• 09.06.2009, 10:03:55
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  • OTS0064 OTW0064

Volksanwaltschaft empfiehlt in 38 Fällen Gesetzesänderung Bilanz 2008: 14.640 Beschwerden, 6.563 Prüfverfahren, 689 Missstände

Wien (PK) - 14.640 Beschwerden, 6.563 eingeleitete Prüfverfahren und
689 Missstandsfeststellungen - das ist die Bilanz der drei
VolksanwältInnen Peter Kostelka, Gertrude Brinek und Terezija
Stoisits für das Jahr 2008. Der 32. Tätigkeitsbericht der
Volksanwaltschaft (III-63 d.B.) wurde vor kurzem dem Nationalrat
vorgelegt und soll noch vor dem Sommer im zuständigen Ausschuss
beraten werden. Die Abgeordneten wollen sich dabei vor allem auch mit
den legistischen Empfehlungen der Volksanwaltschaft
auseinandersetzen.

Wie aus dem Bericht hervorgeht, haben sich die Anregungen für
Gesetzesänderungen seitens der Volksanwaltschaft mittlerweile bereits
auf 38 summiert. Besonders im Sachwalterrecht, bei den gesetzlichen
Bestimmungen für den Unterhaltsvorschuss, bei der Jugendwohlfahrt,
bei den hohen Kosten für befristete Lenkerberechtigungen sowie bei
der Ortung und Bergung von Fliegerbomben-Blindgängern, die für
Private enorm teuer werden kann, ortet die Volksanwaltschaft
dringenden Handlungsbedarf.

Sie schlägt aber auch vor, die Rechte von AnrainerInnen von
Betriebsanlagen auszuweiten, das Schulsprengelsystem zu
liberalisieren, das Antragsprinzip im Sozialversicherungsrecht zu
lockern, verschiedene Adaptierungen in Bezug auf die Aus- bzw.
Rückzahlung von Familienbeihilfe vorzunehmen, die Liste der
Berufskrankheiten zu erweitern, die Einkommensgrenze für den Anspruch
auf Mietzinsbeihilfe anzuheben, das Gebührengesetz hinsichtlich der
Vergebührung von schriftlichen Scheidungsfolgenregelungen zu
novellieren, Richtlinien für die Öffentlichkeitsarbeit der Regierung
zu erlassen und endlich die doppelte Vignettenpflicht für Fahrzeuge
mit Wechselkennzeichen zu beseitigen. Zum wiederholten Mal macht sie
überdies darauf aufmerksam, dass die geltende Topographieverordnung
für Kärnten, die insbesondere Bestimmungen über die Aufstellung
zweisprachiger Ortstafeln enthält, nicht verfassungskonform ist.

Volksanwaltschaft versucht auch bei Nichtzuständigkeit zu helfen

Grundsätzlich hat sich an den Arbeits- und Prüfschwerpunkten der
Volksanwaltschaft wenig geändert. Nach wie vor kommen die meisten
Beschwerden aus dem Bereich Arbeit und Soziales, wobei es unter
anderem um die Pflegegeldeinstufung, die Berechnung des
Arbeitslosengeldes und der Pension, die Auszahlung von
Sozialleistungen, als unnötig empfundene Schulungen für Arbeitslose
und bürokratische Hindernisse bei Förderansuchen für
behinderungsbedingte Anschaffungen geht. Dahinter folgen der
Justizbereich und der Zuständigkeitsbereich des Innenressorts - in
beiden Bereichen zeigen die Fallzahlen kontinuierlich nach oben. Die
Volksanwaltschaft führt dies im Bereich des Innenministeriums nicht
zuletzt auf die Neuregelung des Fremdenrechts im Jahr 2005 zurück.
Wenig Beschwerden gab es 2008 vergleichsweise hingegen über das
Bundeskanzleramt und das Außenministerium.

In Zahlen ausgedrückt, wandten sich im Jahr 2008 14.680 Bürgerinnen
und Bürger mit ihren Anliegen an die Volksanwaltschaft. Davon
betrafen 9.641 Beschwerden die Verwaltung, für die restlichen Fälle
erwies sich die Volksanwaltschaft als nicht zuständig. Aber auch hier
versucht die Ombudsstelle, wie es im Bericht heißt, zu helfen und
etwa Auskünfte zu erteilen. Eingeleitet wurden schließlich 6.563
Prüfverfahren, davon betrafen 4.158 die Bundesverwaltung.

