Hamann auch gegen Frederick Morton
Wien (OTS) - Die Historikerin Brigitte Hamann, deren Biographie
des Kronprinzen Rudolf nach wie vor als Standardwerk gilt, kann in
der gleichnamigen Musical-Gestalt (Premiere: 26. Februar,
Raimundtheater) keine Ähnlichkeiten mit der historischen Figur
erkennen. Das berichtet NEWS in seiner morgen erscheinenden Ausgabe.
Laut Hamann war der Kronprinz unheilbar syphiliskrank, blickte dem
absehbaren Zerfall und Tod entgegen und wollte deshalb seine
Geliebte, die Halbweltdame Mizzi Kaspar, in den Selbstmord mitnehmen.
Die weigerte sich, weshalb Rudolf zehn Tage vor beider Tod auf eine
Art Groupie, die Baronesse Mary Vetsera, zurückgriff. Deren
Hauptanliegen sei es gewesen, in die Geschichte einzugehen. Rudolfs
Infektion wird im Musical nicht thematisiert, Mary als große Liebe
und u. a. die Aussichtlosigkeit der Verbindung als Grund für den
Selbstmord angegeben. Rudolf versucht sogar, für Mary seine Ehe
annullieren zu lassen und bekämpft seine Verzweiflung in einem
Bordell.
Hamann nach Lektüre des Librettos und einem Probenbesuch: "Das
Ganze ist gut gemacht, und ich will nicht beckmessern. Aber mit der
Geschichte Rudolfs hat es nichts zu tun. Er war ein gescheiter,
sensibler Mensch, am Ende abgemagert und ständig hustend. Dass er
sich in einem Bordell mit vielen Weibern umgeben hätte, ist
unvorstellbar. Die beiden wichtigsten Frauen in seinem Leben kommen
im Musical nicht vor: seine Mutter Elisabeth und Mizzi Kaspar. Das
mit der Annullierung der Ehe ist Unsinn: Wen hätte er denn
heiraten sollen? Die Halbweltdame Mizzi oder die niedrige Adelige
Mary Vetsera? Das hätte er als Habsburger nicht gedurft. Vor allem
aber hat ihm Mary nichts bedeutet."
Frontal wendet sich die Historikerin auch gegen den Roman "A
nervous Splendour" des Österreichers Frederick Morton, auf dem das
Libretto beruht: "Ich schrieb 1977 meine Dissertation über Rudolf und
veröffentlichte sie 1978 als Buch. Er hat daraufhin in drei Monaten
ein gängiges Büchel gemacht. Da stimmt vieles nicht, und ich habe das
Buch weggeworfen. Sein Roman ging in Amerika sehr gut, daher konnte
keine amerikanische Übersetzung meines Buches erscheinen."
Dagegen Morton in NEWS: "Ich schätze Brigitte Hamann als
Historikerin sehr. Aber Syphilis hatte Rudolf nicht, nur Gonorrhoe,
und die wurde geheilt. Rudolf war ein Womanizer und begnadeter
Journalist. Abgeschossen habe ich ihr gar nichts. Höchstens haben
wir unsere Bücher gleichzeitig geschrieben."
Und "Rudolf"-Regisseur David Leveau: "Man kann ein Musical nicht
nur aus einer historischen Biographie entwickeln. Man muss bestimmte
Aspekte aufgreifen und dabei beachten, was das Theater leisten kann.
Ich habe Rudolf immer als Vogel gesehen, der versucht aus seinem
Käfig auszubrechen und immer nur gegen die Wände fliegt. Er ist eine
Mischung aus Hamlet und Henry V."
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