- 16.03.2009, 15:44:38
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Vatikan kritisiert öffentliche Exkommunikation nach Abtreibung
Präsident der Päpstlichen Akademie für das Leben stellt die Vorgangsweise des brasilianischen Erzbischofs Jose Cardoso Sobrinho in Frage - "Die kleine Carmen hätte zuallererst verteidigt und getröstet werden müssen" - Der "Glaubwürdigkeit" der Lehre der Kirche wurde Schaden zugefügt
Vatikanstadt-Brasilia, 15.3.09 (KAP) Die Vorgangsweise des
brasilianischen Erzbischofs Jose Cardoso Sobrinho, der die
Exkommunikation der Beteiligten an einer Abtreibung bei einer
Neunjährigen öffentlich gemacht hatte, wird vom Vatikan kritisiert.
Die Art und Weise, wie Cardoso Sobrinho sich ausgedrückt habe, sei
nicht nur "unbarmherzig" gewesen, sondern habe auch der
"Glaubwürdigkeit" der Lehre der Kirche Schaden zugefügt, betonte
Erzbischof Rino Fisichella, der Präsident der Päpstlichen Akademie
für das Leben, im "Osservatore Romano".
Die Neunjährige war nach einer Vergewaltigung durch den Stiefvater
mit Zwillingen schwanger geworden. In dem Artikel unter dem Titel "An
der Seite des brasilianischen Mädchens" unterstrich Erzbischof
Fisichella, dass es sich leider um eine Geschichte alltäglicher
Gewalt gehandelt habe, die nur deshalb auf die Titelseiten gekommen
sei, weil Erzbischof Cardoso Sobrinho die Exkommunikation der Ärzte
und Pflegerinnen öffentlich gemacht habe, die die Abtreibung
vorgenommen hatten. "Notwendiger und dringender" als an eine
Exkommunikation zu denken, sei es gewesen, das schuldlose Leben des
Mädchens zu retten und es wieder auf jene Ebene der Menschlichkeit zu
heben, "für die wir Kirchenmänner erprobte Verkünder sein sollten".
Ohne die prinzipielle Ablehnung der Abtreibung aufzuweichen, hätte
man "über die juristische Sphäre hinausblicken" müssen, um dem
eigentlichen Sinn des Kirchenrechts - dem Wohl und dem Heil der
Gläubigen - zu entsprechen, schrieb Erzbischof Fisichella. Wörtlich
stellte der Erzbischof fest: "Die kleine Carmen hätte zuallererst
verteidigt, umarmt, getröstet werden müssen. Sie hätte spüren müssen,
dass wir alle an ihrer Seite sind".
Für die wiederholte Vergewaltigung eines Kindes gebe es keine
angemessenen Worte der Verurteilung. Dadurch, dass Cardoso Sobrinho
die an der Abtreibung beteiligten Ärzte und die Mutter der
Neunjährigen für exkommuniziert erklärt habe, erscheine die Kirche
jetzt "in den Augen vieler als unsensibel, unverständlich und
unbarmherzig".
Auch der Gewissenskonflikt der Ärzte müsse mitberücksichtigt werden,
betonte Fisichella. Moraltheologisch zähle dieser Fall "zu den
heikelsten". Niemand mache sich eine Entscheidung dieser Tragweite
leicht: "Das auch nur zu denken, wäre ungerecht und beleidigend". Ein
schnelles Urteil werde weder dem Vergewaltigungsopfer noch den
übrigen Beteiligten gerecht. Der Theologe verwies darauf, dass nach
dem Kirchenrecht die Exkommunikation für die Mitwirkung an einer
vollzogenen Abtreibung ohnehin automatisch eintrete; daher habe es
keinerlei Dringlichkeit gegeben, die Strafe öffentlich festzustellen.
Der Leiter der Päpstlichen Akademie für das Leben bekräftigte den
Respekt der Kirche für Ärzte in Grenzsituationen, aber auch das
Prinzip, dass das menschliche Leben "von seiner Empfängnis an heilig
ist und geschützt werden muss". Doch auch, wenn man an diesem
Grundsatz festhalte, müsse man "in schwierigen Momenten wie diesem zu
einem Zeichen der Nähe mit den Leidenden fähig sein". Der Beitrag
Erzbischof Fisichellas schließt mit den Worten: "Carmen, wir sind auf
deiner Seite. Wir teilen dein Leiden und würden gern alles tun, um
dir deine Würde wiederzugeben und alle Liebe, die du brauchst. Andere
verdienen die Exkommunikation und unsere Vergebung – nicht die, die
dir erlaubt haben, zu leben, und die dir helfen, Hoffnung und
Vertrauen wiederzufinden".
Aucb Brasilianische Bischofskonferenz skeptisch
Auch die Brasilianische Bischofskonferenz hat sich im öffentlichen
Streit um die Exkommunikationen nach dem Abtreibungsfall zu Wort
gemeldet. Die Mutter des neunjährigen Vergewaltigungsopfers habe mit
ihrer Erlaubnis zum Schwangerschaftsabbruch das Leben der Tochter
retten wollen und dürfe daher nicht exkommuniziert werden, sagte der
Generalsekretär der Bischofskonferenz, Bischof Dimas Lara Barbosa.
Die Veröffentlichung der Exkommunikation hatte in Brasilien heftige
Reaktionen der Öffentlichkeit provoziert. Besonders die Äußerung von
Erzbischof Cardoso Sobrinho, wonach die Abtreibung ein schwereres
Vergehen sei als die Tat des Stiefvaters, stieß auf Unverständnis.
Die Frage der Exkommunikation der beteiligten Ärzte ließ die
Bischofskonferenz offen: "Wir können noch nicht genau sagen, welcher
Arzt exkommuniziert ist und welcher nicht", so Generalsekretär Lara
Barbosa. Das hänge "auch vom Gewissen jedes einzelnen ab".
Zur Tat des Stiefvaters sagte Lara Barbosa, Vergewaltigung führe laut
Kirchenrecht nicht zur Exkommunikation. Dennoch sei der Stiefvater
"aus der Gemeinschaft ausgeschlossen", da er eine Todsünde begangen
habe. So stehe es "in der Bibel, die mehr zählt als das
Kirchenrecht".
Der 23-jährige Stiefvater hatte den Missbrauch gestanden und auch
zugegeben, die geistig behinderte 14-jährige Schwester des Mädchens
ebenfalls missbraucht zu haben. Er befindet sich in Polizeigewahrsam.
Nach Aussagen der behandelnden Ärzte hätte eine Fortsetzung der
Schwangerschaft das nur 1,33 Meter große und 36 Kilo schwere Mädchen
in Lebensgefahr gebracht.(ende)
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