Etwa gleich viele Prüfverfahren, nämlich 6.786, konnten im
Berichtszeitraum abgeschlossen werden. 689 Mal sah sich die
Volksanwaltschaft dabei genötigt, einen Missstand in der Verwaltung
festzustellen. 3.798 Verfahren wurden hingegen ohne
Missstandsfeststellung abgeschlossen. In den übrigen Fällen stellte
sich letztendlich heraus, dass das Prüfverfahren unzulässig bzw. die
Volksanwaltschaft nicht zuständig war. In diesen Fällen bemüht sich
die Volksanwaltschaft, die Betroffenen über die Rechtslage zu
informieren, mögliche Lösungsansätze aufzuzeigen und Kontakte mit den
betroffenen Stellen zu vermitteln.

71 Mal machte die Volksanwaltschaft von ihrer gesetzlichen
Möglichkeit Gebrauch, von sich aus so genannte amtswegige Prüfungen
einzuleiten, wenn sie irgendwo einen Missstand vermutet. So gingen
die drei VolksanwältInnen etwa Hinweisen auf Missstände bei der Visa-
Vergabe durch österreichische Vertretungsbehörden im Ausland sowie
der Arbeit der Jugendwohlfahrtsbehörden nach.

Der größte Teil des mehr als 400 Seiten starken Berichts der
Volksanwaltschaft umfasst die Darstellung konkreter Beschwerdefälle.
Legistische Anregungen und grundrechtsrelevante Fälle wie die
diskriminierende Behandlung bestimmter Personen(gruppen), die
unzulässige Weitergabe sensibler Gesundheitsdaten und die Verletzung
der Menschenwürde durch unzumutbare Haftbedingungen werden dabei in
eigenen Berichtsteilen gesondert hervorgehoben. Erstmals wurde
außerdem ein eigener Kurzbericht erstellt, der die wichtigsten
Kennzahlen für 2008 und ausgewählte Prüfverfahren umfasst.

Legistische Erfolge und aufrechte Forderungen

Was die legistischen Anregungen betrifft, hebt der Bericht hervor,
dass die Volksanwaltschaft durch ihre tägliche Arbeit wie kaum eine
andere Institution einen Überblick darüber gewinnt, wie sich Gesetze
auf den Alltag der Menschen auswirken. Ihre Vorschläge für
Gesetzesänderungen stoßen bei den zuständigen Ministerien allerdings
nicht immer auf offene Ohren. Manche Gesetzesadaptierungen wurden
bereits vor Jahren das erste Mal angeregt und finden sich seither in
jedem Bericht wieder.

Die Volksanwaltschaft kann aber auch auf einige Erfolge verweisen. So
wird nun etwa bei der Pflegegeldeinstufung schwerst behinderter
Kinder und Jugendlicher der erweiterte Pflegebedarf berücksichtigt.
Ebenso wurde die Rechtsposition von Spitalspatienten bei fehlerhaften
Medizinprodukten gestärkt und die Kennzeichnung bestimmter
Arzneimittel verbessert. Um zu vermeiden, dass PatientInnen, die in
ein anderes Krankenhaus verlegt werden, am Tag der Verlegung den
doppelten Spitalskostenbeitrag zahlen müssen, hat das
Gesundheitsministerium eine gesetzliche Klarstellung zugesagt.

Auch in Bezug auf die für manche ÖsterreicherInnen nicht mögliche
visafreie Einreise in die USA konnte die Volksanwaltschaft ein
Umdenken des zuständigen Ressorts erreichen. Auf Drängen der
Volksanwaltschaft hat das Innenministerium nun doch alle
BesitzerInnen eines zwischen Oktober 2005 und Juni 2006 ausgestellten
Reisepasses individuell schriftlich davon verständigt, dass sie für
die Einreise in die USA ein Visum benötigen. Die Volksanwaltschaft
hofft, dass damit künftig Probleme für Urlaubsreisende, wie sie in
der Vergangenheit wiederholt aufgetreten sind, weitgehend vermieden
werden können.

