• 09.04.2009, 09:00:00
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HAYDN EXPLOSIV

Eine europäische Karriere am Fürstenhof der Esterházy

Eisenstadt - Die von Grund auf restaurierte Sala terrena des Schlosses Esterházy in Eisenstadt ist ab 9. April 2009 Schauplatz der Ausstellung "Haydn explosiv". Im Bild v.l.n.r.: Herbert Lachmayer(Professor an der Kunstuniversität Linz und Kurator der Ausstellung "Haydn explosiv"),Dr. Stefan Ottrubay (Generaldirektor Esterházy Privatstiftung), Pauk Iby (Bischof von Eisenstadt) und Dr.Alfred Weidinger (Kulturdirektor Esterházy Privatstiftung). Weitere Bilder unter: 
http://pressefotos.at/m.php?g=1&u=68&dir=200904&e=20090408_e&a=event

Eisenstadt (OTS) -

Eröffnung: am 8. April 2009 um 19 Uhr
Ort: Sala terrena des Schlosses Esterházy in Eisenstadt
Dauer: vom 9. April bis 11. November 2009

Explosive Dynamik seiner Karriere - vom Kapellmeister zum Compositeur
von Weltruhm

In der multimedialen Ausstellung "HAYDN EXPLOSIV" geht es um die
erlebnisnahe Charakterisierung Haydns als höfischer Künstler. Als
solcher muss Haydn einerseits dem Auftragswunsch "seiner Herrschaft"
gerecht werden, andererseits sucht er als musikgeschichtlich
relevantes Genie permanent auch die "Freiheit seines Schaffens". Als
Vize-Kapellmeister tritt er noch unter Fürst Paul Anton II. (1761) in
die Dienste des Hauses Esterházy und begleitet Nikolaus I., zu Recht
"der Prachtliebende" genannt, bis zu dessen Tod 1790 als
"Hof-Musikus" von zunehmend europäischem Rang.

Zur "künstlerisch-ideellen Deutungsmacht" der Dynastie avanciert
Haydn unter Nikolaus II., einem weltläufigen Connaisseur mit
anglophiler Attitüde und einem Hang zum französischen
Revolutionsklassizismus - immerhin beauftragte dieser den
klassizistischen Architekten Charles Moreau mit dem Umbau des
Schlosses in Eisenstadt. Haydn kehrt nach zweifachem Lebenstriumph in
London (1790 und 1792, jeweils Hinreise) wieder in die "fürstlichen
Dienste" zurück, obgleich er sich (von Nikolaus II. toleriert) damals
zumeist in Wien aufhält. Nikolaus II. weiß, den "Weltruhm" Haydns als
Krönung des jahrzehntelangen Dienstverhältnisses des genialen
Compositeurs mit seiner Familie zu deuten. So gelang es ihm, Haydns
Aufstieg in den "Olymp der Musik" zur "Verklärung" der eigenen
Dynastie zu nutzen. Schließlich gehört Haydn zu den wenigen
Komponisten, die schon zu Lebzeiten vor das eigene Denkmal treten
konnten - so 1796 in seinem Geburtsort Rohrau.

Im "Début de Siècle - um 1800" zeigt sich die Aktualität der
Haydn-Zeit für uns heute

Zwischen Haydns Karriere in einem supra-nationalen Europa des
ausgehenden 18. Jahrhunderts und den absolutistischen Ansprüchen der
Fürsten Esterházy an "ihren" Kapellmeister und Hof-Compositeur spannt
sich der facettenreiche Bogen dieser kulturgeschichtlichen
Ausstellung. Die Aktualität dieser "Haydn-Zeit" für uns heute besteht
in der "Erfindung" des modernen Individualismus in einer
revolutionären Phase der europäischen Gesellschaft zwischen
Absolutismus und einer "rebellischen Aufklärung". Letztere steht dem
siegreichen Verstandes-Denken der "Vernunft-Ordnung" einer
beginnenden bürgerlichen Welt gegenüber. Dieser Kulturbruch zur
"Moderne" hin kann als "Début de Siècle" begriffen werden - 100 Jahre
vor dem "Fin de Siècle - Wien um 1900". Beide Turns of the Century
sind jeweils Ausdruck einer "produktiven Dekadenz" ihrer Gesellschaft
und gleichermaßen wichtig für die heutige Weltgeltung Österreichs als
europäisches Kulturerbe.

