Kardinal Schönborn referierte bei Symposion der Österreichischen Akademie der Wissenschaften - Scharfe Ablehnung des "Kreationismus", aber auch Kritik an der "Intelligent design"-Schule - Achtung, Sperrfrist, Mittwoch, 4.3., 19.30 Uhr
Wien, 4.3.09 (KAP) Kardinal Christoph Schönborn hat zur Entspannung
in der Auseinandersetzung zwischen naturwissenschaftlicher
Evolutionstheorie und biblischem Schöpfungsglauben aufgerufen.
Zugleich wies er die "kreationistische" Lesart der biblischen
Schöpfungserzählung entschieden zurück, übte aber auch Kritik an der
"Intelligent design"-Schule. Die Frage nach "Ursprung, Weg und Ziel
des Lebens" betreffe jeden Menschen, daher könne der Weg "nur im
gemeinsamen Bemühen um ein immer besseres, genaueres und tieferes
Verständnis" liegen. Der Wiener Erzbischof referierte am
Mittwochabend bei einem dreitägigen Symposion der Österreichischen
Akademie der Wissenschaften (ÖAW) aus Anlass des laufenden
Darwin-Jahres über "Schöpfung und Evolution". Wörtlich sagte Kardinal
Schönborn: "Die Evolutionsforschung kann nur fragen, wie die Formen
des Lebens sich entwickelt haben. Aber warum der Mensch da ist, was
das Ziel seines Daseins ist, das kann keine Naturwissenschaft
beantworten, und wenn sie es zu tun beansprucht, verlässt sie den
Boden ihrer Wissenschaftlichkeit und wird zur Weltanschauung".
Die vom Kreationismus vertretene Idee einer Erschaffung fertiger
einzelner Wesen oder Arten sei "absurd" und ebenso "unhaltbar" wie
die These von der Erschaffung der Welt in sechs Tagen, erklärte der
Kardinal. Schönborn wörtlich: "Das Bibelverständnis des Kreationismus
ist sicher nicht das der katholischen Kirche und das der großen
christlichen Denktradition".
Zugleich sei es jedoch auch eine "unstatthafte Simplifizierung", den
"bibel-fundamentalistischen Kreationismus mit einem fundierten
Schöpfungsglauben 'in einen Topf zu werfen'". Ein
biblisch-theologisches Schöpfungsverständnis versuche vielmehr, jenen
Fragen nachzuspüren, auf die die Naturwissenschaften keine Antworten
finden, wie etwa die Frage nach dem Sinn menschlichen Lebens.
Von einer solchen theologischen Lesart der Schöpfungsvorstellung
unterscheide sich auch deutlich die "Intelligent design"-These, so
Kardinal Schönborn. Diese These begreife Schöpfung in einem
mechanistischen Sinne als "eine Ursache unter anderen in der Kette
der Wirkursachen". Wörtlich sagte Schönborn: "Der Versuch dieser
Schule, hohe Komplexität in der Natur als Beweis für ein 'intelligent
design' zu bewerten, krankt an dem fundamentalen Denkfehler, dass
'design', Plan, Zielgerichtetheit nicht auf der Ebene der Kausalität
gefunden werden kann, mit der sich die naturwissenschaftliche Methode
befasst".
Man könne davon überzeugt sein, dass sich in der Schöpfung ein
Ursprung und ein Ziel - "und somit etwas wie 'intelligent design'" -
erkennen lässt, stellte der Wiener Erzbischof. Dies sei aber nicht
die "naturwissenschaftlich nachvollziehbare" Sichtweise. Wörtlich
sagte Kardinal Schönborn: "Ich erwarte mir nicht von der
naturwissenschaftlichen Forschung, dass sie mir Gott beweist".
Defizitäres Schöpfungsverständnis
Im Blick auf Charles Darwin äußerte Kardinal Schönborn den
vorsichtigen Verdacht, dass dessen "theologisches Verständnis von
Schöpfung nicht gerade von höchstem Reflexionsniveau war". Wie die
Argumentationsformen Darwins in seinem Werk über die "Entstehung der
Arten" nahelegen, habe Darwin (der in Cambridge Theologie studiert
hatte) offenbar ein theologisches Schöpfungsverständnis vor Augen
gehabt, das "dem des fundamentalistischen Kreationismus" viel näher
gewesen sei als dem "der großen christlichen philosophischen und
theologischen Auseinandersetzung mit dem Thema Schöpfung".
"Geist, Wille, Freiheit"
Wenn die jüdisch-christliche Tradition heute die Fragen nach dem
Woher und Wohin des Menschen mit dem Verweis auf den Schöpfergott
beantwortet, so trete sie zugleich jener Leere und Sinnlosigkeit
entgegen, mit der ein rein naturwissenschaftlich strukturiertes
Weltbild den Menschen zurücklasse, so Kardinal Schönborn weiter.
"Geist, Wille, Freiheit" seien Hinweise darauf, dass ein
materialistischer Begriff von Evolution zu kurz greife. Auch die
Fähigkeit, Verantwortung zu übernehmen, weise darauf hin, dass es
jenseits der naturwissenschaftlichen Leere "jemanden gibt, dem wir
Antwort schulden".
Kardinal Schönborn beendete seinen Vortrag mit einem Verweis auf die
Ausführungen von Papst Benedikt XVI. beim "Schülerkreis"-Treffen in
Castel Gandolfo im Jahr 2006. Das Treffen, an dem auch der Präsident
der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Prof. Schuster, als
Gastreferent teilgenommen hatte, hatte sich der Frage nach "Schöpfung
und Evolution" gewidmet. Damals hatte Papst Benedikt XVI. die Rede
von Prof. Schuster vom "schmalen Korridor der Möglichkeiten"
aufgenommen und betont, dass die durch diesen "schmalen Korridor"
hindurch geschehenden Mutationen, die das Leben letztlich erst
ermöglicht haben, eine "Rationalität" in sich tragen. Daraus ergebe
er sich eine Frage, die über die Wissenschaft hinausgeht, "aber doch
eine Vernunftfrage ist: Woher stammt diese Rationalität?" Auf diese
Frage könne und dürfe die Naturwissenschaft nicht direkt antworten,
"aber wir müssen die Frage als eine vernünftige anerkennen und es
wagen, der schöpferischen Vernunft zu glauben und uns ihr
anzuvertrauen", zitierte der Wiener Erzbischof den Papst. (ende)
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