• 14.11.2008, 14:23:57
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Berger: Fall Hilsner markantes Beispiel für Versagen der Justiz

Gedenktafel für Leopold Hilsner am Wiener Zentralfriedhof enthüllt

Wien (OTS) - "Der Fall des Leopold Hilsner ist ein markantes
Beispiel für ein Versagen des Justizsystems. Betroffen macht nicht
nur das Fehlurteil, betroffen macht das gesamte von Antisemitismus
und Zynismus getragene Verfahren, das zum Urteil führte", sagte
Justizministerin Maria Berger am Freitag am Wiener Zentralfriedhof.
Gemeinsam mit IKG-Präsident Ariel Muzicant enthüllte Berger eine
Gedenktafel am Grabstein Hilsners mit der Aufschrift "Wir bedauern
die Verfehlungen der Justiz. Sie sind uns Mahnung für die Zukunft."

Hilsner war Anfang des 20. Jahrhunderts in antisemitischen
Skandalprozessen ohne jeden Beweis zuerst des Ritual-, dann des
Sexualmordes an einem christlichen Mädchen für schuldig erkannt und
zum Tode verurteilt worden. Nach internationalen Protesten begnadigte
ihn Kaiser Franz Joseph zu lebenslanger Haft. Hilsner wurde 1918
entlassen. Er starb als gebrochener Mann 1928 in Wien. "Das Unrecht,
das Leopold Hilsner widerfahren ist, kann nicht mehr gutgemacht
werden. Der heutige Gedenkakt, in Verbindung mit der Ergänzung der
Grabinschrift, hat daher vor allem symbolische Bedeutung", so Berger.

In der Demokratie gebiete es der Respekt vor der Unabhängigkeit der
Rechtsprechung, dass Justizminister aktuelle Entscheidungen der
Gerichte nicht nur nicht beeinflussen, sondern auch nicht
kommentieren. Dieser Grundsatz könne freilich nicht für die
Vergangenheit gleichermaßen gelten, bekräftigte die Ministerin.
Vielmehr sei es eine Verpflichtung für jedes Justizsystem und somit
auch für jeden Justizminister, vergangene Rechtsprechungsepochen
kritisch zu betrachten, Fehlentwicklungen aufzuzeigen, Verfehlungen
deutlich zu benennen und die Lehren für Gegenwart und Zukunft daraus
zu ziehen.

Das Strafverfahren gegen Leopold Hilsner sei kein tragischer
Einzelfall, sondern stehe vielmehr für den Ungeist der damaligen
Zeit. Um die Wende zum 20. Jahrhundert war die
österreichisch-ungarische Monarchie, die Stadt Wien im Besonderen,
von einem Klima des Antisemitismus geprägt, das Jahrzehnte anhielt
und schließlich in den Nationalsozialismus mündete. "Die traurige
Erkenntnis, die wir heute ziehen müssen, ist, dass sich auch die
Justiz diesem Zeitgeist anschloss und unterwarf", so Berger.

Dank sprach Berger den Institutionen und Privatpersonen aus, die sich
für eine Rehabilitierung Leopold Hilsners eingesetzt haben,
insbesondere den Schülerinnen der HBLW Wels, die im Rahmen der
Gedenkveranstaltung Texte zum Lebens Hilsners vortrugen, der
Israeltischen Kultusgemeinde sowie der Welser Initiative gegen
Faschismus.

Rückfragehinweis:

Bundesministerium für Justiz 
   Mag. Thomas Geiblinger
   Tel. (01) 52152-2274
   Pressesprecher 
   Museumstraße 7, 1070 Wien 
   http://www.bmj.gv.at

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