Wien (PK) - Beginnend am 7. Jänner 2008, hat die
Parlamentskorrespondenz die Parlamente der 16 Teilnehmerländer der
EURO 08 porträtiert. Wir bringen in der Folge - jeweils am Montag -
die Porträts der Parlamente der anderen europäischen Staaten von A
wie Albanien bis Z wie Zypern. Heute: Serbien
Anfänge
Das Gebiet des heutigen Serbien war ursprünglich von Illyrern, Kelten
und Griechen besiedelt. Mitte des 2. Jahrhunderts vor Christus
gründeten die Römer die Provinz Illyrien, deren Grenzen ab dem 3.
Jahrhundert nach Christus von verschiedenen Nomadenvölkern
überschritten wurden. Zur Zeit des Römischen Reiches gehörte das
Gebiet des heutigen Serbien zur Provinz Moesia superior. Das Banat
war Teil der römischen Provinz Dakien. Kurz nach dem Fall Roms wurde
Illyrien dem Byzantinischen Reich angeschlossen.
Seit dem 6. Jahrhundert siedelten sich Serben auf dem Gebiet des
heutigen Serbien an. Sie ließen sich zuerst in einer Gegend nieder,
die Raszien genannt wird. Deshalb wurden sie jahrhundertelang außer
als Serben auch als Raszier bezeichnet. Byzanz ermutigte slawische
Stämme, sich als Föderaten in den Provinzen des Balkan anzusiedeln.
Diese sich seit 580 abzeichnende Landnahme der Slawen auf dem Balkan
reichte vom heutigen Slowenien über Kroatien, Bosnien und Serbien bis
nach Bulgarien und den Peloponnes. Byzanz förderte das Entstehen
kleiner Herrschaften als Puffer gegen das Awarenreich im Norden. Die
Herrschaft der Steppennomaden bestand von 567 bis 803 im
Karpatenbogen bis zur Donau. Sie wurde vom Heer des Frankenreichs
zerschlagen. Erstmalige urkundliche Erwähnung findet ein Staat
Serbien 822 bei Einhard, dem Biographen Karls des Großen. Zu dieser
Zeit regierte der Zupan (der Titel entspricht in etwa einem Chieftain
in keltischen Clans) Strojimir, der Enkel Viseslavs, über Serbien.
Manche der serbischen Einwanderer nahmen die griechische Kultur an,
die meisten aber bewahrten ihre slawisch-serbische Identität. Ihre
Stammesführer bildeten mit der Zeit Fürstentümer unter der Oberhoheit
von Ostrom. Von ihnen war das weitgehend selbstständige serbische
Fürstentum das bedeutendste. Es erlebte mit Zupan Vlastimir und der
frühen Hauptstadt Ras bei Novi Pazar (daher auch die Bezeichnung
Raszien) in der Mitte des 9. Jahrhunderts seine erste Blüte.
Erste Unabhängigkeit
Bis ins 9. Jahrhundert lebten die Serben unter nominaler
Oberherrschaft des Byzantinischen Reiches und in relativ friedlicher
Nachbarschaft mit den Bulgaren. Der oberste Mann im Staat war der so
genannte Groß-Zupan, der von den anderen Zupanen als Anführer
anerkannt wurde. 830 schlossen sich die in loser Nachbarschaft
lebenden Stämme unter Zupan Vlastimir zu einer Stammesföderation
zusammen, um sich gegen die vordrängenden Bulgaren wehren zu können.
Vlastimirs Sohn - Fürst Strojimir - ließ sogar einen Staatsstempel
aus purem Gold erstellen, der bisher als das ältestes Dokument der
serbischen Staatsgründung gilt.
Unter Vlastimir, seinem Sohn Strojimir und seinen Nachfolgern wurde
Serbien (Raszien) in der 2. Hälfte des 9. Jahrhunderts wahrscheinlich
unter direktem Einfluss der Slawenapostel Kyrill und Method von
Byzanz aus orthodox christianisiert.