Haydns "kreative Karriere" reicht vom barocken Lebensgefühl der
Reform-Kaiserin Maria Theresia über den "radikalen Geist" der
josephinischen Aufklärung, bis hin zum vielschichtigen
Konservativismus unter Franz II./I. Unter dessen restaurativer
Regentschaft waren "Kirche & Staat" nicht mehr vom "Experiment
Aufklärung" bedroht - schließlich waren die Ängste der französischen
Revolution weitgehend verflogen und machtem dem Lebensgefühl einer
"freudigen Religiosität" Platz.

Die Klassik als "Erste Wiener Moderne"

Der "Geist der Aufklärung" setzte sich in Zirkeln und Salons
dennoch fort und entwickelt sich weiter - beispielsweise im "Kreis"
um Johann Philipp Graf Stadion, einem einflussreichen
österreichischen Staatsmann, der gleichermaßen um Reformen der
Schulbildung wie der Verwaltung bemüht war.

Die Zeit der Wiener Klassik ("Mozarts Geist aus Haydns Händen
empfangen", Graf Waldstein über Beethoven) bildet die künstlerische
Brücke zum 19. Jahrhundert - zur Differenzierung dieser, oft schon
"abgegriffenen" Epochen-Benennung schlägt der Haydnforscher James
Webster den Begriff "Erste Wiener Moderne" vor. Damit wird der
kulturellen Ambiguität des historischen Prozesses Rechnung getragen.
Erst vor solch größerem Horizont des Zeitenbruchs "um 1800" kann
beispielsweise die (nicht nur) kammermusikalische Romantik eines
Schubert verständlich und in ihrer Abgründigkeit nachvollziehbar
werden.

Die nuancenreiche Konversationspraxis der damaligen Gesellschaft
wäre ohne die Erfindung des Streich-Quartetts durch Haydn nicht
denkbar. In einem anderen "Musik-Format" repräsentiert sein Oratorium
"Die Schöpfung" in exemplarischer Weise jenes "freudige Lebensgefühl"
eines, in der Aufklärung neu erstandenen Katholizismus - feiert doch
dieses einen Schöpfer-Gott, der durch die "Natur" spricht. Der
"Sündenfall" als Dogma ist dabei erfolgreich wie lustvoll verdrängt.

Genius & Musikmarkt - eine europäische Karriere dank Notendruck

Haydns Genius als Erneuerer musikalischer Formen wie planvoller
Vermarkter seines Werks verfolgt eine Karrierestrategie, welche an
die Verbesserung und rasante Verbreitung des Notendrucks in der
2.Hälfte des 18. Jahrhunderts gebunden ist. An dieser technischen
Innovation entlang vollzieht sich auch die Profilierung des
europäischen Musikmarkts, den Haydn vorfindet und nachhaltig
mitprägt. [Anmerkung: Joseph II., von der Berufsausbildung "Drucker"
(Trattnerhof), war in der Österreichischen Monarchie maßgeblich an
der Förderung des Druckwesens (so auch des Notendrucks) beteiligt.]

Haydns "Erfolgsrezept" auf den Punkt gebracht:

Im Dienste der Esterházy stehend, lebt er in Eisenstadt (immer mit
dem Musikleben der Kaiserlichen Residenzstadt eng verbunden) und
lässt in Wien, Paris, Amsterdam, Berlin und London seine
Kompositionen drucken - damit sind seine Werke in der europäischen
Aufführungspraxis permanent gegenwärtig. So konnte er in Paris [etwa
mit dem Auftrag der "Loge olympique" für seine "Pariser Symphonie"]
zum Publikums-Liebling avancieren, ohne je dort gewesen zu sein.

Zwei Schwerpunkte der Ausstellung - Quartett und Oper

Haydns entscheidende Neuerung für die Musikgattungen ist die
Erfindung des Streich-Quartetts - diese schafft er als
Kompositions-Form gleichsam intuitiv aus der musikantischen
Alltagspraxis. In der "Wiener Zeit" (noch vor seinen
Esterházy-Diensten) folgt Haydn dem Bedürfnis der "kulturtragenden
aristokratischen Salons" nach Kammermusik - dorthin hat sich das
Kulturleben verlagert, nachdem die sparsame Hofhaltung der Kaiserin
Maria Theresia dem Luxus überschwänglicher Festkultur und damit der
großformatigen Oper den Rücken kehren musste.

