- 16.01.2009, 13:01:59
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ÖFFENTLICHE Erklärung über die Ermordung von Umar Israilov von seinem Vater, Ali Israilov
Wien (OTS) - Am 13. Jänner 2009 wurde mein Sohn, der 27-jährige
Umar Israilov, in der Nähe seiner Wohnung in der Leopoldauerstrasse
in Wien ermordet. Er hinterläßt seine Frau und drei kleine Kinder.
Nach dem Mord an Umar haben einige österreichische Medien meinen
Sohn und seine Vergangenheit in ein falsches Licht gerückt. Mit
dieser öffentlichen Erklärung möchte ich die notwendigen
Richtigstellungen vornehmen.
Im Jahr 2001 hat sich mein Sohn - genau wie hunderte andere junge
Tschetschenen - in unserem Dorf Mesker-Yurt der Widerstandsbewegung
angeschlossen. Einige österreichische Medien haben nahegelegt oder
behauptet, dass mein Sohn mit Movsar Baraev zu tun gehabt hätte, der
die Geiselnahme auf das Dubrovka-Theater in Moskau im Oktober 2003
geleitet hat. Das ist unrichtig. Mein Sohn war ein junger
null-acht-fünfzehn Rebell, der zu einer lokalen Rebellengruppe
gehörte.
Im April 2003 haben tschetschenische Sicherheitskräfte unter dem
Kommando von Ramzan Kadyrov, dem gegenwärtigen Präsidenten von
Tschetschenien, meinen Sohn in der Nähe unseres Dorfes verhaftet. Sie
haben ihn in Kadyrov’s Stützpunkt im Dorf Tsentoroi gebracht, wo er
für ungefähr drei Monate gefangen gehalten wurde. Während der
Gefangenschaft meines Sohn, haben Kadyrov und seine Männer ihn
wiederholt gefoltert. Ramzan Kadyrov persönlich hat ihm
Elektroschocks versetzt und ihn geschlagen.
Im Sommer 2003 wurde mein Sohn bezüglich seiner Beteiligung bei
den Rebellen amnestiert und gezwungen, Kadyrov’s Sicherheitskräften
beizutreten. Er arbeitete mehrere Monate in der Leibwache von
Kadyrov, bis er schliesslich in unser Heimatdorf geschickt wurde, wo
er die Mitglieder der lokalen Rebellengruppe verhaften sollte. Umar
wurde sowohl während seiner Haft als auch während seiner Tätigkeit
für die Sicherheitskräfte Zeuge von zahlreichen Verbrechen, die von
den unter dem Kommando von Kadyrov stehenden Sicherheitskräften
begangen wurden, unter anderem aussergerichtliche Hinrichtungen,
systematische Folter, Fälle von "Verschwindenlassen" von Menschen und
illegale Haft.
Im Herbst 2004 schafften es Umar und seine Frau, aus
Tschetschenien zu fliehen und suchten in Europa Zuflucht. Umar wollte
nicht an den Verbrechen teilnehmen, die Kadyrov’s Sicherheitskräfte
in Tschetschenien begingen.
Innerhalb von wenigen Wochen nach Umar’s Flucht aus Russland
nahmen Kadyrov’s Sicherheitskräfte mich, meine Frau und die
Schwägerin meines Sohnes fest und brachten uns zu Kadyrov’s
Stützpunkt in Tsentoroi. Die nächsten zehn Monate verbrachte ich an
verschiedenen inoffiziellen Anhalteplätzen in illegaler Haft und war
Folter und Mißhandlungen ausgesetzt. Kadyrov’s Männer brachen mir
meine Rippen und schlugen mir Zähne aus, um herauszufinden, wo Umar
sei. Schliesslich rief Ramzan Kadyrorv von meinem Mobiltelefon aus
meinen Sohn an, der sich zu dieser Zeit in Polen befand, und teilte
ihm mit, dass er mich und seine Schwägerin töten würde. Mein Sohn
wusste jedoch, dass er getötet werden würde, sollte er nach
Tschetschenien zurückkehren, und flüchtete schließlich weiter nach
Österreich, in der Hoffnung, dass Kadyrov letztlich seine Angehörigen
wieder freilassen würde. Im Sommer 2007 erhielt Umar Asyl in
Österreich.
Nach meiner Freilassung im Oktober 2004 floh ich mit dem Rest
meiner Familie ebenfalls aus Tschetschenien und erhielt Asyl in
Europa.