Im 11. Jahrhundert gab es das erste in größerem Rahmen anerkannte
serbische Königtum unter Mihailo von Zeta. Dieser hatte zuerst -
unter anderem durch seine Heirat - eine engere Verbindung zu Byzanz
gesucht. Als aber Byzanz im Kampf gegen die Normannen geschwächt war,
brach er seine Neutralität und unterstützte einen Aufstand der
südslawischen Völker gegen die byzantinische Oberherrschaft. Nachdem
dieser gescheitert war, suchte er Unterstützung im Westen beim Papst.
Mitverantwortlich für diese Wende war auch, dass Mihailo ein eigenes
Erzbistum und den Königstitel wollte. Der Papst, der nach dem Schisma
von 1054 Interesse daran hatte, die Herrscher an den Rändern seines
Einflussgebietes für sich zu gewinnen, ernannte Mihailo 1077 zum
ersten serbischen König und machte somit sein Land zum ersten
anerkannten serbischen Königtum.
Im 12. Jahrhundert begann unter Stefan Nemanja eine der wichtigsten
Perioden für das serbische Nationalbewusstsein. Stefan besiegte in
der Schlacht bei Pantino seine Brüder im Kampf um die Herrschaft und
schloss mit den beiden überlebenden Brüdern eine Union, in der sie
ihn als Groß-Zupan anerkannten. So wurde er zum alleinigen Herrscher
Rasziens. Diese Union und seine Unterstützung für einen Angriff
Venedigs und Ungarns auf Byzanz brachten ihn in Konflikt mit dem
byzantinischen Kaiser Manuel. In einer erniedrigenden Prozedur musste
er sich unterwerfen.
Doch nach dem Tod Manuels im Jahr 1180 machte sich Stefan die
verworrene Situation in Byzanz zunutze, um dem Reich die
Unabhängigkeit und große Gebiete abzuringen - darunter das südliche
Kosovo um Prizren und die Gegend um Nis, das zeitweilig zur neuen
Hauptstadt wurde. Um sich die Anerkennung durch den Papst und die
Ernennung zum König zu sichern, trat Stefan Nemanja zeitweise zum
Katholizismus über. In einem Friedensvertrag mit den byzantinischen
Kaiser Isaak II. Angelos wurde seinen weiteren Expansionsbestrebungen
Einhalt geboten, aber gleichzeitig blieben die neuen Grenzen des
Landes weitgehend unangetastet.
1196 dankte Stefan Nemanja zugunsten seines mittleren Sohnes Stefan
ab und entsagte als Mönch Simeon allem Weltlichen. Er wirkte aber
auch noch als Mönch prägend für die weitere Geschichte Serbiens: Er
gründete zahlreiche Kirchen und Klöster, darunter die berühmtem
Klöster Studenica und Hilandar, die beide zum Weltkulturerbe zählen.
Nach seinem Tod im Jahr 1200 wurde er ein wichtiger serbischer
Nationalheiliger.
Stefan Nemanjic, der Sohn, brauchte einige Jahre, bis er die
Herrschaft 1207 endgültig gegen seinen älteren Bruder Vukan behauptet
hatte. Eine viel wichtigere Rolle für Stefans über 30-jährige
Regierungszeit spielte aber sein jüngerer Bruder Rastko, der als der
Heilige Sava von Serbien bekannt wurde.
Als sich die serbische Politik nach anfänglich guten Beziehungen zu
Byzanz infolge der Einnahme Byzanz' durch den 4. Kreuzzug eher dem
Westen zuwandte, erwirkte Sava bei Papst Honorius III., dass dieser
seinen Bruder Stefan 1217 zum König krönte. Damit bekam Stefan den
Beinamen Prvovencani, der Erstgekrönte, und die von seinem Vater
begründete Dynastie der Nemanjiden war bestätigt und gestärkt.
Die wichtigste und folgenreichste Tat Savas aber war, dass er bei
einem Besuch des byzantinischen Patriarchen im Nicäanischen Exil das
Recht erwirkte, eine autokephale und autonome Serbisch-orthodoxe
Kirche zu gründen. Diese Kirche mit ihren ersten aus Serbien
stammenden Heiligen Simeon und Sava sollte - besonders während der
langen Zeit der osmanischen Herrschaft - das Fundament für das
serbische Selbstbewusstsein bilden. Mit der Schaffung eines
Rechtskodex schuf Sava zudem die Grundlage für eine enge Verbindung
zwischen Kirche und Staat, die ebenfalls sein Geschlecht überdauern
sollte.