Haydn ist ein "Virtuose des Ensembles" (im Gegensatz zu Mozart als
"solistischem Virtuosen" und "Werbeträger" seiner Musik) und ein
"Struktur-Avantgardist" neuer Musik-Formate - strukturbildend
revolutionär nicht nur in der Kammermusik, sondern auch für die
"Form" der Symphonie und des Oratoriums. All dies geht in die
Kompositionstechnik der Musik des 19. Jahrhunderts ein, ohne dass man
deswegen immer gleich plakativ an Haydn denkt. Der kammermusikalische
Schwerpunkt wird in der Ausstellung durch eine "virtuelle
Installation" einem breiten Publikum nahe gebracht - musikalische
Akteure sind das international reputierte "Hagen Quartett".

Zum musikalischen "Dienst am Fürsten" gehörte auch für Haydn die
künstlerische Oberaufsicht über das fürstliche Operntheater. Die
enorme Bedeutung der Oper als umfassende wie "höchste" Kunstform an
fürstlichen Höfen ist ein weiterer Schwerpunkt von "HAYDN EXPLOSIV".
Beispielsweise wird durch die Gegenüberstellung von Glucks
Reform-Oper "Armide" und Haydns "Armida" sein Opernschaffen im
europäischen Kontext lebendig. Das Spannungsfeld von Opera Seria und
Opera Buffa als die "Leitdifferenz" dieses Genres im Kultur- und
Gesellschafts-Kosmos des 18. Jahrhundert wird durch Bühnenbilder und
Video-Einspielungen wichtiger Interpretationen anschaulich wie
informativ vermittelt.

Immerhin war in der Oper die "Loge" zugleich ein "Balkon" zum
Repräsentationsraum fürstlicher Herrschaft hin - war somit zu einem
"Außenraum" gewendet (und eben kein Ort "individualisierter
Innerlichkeit" allein), in welchem die absolutistische Welt
symbolisch wie real gegenwärtig war und präsent gemacht wurde. Mit
dem Opernleben in Schloss Esterháza in Fertöd greift unsere
Ausstellung eine zentrale Kulturaktivität der Fürsten Esterházy im
18. Jahrhundert auf.

Wiener Anglomanie - die sogenannte "Britensucht"

Unter Haydns, Mozarts und DaPontes Zeit entfaltet sich in der
habsburgischen Residenzstadt eine spezifische Wiener Anglomanie -
auch "Britensucht" genannt. Dies vollzog sich in der Mode (grobe
Überröcke, dunkle Fracks mit hochstehendem Halskragen, runde Hüte et
cetera), dem Schotten-Faible und "Ossian-Kult", der Sucht nach
Wettrennen, Jockeys und dem Mode-Getränk "Punsch". Herren mit
englischen Namen waren als Gentlemen bei den Damen höchst begehrt -
verkörperten sie doch mit bisweilen bizarrer Attitüde (Coolness zur
Haydn-Zeit) den eleganten Individualismus, der auch bei
"kontinentalen Kavalieren" Schule machte. Nicht zuletzt bei Nikolaus
II., der nicht nur vom Lebensstil, sondern auch vom angelsächsischen
Fortschritt der Technik fasziniert war - eine englische Dampfmaschine
"betrieb" den Wasserfall im Garten. Auch war das Interesse für den
Empirismus, als einer "englischen Philosophie" groß - Adam Smith
wurde gelesen und die aus England kommende Musikästhetik wurde in
Wien rezipiert.

Dieser wies einer Wiener "Geschmacksintelligenz" einen ganz
anderen Weg als der eben erst entstehende "deutsche Idealismus". Für
Musiker und Compositeure aus ganz Europa war London mit seinem schon
florierenden Musikmarkt (der unabhängig von einem Fürsten-Hof
"funktionierte") eine Art Eldorado, ein "musikalisches Hollywood" des
ausgehenden 18. Jahrhunderts sozusagen.