Noch nicht gelöst ist der Volksanwaltschaft zufolge hingegen das
Problem, dass pflegebedürftige Personen überdurchschnittlich lang auf
das Pflegegeld warten müssen. Auch die schon seit längerem geforderte
zentrale Anlaufstelle für behinderte Menschen, die einen Anspruch auf
finanzielle Unterstützung durch den Staat haben, harrt der Umsetzung.

Bergung von Kriegsrelikten: Nach wie vor Streit um Kostentragung

Gleiches gilt für die ungeklärte Frage, wer die Kosten für die Ortung
und Bergung von Fliegerbomben-Blindgängern aus dem Zweiten Weltkrieg
zu tragen hat. Zwar liegt hier in einem Verfahren der Stadt Salzburg
gegen die Republik Österreich mittlerweile ein Urteil des Obersten
Gerichtshofs vor, der OGH hat allerdings nicht in der Sache selbst
entschieden, sondern auf die Zuständigkeit des
Verfassungsgerichtshofs verwiesen. Die Volksanwaltschaft appelliert
dringend an den Nationalrat, endlich eine Lösung in dieser Frage zu
finden, da auch in der Nähe von Wohnhäusern und Kinderspielplätzen
Verdachtspunkte bestünden.

Unterstützung erhält die Regierung von der Volksanwaltschaft bei
ihrem Vorhaben, das Personal bei der Polizei aufzustocken.
Volksanwältin Terezija Stoisits weist darauf hin, dass es immer
wieder Beschwerden über die Überforderung der Polizei gebe, und
veranschaulicht anhand einiger exemplarischer Beispiele die
Auswirkungen der Personalknappheit.

Reform beim Unterhaltsvorschuss und im Sachwalterrecht notwendig

Als überfällig wertet die Volksanwaltschaft gesetzliche Änderungen in
Bezug auf den Unterhaltsvorschuss. Das geltende System habe sich in
der Praxis als unzulänglich herausgestellt, kritisieren die drei
VolksanwältInnen und beurteilen auch die bisherigen
Verbesserungsvorschläge des Justizressorts als ungenügend. Es reicht
ihrer Meinung nach nicht aus, das Unterhaltsvorschuss-Verfahren zu
beschleunigen, vielmehr müssten Vorschusszahlungen auch vom Vorliegen
eines Unterhaltstitels entkoppelt werden, da es hier in der Praxis,
so die Volksanwaltschaft, immer wieder zu sozialen Härtefällen komme.
Angeregt wird die Einführung fixer, altersmäßig gestaffelter
Vorschussleistungen.

Unzufrieden ist die Volksanwaltschaft auch mit dem geltenden
Sachwalterrecht. Zwar wurden die gesetzlichen Bestimmungen in diesem
Bereich 2007 grundlegend adaptiert, mit dem Ziel, mehr
Selbstbestimmung für Betroffene zu ermöglichen, die Rechte der
Angehörigen zu stärken und eine individuellere Betreuung zu
gewährleisten. Allerdings schaffen, wie die Volksanwaltschaft
festhält, auch die neuen Regelungen im Alltag immer wieder Probleme.
Insgesamt sind in Österreich derzeit rund 85.000 Personen zumindest
teilweise "besachwaltert", Tendenz weiter steigend.

Desolate Kasernen und unwürdige Haftbedingungen

Um Probleme vor Ort zu lokalisieren, führt die Volksanwaltschaft auch
immer wieder Lokalaugenscheine durch. So hielt sie im Jahr 2008
Sprechtage in mehreren Justizanstalten und Bundesheer-Kasernen ab und
beanstandete in diesem Zusammenhang etwa die bei starkem Regen
auftretende Überflutung der Anstaltsküche der Justizanstalt Stein mit
Fäkalien, die verbreitete Unterbringung von zwei Häftlingen in
Einzelhafträumen und die teilweise desolaten Mannschaftsunterkünfte
für SoldatInnen. Besonderen Sanierungsbedarf sieht sie bei der
Schwarzenbergkaserne in Wals-Siezenheim. Die Volksanwaltschaft
empfiehlt, im Rahmen der Maßnahmen zur Konjunkturbelebung im Budget
der Jahre 2009 bis 2011 verstärkt auch Mittel für die Sanierung von
Unterkünften für Präsenzdiener bereit zu stellen.