Während des Nemanjiden-Reichs im 13. Jahrhundert kam es zu wichtigen
Veränderungen in der sozialen Struktur des Staates. Aus den Zupanen,
den Sippenführern, wurden Adlige. Die einst freien Bauern gerieten
zunehmend in deren Abhängigkeit. Die Städte erhielten Sonderrechte.
So wurde aus dem losen Stammesverband ein feudaler Staat mit einem
etablierten Herrschergeschlecht sowie einer starken Nationalkirche.
Das serbische Reich
Eine weitere Konsolidierung erfuhr das Reich unter der langen
Herrschaft von Stefan Uros I. (1243 bis 1276), der als dritter Sohn
des Stefan Prvovencani nach seinen Brüdern Radoslav und Vladislav die
Herrschaft antrat. Die außenpolitischen Konflikte hielten sich in
Grenzen und so konnte der wirtschaftliche Ausbau voranschreiten.
Dieser beruhte vor allem auf dem Bergbau: Bergwerke zum Abbau von
Gold und Silber, aber auch Eisen, Kupfer und Blei wurden
eingerichtet. Um diese herum entstanden Siedlungen, der Handel kam in
Schwung. Durch Privilegien für deutsche Bergarbeiter aus
Transsilvanien und Handelsleute aus Dubrovnik, das als Hafen für
Serbien eine wichtige Rolle spielte, kamen Angehörige anderer Völker
nach Serbien.
Der nächste wichtige Herrscher nach der kurzen Regierungsperiode von
Uros' Sohn Dragutin (1276 bis 1282) war dessen jüngerer Bruder Stefan
Uros II. Milutin (1282 bis 1321), auch "Uros der Mächtige" oder "Uros
der Heilige" genannt. Er setzte den wirtschaftlichen Ausbau seines
Vaters und die Tradition der Kirchen- und Klostergründungen fort.
Unter ihm stieg Serbien zur dominierenden Macht auf dem Balkan auf,
unter anderem durch Gebietsgewinne in Makedonien. In Skopje gründete
er jenen Hof, der für ihn und seine Nachfolger zum wichtigsten werden
sollte.
Nach anfänglichen Reibereien mit Byzanz schloss Uros II. 1299 einen
Friedensvertrag mit Kaiser Andronikos II. Palaiologos und heiratete
dessen Tochter. Er übernahm das byzantinische Hofzeremoniell und sah
sich angesichts des geschwächten byzantinischen Reichs als der
legitime Fortführer der byzantinischen Tradition.
Uros' Sohn Stefan Uros III. Decanski konnte sich in der kurzen Zeit,
die er zwischen seinem Vater und seinem Sohn Dusan an der Macht war,
außenpolitisch bewähren. In der Schlacht bei Kjustendil besiegte er
die Bulgaren, die ab nun für längere Zeit Verbündete bleiben sollten.
Unter Stefan Uros IV. Dusan (1331 bis 1355), dem mächtigsten aller
serbischen Herrscher, erreichte das Serbische Reich den Höhepunkt
seines politischen Einflusses und seiner Ausdehnung. Nicht nur durch
Kriegsführung, sondern auch durch geschicktes Ausnutzen der
politischen Machtverhältnisse gewann er weite Gebiete dazu, darunter
fast ganz Albanien (mit Ausnahme der Stadt Durres) und jene Teile
Makedoniens, die sich noch nicht unter serbischer Herrschaft befanden
(mit Ausnahme Thessalonikis). Sein Reich erstreckte sich schließlich
von der Donau im Norden bis zum Golf von Korinth im Süden und von der
Grenze zur unabhängigen Republik Dubrovnik im Westen bis kurz vor
Sofia im Osten. Die Hauptstadt des damaligen Reiches war Skopje.