Die beginnenden 1790er-Jahre (die Zeit von Haydns Triumph in
London) brachten, um es ganz salopp zu sagen, das Raffinement der
revolutionsflüchtigen französischen Aristokratie ("french powder")
mit einem lebenswilden, exzentrisch-sarkastischen Gentlementum
("bloody steak") zusammen. So galt das London der Haydn-Jahre wohl
als einer der "heißesten" Orte Europas. Dieses, bisher wenig
beachtete Phänomen der "Wiener Anglomanie" wird in der Ausstellung
"HAYDN EXPLOSIV" ein lebendiges Thema sein. Immerhin wurde Haydns
Genius in Great Britain leidenschaftlich geliebt. Er selbst erhielt
die akademische Würde eines "Doktors der Kompositionswissenschaften"
in Oxford und einer seiner letzten Auftritte in London wurde mit dem
zugkräftigen Titel "Doctor Haydn’s Night" beworben.

Szenografie & Multimedialität als "Bühne" performativer
Kulturvermittlung

Contemporary Art von internationalem Rang, erlesene Kunstwerke des
18. Jahrhunderts und wichtige Autographe aus Haydns künstlerischer
Produktion und Alltagsleben werden in der "Ausstellungs-Inszenierung"
zur Einheit eines vielseitig informativen und erlebnisfrohen
Wissensraums verbunden - gleichermaßen attraktiv für ein junges
Publikum, Oma & Enkerl, die "ganze Familie" also, wie andererseits
auch für ExpertInnen mit "trans-disziplinärer Inspiration". Gerade
den Kindern ist eine eigene "Medienschiene" Haydn for Youngsters
gewidmet - in kindgerechter Sichthöhe, versteht sich.

Ein farbenfroher Teppich nach dem Entwurf des amerikanischen
Pop-Art-Künstlers Roy Lichtenstein erstreckt sich flächendeckend,
eine aufregende Tapete von Margit Nobis, Rudolf Polanszky und Franz
West überrascht schon beim Betreten des klassizistischen Säulengangs
der Sala terrena - zwei "güldene" Säulen lassen das "absolutistische
Flair" von Fürst Nikolaus I., "dem Prachtliebenden", ahnen.

Zeitgenössische Kunst von Günter Brus ("Stillstand der Dynamik"),
Franz West ("Paukenschlag"), Pipilotti Rist ("Selbstlos im Lavabad")
und Gelitin ("Welcome to Chaos") mischt sich mit erlesenen Stücken
der hauseigenen Sammlungen der Esterházy Privatstiftung (etliche
Exponate werden dem Publikum erstmalig vorgestellt) ergänzt um
Leihgaben berühmter Museen und Sammlungen - Österreichische
Nationalbibliothek, Kunsthistorisches Museum, Wien Museum, Albertina,
Belvedere, MAK, Gemäldegalerie und Kupferstichkabinett der Akademie
der Bildenden Künste, Thorvaldsen Museum, Országos Széchényi Könyvtár
(Ungarische Nationalbibliothek), Szépmüvészeti Múzeum (Museum der
Schönen Künste, Budapest) und andere mehr.

Die Fülle der repräsentativen Ausstellungs-Objekte wird durch
wandintegrierte Medienpräsenz (randlose Großmonitore, welche bündig
in die Tapetenwand eingelassen sind, sowie Videoprojektionen) zu
einem kulturgeschichtlichen Bildungspanorama kontextualisiert -
abgerundet durch themenorientierte Sound- und Musikinstallationen als
sinnliche Wissenserfahrung.

Herbert Lachmayer
Kurator der Ausstellung

Weitere Bilder unter:
http://pressefotos.at/m.php?g=1&u=68&dir=200904&e=20090408_e&a=event

Bild(er) zu dieser Aussendung finden Sie im AOM/Original Bild
Service, sowie im OTS Bildarchiv unter http://bild.ots.at .

Rückfragehinweis:

Edeltraud Werschlein
   Esterházy Privatstiftung
   7000 Eisenstadt, Esterházyplatz 5
   Tel. 02682/63004-92
   Fax 02682/63004-98
   Mail: e.werschlein@esterhazy.at
   www.haydn-explosiv.at

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | EHZ

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