Auf enorme Defizite stieß die Volksanwaltschaft im Rahmen ihrer
Prüftätigkeit auch im Bereich der Jugendwohlfahrt. Sie stellte fest,
dass die Fallzahlen der Jugendwohlfahrtsträger österreichweit in den
letzten 15 Jahren um ca. 150 Prozent gestiegen sind, ohne dass die
Planstellen von den Ländern entsprechend erhöht wurden. So kann der
Volksanwaltschaft zufolge heute praktisch nur mehr auf Akutfälle
reagiert werden. Um Familien längerfristig zu betreuen, gebe es zu
wenig Personal. Die Volksanwaltschaft fordert unter anderem
bundesweit einheitliche Qualitätsstandards und eine bessere
Fortbildung. Kritik übt sie zudem daran, dass es bei den Jugendämtern
kein Recht auf Akteneinsicht gibt.

Hohe Kosten für Führerscheinverlängerungen

Im Ressortbereich Verkehr wertet es die Volksanwaltschaft unter
anderem als unverständlich, dass Lkw- und BusfahrerInnen bei der
Verlängerung von Führerscheinen besser gestellt werden als chronisch
kranke und behinderte Menschen, die ihren Pkw-Führerschein jeweils
nur befristet bekommen. Die Bemühungen der Volksanwaltschaft, die
anfallenden Gebühren für die Betroffenen zu reduzieren, blieben
bislang allerdings erfolglos. Gleiches gilt in Bezug auf die doppelte
Vignettenpflicht für Fahrzeuge mit Wechselkennzeichen.

Was den Familienbeihilfe-Bezug anlangt, treten besonders bei
ausländischen Familien häufig Probleme auf. So werden etwa laut
Bericht Anträge ungerechtfertigt abgelehnt oder von den Behörden
unnötig umfangreiche Unterlagen verlangt. Die betroffenen Familien
warten zum Teil mehrere Jahre auf die ihnen zustehenden Leistungen.
Es kann aber auch zügiges Studieren, wie ein konkreter Fall zeigt,
zum Verlust der Familienbeihilfe führen. Als große Härte empfindet es
die Volksanwaltschaft darüber hinaus, dass zu Unrecht bezogene
Familienbeihilfe zurückgezahlt werden muss, auch wenn der
unrechtmäßige Bezug ausschließlich auf Fehler der Behörde
zurückzuführen ist und der/die Betroffene die Familienbeihilfe in
gutem Glauben bezogen hat.

Aufmerksam macht die Volksanwaltschaft in ihrem Kurzbericht
schließlich darauf, dass Anrainer oft wenig Handhabe gegen
angrenzende Betriebe haben, die sie in ihrer Wohn- und Lebensqualität
beeinträchtigen. Die Gewerbeordnung ist nämlich dann nicht anwendbar,
wenn die störende betriebliche Tätigkeit nicht unter die
Gewerbeordnung fällt oder eine Gewerbsmäßigkeit nicht festgestellt
werden kann.

Internationale Aktivitäten der Volksanwaltschaft

In Bezug auf ihre internationale Aktivitäten weist die
Volksanwaltschaft im Bericht unter anderem auf ihre Bemühungen hin,
das Generalsekretariat des International Ombudsman Institute (IOI)
nach Wien zu holen. Die formale Entscheidung ist zwar noch nicht
gefallen, doch zeigen sich die VolksanwältInnen zuversichtlich
hinsichtlich eines erfolgreichen Abschlusses des Vorhabens. Die IOI
ist die weltweit größte Vereinigung von Ombudsmann-Einrichtungen.

Die Volksanwaltschaft hält für Rat- und Hilfesuchende regelmäßig
Sprechtage ab - 2008 waren es 231 - und kann auch via Online-
Beschwerdeformular (www.volksanwaltschaft.gv.at) bzw. über die
kostenlose Service-Nummer 0800/223 223 kontaktiert werden. Als
wichtige Plattform für ihre Anliegen wird von der Volksanwaltschaft
die ORF-Sendung "Bürgeranwalt" gewertet. (Schluss)

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