Kaiserreich und Niedergang
Zu Weihnachten 1345 ernannte Stefan Uros IV. Dusan sich selbst zum
Kaiser Serbiens und des Römerreichs (Imperator Rasciae et Romaniae)
und ließ sich zu Ostern 1346 krönen. Doch Kaiser konnten nur vom
Patriarchen gekrönt werden. Da er mit Byzanz in Fehde lag, ließ er in
einem Konzil serbische und bulgarische Kirchenmänner den Erzbischof
von Pec, Joanikije, zum Patriarchen von Serbien erheben. Der
Patriarch von Konstantinopel belegte darauf Dusan, den neuen
Patriarchen und die neuen Kirchenfunktionäre mit dem Bann.
Dusans Reich wurde nach byzantinischem Muster unter Führung des
serbischen Adels verwaltet. Die weitgehenden Rechte von Adel und
Kirche wurden 1349 in einem umfassenden Rechtskodex, dem so genannten
"Zakonik" (wörtlich "Gesetzessammlung") festgelegt. Da der feudale
Adel seine Rechte aber immer wieder missbrauchte, mussten die Gesetze
laufend modifiziert werden, sodass sich schließlich für den
serbischen und den griechischen Teil separate Verwaltungssysteme
ergaben.
Kulturell erlebte Serbien eine Hochblüte. So löste zum Beispiel die
serbische Redaktion des Kirchenslawischen das Griechische als
Schriftsprache Südosteuropas ab und wurde auch zur Diplomaten- und
Kanzleisprache im gesamten Balkanraum. Es blieb dies bis in das 16.
Jahrhundert. Die klösterlichen Freskomalereien werden zu den
Höhepunkten europäischer Malerei des 13. und 14. Jahrhunderts
gezählt.
Mit seinem neuen Titel als Herrscher von Romania, das heißt Ostrom,
erhob Dusan offen Anspruch auf den Thron von Byzanz. Er geriet damit
in Konflikt mit Johannes Kantakuzenos, dessen Ansprüche er 1342/1343
noch unterstützt hatte. Kantakuzenos rief die Osmanen gegen die
Serben zu Hilfe. Damit waren die Weichen für das Eindringen der
Osmanen auf den Balkan und den Niedergang des Großserbischen Reiches
gestellt. Dusan selbst konnte seine Pläne nicht zu Ende führen, da er
1355 plötzlich und unerwartet starb.
Sein Sohn und Nachfolger Stefan Uros V. (1355 bis 1371), genannt "der
Schwache", konnte das Reich nicht zusammenhalten. Die Feudalherren
wurden immer unabhängiger, manche spalteten sich - teils mit Hilfe
äußerer Rivalen Serbiens - völlig ab, andere erkannten Uros zwar
nominell an, gebärdeten sich aber auf ihren Gebieten wie souveräne
Herrscher, ließen Münzen prägen, nahmen Steuern ein etc. So hatte das
Reich Anfang der 1360er Jahre große Gebiete im heutigen Albanien und
Griechenland (Albanien, Epirus und Thessalien) verloren.
1365 bekam Vukasin Mrnjavcevic den Königstitel und alle Rechte eines
Mitregenten. Da Uros V. kinderlos war, bedeutete das die Übergabe der
Erbrechte und den Anfang vom Ende der Dynastie der Nemanjiden.
Die relativ kurze Zeit im 14. Jahrhundert, in der die serbischen
Zaren einen großen Feudalstaat beherrschten, der sich von der Donau
bis an die Küsten der Adria und der Ägäis ausdehnte, wurde im
nachhinein als Großserbisches Reich bezeichnet. Unter der
Jahrhunderte langen osmanischen Herrschaft wurde dieses Serbische
Reich zum Inbegriff eines serbischen Idealstaates, wobei gern
vergessen wurde, dass das mittelalterliche Großserbien ein
Vielvölkerreich war, das an die politische Tradition des
byzantinischen Kaisertums anknüpfte, welches sich ebenso wie das im
Westen als Universalmonarchie verstand.