Sowohl Umar als auch ich wollen, dass in Bezug auf die Verbrechen,
die wir und andere durch Ramzan Kadyrov und seine Kräfte erlitten
haben, der Gerechtigkeit Genüge getan wird. Uns war und ist die
Gefahr bewusst, die darin liegt, aber in dem Glauben dass wir in
sicheren Asylländern leben, dachten wir, dass es unsere Pflicht sei,
das zu tun.
Wir haben bei der russischen Staatsanwaltschaft Anzeigen
eingebracht und haben unseren Fall auch vor den Europäischen
Menschenrechtsgerichtshof gebracht, worin wir die systematischen
Verbrechen der unter Kadyrov’s Kommando stehenden Sicherheitskräfte
als auch von Kadyrov persönlich detailliert beschrieben haben.
Nachdem wir unsere Anzeigen bei der russischen Staatsanwaltschaft
eingebracht hatten, begannen die Probleme für meinen Sohn in
Österreich.
Die Russische Föderation versuchte, meinen Sohn nach Russland
ausgeliefert zu bekommen. Im Jahr 2007 wurde ein internationaler
Haftbefehl erlassen, in dem Umar des Terrorismus, der Teilnahme in
illegalen bewaffneten Gruppen, und eines Mordanschlags auf einen
Sicherheitsmann beschuldigt wurde. Österreich verweigerte die
Auslieferung. Eine Untersuchung durch die österreichische
Staatsanwaltschaft befand, dass es keine faktengestützte
Grundlage für eine Anklage meines Sohnes gebe, einer terroristischen
Organisation anzugehören, terroristische Akte begangen zu haben oder
jemandem schweren körperlichen Schaden zugefügt zu haben.
Dann, im Juni 2008, wurde Umar von einem unbekannten
tschetschenischem Mann kontaktiert, der abwechselnd Drohungen und
süße Worte benutzte, um ihn dazu zu bringen, nach Tschetschenien
zurückzukehren und seine Anzeige gegen Kadyrov zurückzuziehen. Nach
mehreren Treffen mit meinem Sohn hat der Mann plötzlich um Asyl in
Österreich angesucht. Er sagte der Polizei, dass er von Ramzan
Kadyrov persönlich nach Österreich geschickt worden sei, um meinen
Sohn nach Tschetschenien zurückzubringen, und dass, während er in
Österreich war, er von Kadyrov’s rechter Hand angerufen wurde mit der
Mitteilung kontaktiert worden war, dass Umar nicht länger in
Tschetschenien gebraucht werde, dass er aber kein Killer sei and
deshalb Asyl beantrage. Er sagte auch, dass er in Kadyrov’s Residenz
eine Liste mit 300 Namen von Tschetschenen gesehen habe, die "sterben
müssen", und ungefähr 50 davon seien in Österreich aufhältig. Kurz
danach zog der Mann seinen Asylantrag zurück und verschwand.
Nach einigen Monaten relativen Friedens und Ruhe bemerkte Umar
einen unbekannten tschetschenischen Mann, der ihm im Dezember 2008
wiederholt in der Nähe seiner Wohnung begegnete. Er fühlte sich
bedroht, informierte die Polizei und fragte wiederholt um Hilfe. Ich
bedaure es zutiefst, dass die österreichische Polizei daraufhin nicht
aktiv wurde. Nach dem, was im Juni 2008 passiert war, ist es sehr
schwer für mich diesen Mangel an Reaktion zu akzeptieren.
Ich hoffe, dass die österreichischen Behörden eine gründliche
Untersuchung durchführen, wie das nach all den Warnsignalen passieren
konnte. Es wird meinen Sohn nicht zurückbringen, aber es könnte in
Zukunft die Leben von anderen schützen.
Zum Schluss möchte ich an die österreichischen Behörden
appellieren, den Mord an meinem Sohn gründlich und umfassend zu
untersuchen, sodass sowohl seine unmittelbaren Mörder als auch jene,
die seinen Mord in Auftrag gegeben haben, der Gerechtigkeit zugeführt
werden können. Ich fordere die Russische Föderation auf, in vollem
Umfang bei der Untersuchung zu kooperieren, selbst
wenn das Resultat unbehaglich für die russischen oder
tschetschenischen Behörden sein sollte.
Ich habe keinen Zweifel daran, dass mein Sohn für seine Bemühungen
Gerechtigkeit zu suchen mit seinem Leben bezahlt hat,. Ich weiss
auch, dass mein Name der nächste auf der Liste der Killer sein
könnte. Aber Gerechtigkeit muss die Oberhand gewinnen, und ich werde
die Gerechtigkeit weiter suchen so gut ich kann.
Ali Israilov, 15.1.2009
Rückfragehinweis:
Rechtsanwältin Nadja Lorenz
t: +43-1/524 02 65
mail: rain.lorenz@datonet.at
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