils dienstältesten Bischof des
nächsten Patriarchats auf der orthodoxen Ehrenliste über.
Der Prozess zur Einberufung eines panorthodoxen Konzils war -
parallel zum Zweiten Vatikanischen Konzil - mit einer panorthodoxen
Konferenz in Rhodos 1961 gestartet worden. Weitere solcher
Konferenzen fanden 1963 und 1964 auf Rhodos und 1968 in Chambesy
statt. Dabei wurden die Themen festgelegt, mit denen sich das
panorthodoxe Konzil zu befassen habe. In der Folge formierte sich
die interorthodoxe Vorbereitungskommission für das Konzil, die 1971,
1986, 1990 und 1993 in Chambesy tagte. 1976 versammelte sich -
ebenfalls in Chambesy - die erste vorkonziliare panorthodoxe
Konferenz, der 1982, 1986 und jetzt weitere folgten.
Die vielfältigen Begegnungen führten dazu, die Themenliste für das
Konzil genauer zu definieren: Außer Frage standen die Veränderung
der Fastenvorschriften, der kirchenrechtlichen Regeln für Heirat und
Scheidung, das Osterdatum und die ökumenischen Beziehungen zu den
anderen Christen. Heikel wurde es bei der "Ehrenliste" (der
kanonischen Reihenfolge der Patriarchate und selbständigen Kirchen,
weil sich hier der Zwiespalt zwischen Konstantinopel und Moskau am
deutlichsten zeigte), der Frage der Anerkennung der Selbständigkeit
(Autokephalie) oder Autonomie von Ortskirchen (etwa im Hinblick auf
den Zerfall von föderalen Gebilden wie der Sowjetunion und
Jugoslawien) und vor allem beim Problem der kirchenrechtlich
korrekten Organisation der "Diaspora".
Dass es jetzt gelang, einen Weg für diese Organisation der
"Diaspora" zu finden, war auch für Insider nicht selbstverständlich.
"Ich bin selbst von diesem guten Ausgang überrascht", sagte
Metropolit Ioannis Zizioulas. Er hatte am Beginn der Konferenz
eindringlich zur Eintracht aufgerufen. Die bisherige Unfähigkeit der
Orthodoxie, "ihr" Konzil auf die Beine zu stellen, sei ein Ärgernis,
das ihre Einheit und Zukunft gefährde und sie in den Augen einer
nichtglaubenden Welt zum Gespött mache. In diesem Sinn äußerte sich
auch der "Organisator" der Konferenz, Archimandrit Bartholomaios
Samaras aus Istanbul.
Die Lösung des jahrelangen Streites darüber, ob für die orthodoxe
"Diaspora" das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel allein
zuständig sein soll (wie das schon ein Beschluss des Konzils von
Chalcedon 451 nahe legt) oder ob die heutige Praxis der Leitung
jeder Diasporadiözese durch die jeweilige Mutterkirche beibehalten
wird, ist "salomonisch". Konstantinopel akzeptiert die
Diasporabischöfe der slawischen, rumänischen, georgischen,
arabischen, albanischen usw. Orthodoxen. Doch werden diese in den
Diasporaländern in Bischofsversammlungen zusammengefasst, die
ihrerseits in der Regel unter dem Vorsitz eines Bischofs des
Ökumenischen Patriarchats stehen.
Das könnte zur Bildung neuer orthodoxer Kirchen in den Staaten der
Diaspora führen, wie das der Leiter des Außenamtes der
russisch-orthodoxen Kirche, Erzbischof Hilarion (Alfejew), schon im
Vorfeld der Begegnung von Chambesy angeregt hatte. Dem neuen
Erzbischof von Wolokolamsk (und früheren russisch-orthodoxen Bischof
von Wien) wird ein großer Anteil an der erzielten Einigung
zugeschrieben.
Der rumänisch-orthodoxe Priester und Theologe Viorel Ionita
(Direktor der Kommission "Kirchen im Dialog" der "Konferenz
Europäischer Kirchen"/CEC) schätzte die Bedeutung der vierten
vorkonziliaren panorthodoxen Konferenz im Gespräch mit der Schweizer
katholischen Nachrichtenagentur KIPA/APIC so ein: "Die Konferenz war
von einem gegenseitigen Vertrauen wie auch von dem gemeinsamen
Willen bestimmt, die Zusammenarbeit zwischen den orthodoxen Kirchen
auf allen Ebenen einschließlich der Diaspora zu festigen. Der
Vorsitzende der Konferenz, Metropolit Ioannis, einer der
bedeutendsten orthodoxen Theologen der Gegenwart, hat mit einem
tiefen Sinn für die Gemeinschaft der einen orthodoxen Kirche zu dem
hervorragenden Erfolg dieser Tagung entscheidend beigetragen. Die
Konsensfindung wie auch die ganze Stimmung auf dieser Konferenz
haben deutlich gezeigt, dass die Vorbereitung des Heiligen Konzils
der orthodoxen Kirche eine tiefernste Angelegenheit ist, die sich
mehr und mehr konkretisiert. Die Beschlüsse der Konferenz in
Chambesy werden nun allen orthodoxen Kirchen mitgeteilt und dann
veröffentlicht. Sie haben jedoch bereits provisorische Gültigkeit
bis zum Konzil, das sie definitiv verabschieden soll. Schon jetzt
stellen die Beschlüsse der Konferenz einen klaren Rahmen und
wichtige Richtlinien für eine bessere Koordinierung der
Zusammenarbeit aller orthodoxen Gemeinden in der Diaspora dar".
Das Konzil habe aber bereits begonnen, indem die orthodoxen Kirchen
auf dem Weg zu dieser Synode gemeinsam als "die eine orthodoxe
Kirche beraten und entschieden haben", so Ionita.
(ende)
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