Der Druck durch die Osmanen nahm in der Zwischenzeit mehr und mehr
zu, vor allem die - seitdem berühmt gewordene - Schlacht am Amselfeld
1389 läutete das Ende der serbischen Eigenstaatlichkeit ein. Die
Serben mussten zunächst die Oberhoheit der Pforte anerkennen, nach
dem Scheitern diverser Entlastungsinitiativen für Byzanz und dem Fall
Konstantinopels 1453 waren auch die Tage eines eigenständigen
Serbiens gezählt. In einem einjährigen Feldzug unterwarfen die
Osmanen 1459 Serbien endgültig. Für dreieinhalb Jahrhunderte blieb
die serbische Nation unfrei.
Unter osmanischer Herrschaft
In mehreren Aufständen versuchten die Serben, sich von der
osmanischen Herrschaft zu befreien, die sie als schweres Joch
empfanden. Der erste große serbische Aufstand begann in der Vojvodina
1593, der aber bis 1607 blutig niedergeschlagen wurde. Als die
Habsburger die Osmanen aus Ungarn vertrieben, wagten die Serben um
1689 nochmals einen Aufstand. Unterstützt von serbischen
Aufständischen drangen die Truppen der Habsburger bis nach Sarajevo
in Bosnien und Skopje in Mazedonien vor. Als sich jedoch die
Österreicher zurückziehen mussten, folgten ihnen auch viele Serben,
insbesondere diejenigen, die sich am Aufstand beteiligt hatten und
nun die Rache der Osmanen befürchteten, darunter auch der serbische
Patriarch Arsenije III. Crnojevic. Es kam zu großen
Flüchtlingsbewegungen, die in die serbische Geschichte als "seobe"
(Wanderungen) eingingen.
Von 1718 bis 1739 war das serbische Gebiet nördlich der Save und
westlich der Donau im Besitz des Hauses Österreich. Es wurde 1718 von
den Habsburgern erobert. Jedoch fiel es 1739 wieder unter osmanische
Verwaltung. In diese Zeit fallen erste Versuche, ein serbisches
Nationalbewusstsein herauszubilden.
1804 unternahmen die Serben unter Djordje Petrovic, genannt
Karadjordje ("Schwarzer Georg") einen neuen Aufstandsversuch. Es
gelang, weite Teile Serbiens zu befreien und eine eigene Regierung
(Praviteljstvujusci sovjet serbski, deutsch etwa: Regierender Rat der
Serben) zu bilden. Man richtete ein eigenes Parlament ein und
arbeitete an einer eigenen Verfassung. Sogar eine Universität in
Belgrad wurde gegründet. Diese Aktivitäten waren umso
bemerkenswerter, als man sich nach wie vor im Krieg mit den Osmanen
befand. 1809 kam es in Nis zu einer Schlacht zwischen Serben und
Türken, die den Serben nach deren Niederlage die Köpfe abschnitten,
um sie im heute noch zu besichtigenden "Schädelturm" einzumauern.
1813 wurde der serbische Aufstand endgültig niedergeschlagen, die
Initiative von Karadjordje war gescheitert.
Doch schon zwei Jahre später, 1815, brach der Zweite Serbische
Aufstand unter Milos Obrenovic, der das Haus Obrenovic begründete,
aus. 1816 unterzeichneten die Osmanen einen Vertrag zur
Stabilisierung der Beziehungen mit den Serben. 1817 kam Karadjordje
nach Serbien zurück, jedoch wurde er auf Obrenovics Befehl hin
ermordet. Sultan Mahmud II. erkannte 1830 mit einer Urkunde Milos
Obrenovic als obersten Knjas (Fürsten) der Serben an. Im November
1833 wurden mit einer weiteren Urkunde die Autonomierechte des
Fürstentums präzisiert. Serbien hatte damit wieder ein eigenes
Staatswesen, das durch den Berliner Vertrag von 1878 auch
völkerrechtlich als unabhängig anerkannt wurde.
