• 27.10.2008, 17:53:19
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AUA: Ohne Lufthansa wird die Luft sehr dünn

"Presse"-Leitartikel, vom 28. Oktober 2008, von Hedi Schneid

Wien (OTS) - Wenn der Verkauf platzt und die AUA pleitegeht, kann
sich die Öffentlichkeit dafür bei der ÖIAG bedanken.

Das Glück währte nur kurz: 2007 schaffte die AUA erstmals nach drei
Jahren einen kleinen Gewinn. 3,3 Millionen in einem der besten Jahre
für die globale Luftfahrt. Zu wenig, um der in dünner Luft agierenden
Fluglinie einen Kapitalpolster zu verschaffen, mit dessen Hilfe sich
turbulentere Zeiten - wie sie jetzt drohen - meistern lassen.
Die Euphorie, die in der Aussage von Airline-Chef Alfred Ötsch
gipfelte, die AUA sei saniert (zumindest seien große Verlustbringer
beseitigt), war rasch weg. Zuerst musste Ötsch einen überraschend
hohen Verlust für das erste Quartal verkünden. Da läuteten die
Alarmglocken aber noch nicht. Dann entpuppte sich ein Scheich aus dem
Morgenland als Fata Morgana und statt Geld - auf das die AUA ja
angeblich leicht verzichten konnte - gab es Klagen, die die AUA auch
noch zu verlieren droht.
Dann kam das nicht weniger rote Halbjahresergebnis - und plötzlich
warfen Ötsch und sein Präsident Peter Michaelis die bisher eisern
verteidigte Strategie der strikt rot-weiß-roten Heckflosse, die bar
jeder Vernunft viel zu lange verteidigt wurde, über Bord. Unter dem
Druck eines explodierenden Kerosinpreises, der nicht nur die Bilanz
der AUA, sondern vieler anderer Fluglinien tiefrot färbte, wurde
flugs die Privatisierung beschlossen. Und husch, pfusch, wie sich
jetzt zeigt, durchgezogen.
Ob tatsächlich Interessenten Informationen vorenthalten worden sind,
wird sich angesichts der "Informationsfreudigkeit" der ÖIAG schwer
klären lassen. Tatsache ist, dass Interessenten abgesprungen sind -
oder wurden sie etwa gar abgesprungen, weil man sich ohnehin so
sicher war, dass die Lufthansa an Bord kommen würde? Das ist nur eine
der vielen Ungereimtheiten in einem Verkaufsverfahren, das mehr als
dilettantisch abgelaufen ist. Ein Beispiel gefällig? An dem Tag, an
dem der Verkauf besiegelt werden sollte, kommt die ÖIAG drauf, dass
ein Schuldennachlass mit der EU geklärt werden muss. Die Lufthansa
hatte aber schon lange signalisiert, nicht alle Verbindlichkeiten
schlucken zu wollen.
Jetzt stellt der einzig verbliebene Kandidat Lufthansa auch noch
Bedingungen. Welch unglaubliche "Frechheit": Die Finanzkrise und ihre
Folgen - dass die Konjunktur noch schneller abkühlt, als der Ölpreis
sinkt - konnte in der Tat weder die Regierung noch ihre Staatsholding
ÖIAG voraussehen. Dass die AUA chronisch defizitär ist, hohe Schulden
und zu hohe Kosten sowie strategische Mängel hat - das ist allerdings
keineswegs neu, wie die tiefroten Bilanzen zeigen. Politiker und
Aufsichtsräte zeigen sich nach dem längst überfälligen Kassasturz
erschüttert. Lufthansa-Chef Wolfgang Mayrhuber ist das sicher nicht,
er hat zumindest aus dem Augenwinkel die Entwicklung im Nachbarland
beobachtet - und er wäre ein denkbar schlechter Manager, würde er
nicht längst wissen, wie es um die AUA steht. Warum soll er also mehr
bieten als den symbolischen Euro? Die AUA ist nicht mehr wert. Warum
soll er nicht einen Schuldennachlass fordern? Die Lufthansa sitzt am
längeren Ast - da hilft kein Lamento.

Wenn es einen Grund zur Empörung gibt, dann die Vorgangsweise der
ÖIAG. Sollte die Privatisierung tatsächlich platzen und die AUA
pleitegehen, können sich die 8000 betroffenen Beschäftigten - und
weitere zigtausend am Flughafen und bei Zulieferbetrieben - bei der
ÖIAG bedanken. Und bei der Politik: Egal ob Schwarz-Blau,
Schwarz-Orange oder Rot-Schwarz - was die AUA betrifft, betrieb man
jahrelang Realitätsverweigerung. Allerdings hatten weder ÖIAG noch
das wechselnde AUA-Management den Mut, den Regierenden auch die ganze
Wahrheit zu sagen. Oder wollten sie es nicht? Vielleicht, weil sie um
ihre gut bezahlten Jobs bangten?
Faktum ist, dass schon vor mehr als zwei Jahren der Berater Roland
Berger feststellte, dass die AUA einen strategischen Partner braucht.
Damals florierte die Konjunktur und mit ihr die Luftfahrt - man hätte
die AUA aus einer Position der Stärke verkaufen können. Aber die
Studie wurde in einer ÖIAG-Schublade verramscht, und es wurde munter
weitergewurstelt.
Jetzt kann die alte/neue Regierung von Glück reden, wenn die
Lufthansa die AUA doch nimmt und der Staat nur die Hälfte der
Schulden schlucken muss und sich das Milliardengrab vom Hals schafft.
Die Alternative - eine Sanierung durch den Staat - käme weit teurer.
Der Staat hat sich noch nie als guter Sanierer erwiesen; dass er auch
kein guter Unternehmer ist, hat der Alleingang der AUA gezeigt. Die
am besten geprüfte "Strategie" der AUA, die Stand-alone-Variante,
endete in einem Fiasko.

Rückfragehinweis:
Die Presse
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Tel.: (01) 514 14-445
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