Fürstentum und Königreich
Schon vor der Schaffung des Fürstentums (ab 1882 Königreichs) Serbien
gab es parlamentarische Aktivitäten. Während der beiden Aufstände von
1804 und 1815 fanden so genannte "Volksversammlungen" auf freiem
Felde statt, an denen tausende Menschen teilnahmen. Diesen
Parlamenten kam durchaus eine bedeutende Rolle zu. So wurde Fürst
Mihajlo 1842 durch eine Volksversammlung abgesetzt und durch Fürst
Alexander ersetzt. Doch den Eliten des Landes war angesichts solcher
direkter Demokratie nicht wohl, und so wurde die repräsentative
Demokratie ihr Ziel. Im Oktober 1858 wurde erstmals eine
"Nationalversammlung" nach Belgrad einberufen, die am Sankt
Andreastag, dem 30. November, zusammenkommen sollte, weshalb dieses
Parlament auch "Sankt Andreastag-Versammlung" genannt wird. Mit
diesem Parlament, dessen Session bis zum 31. Januar 1859 währte,
wurden die Grundlagen eines modernen westlichen Parlamentarismus in
Serbien gelegt. Die Abgeordneten, die in einer Brauerei tagten, gaben
sich selbst den Namen "Serbische Nationalversammlung", der bis 1918
in Geltung blieb.
Bis 1870 wurden die gesetzlichen Grundlagen für die Arbeit des
Parlaments geschaffen, so das Wahlrecht und die Wahlordnung, der
Kompetenzenkatalog und die Geschäftsordnung. Konkret war eine
"gewöhnliche" und eine "große" Nationalversammlung vorgesehen. Die
erste hatte die Tagesarbeit zu leisten, die zweite kam nur zusammen,
wenn es darum ging, die Verfassung zu ändern, das Staatsoberhaupt zu
küren oder über Krieg und Frieden zu entscheiden.
Trafen die Abgeordneten üblicherweise ihre Entscheidungen im Rahmen
einer geheimen Abstimmung, so konnte die Regierung - oder aber 20
Abgeordnete - es verlangen, dass namentlich abgestimmt wurde. Das so
erzielte Ergebnis wurde von den Parlamentsstenographen entsprechend
festgehalten. Das Recht auf Einberufung, Eröffnung, Vertagung und
Auflösung des Parlaments kam dem Herrscher zu, der aber zuvor den
Vorschlag der Regierung anhören musste. Die Sessionen wurden mit
einer Rede des Herrschers eröffnet, auf die der Präsident des Hauses
erwiderte. Dieser wurde bis 1888 vom Herrscher aus einer ihm vom
Parlament vorgelegten Kandidatenliste ausgewählt, ab dann wurde er
direkt von den Abgeordneten gewählt.
Die Abgeordneten vertraten eine festgelegte Zahl an Steuer zahlenden
Bürgern. Dadurch ergab sich für die "Sankt Andreastag-Versammlung"
die Zahl von 437 Abgeordneten, die später auf etwa 160 sank. Die
"große Nationalversammlung" zählte hingegen 600 Abgeordnete.
Gewählt wurde nach Wahlkreisen, wobei Städte wie Belgrad oder Nis in
mehrere Wahlkreise unterteilt waren, während am flachen Land für
einen Bezirk ein Abgeordneter zu wählen war. Wahlberechtigt waren
alle männlichen serbischen Staatsbürger über 21 Jahren, so sie Arbeit
hatten und damit Steuern entrichteten. Vom Wahlrecht ausgeschlossen
waren Frauen.
Bis 1888 mussten sich die Wähler übrigens öffentlich für ihren
Kandidaten deklarieren. Im Wahllokal hatten sie zu sagen, für wen sie
stimmen wollten, diese Willensbekundung wurde sodann in die Wahlliste
eingetragen. Erst durch eine Verfassungsänderung 1888 wurde das
geheime Wahlrecht eingeführt, das 1889 erstmals zum Tragen kam.
Dadurch stieg auch die Wahlbeteiligung signifikant an, die bis zum
ersten Weltkrieg um die 70 Prozent oszillierte.
Die Verfassungsänderung von 1888 bedeutete auch eine wichtige
Änderung im Prozess der Gesetzgebung. War das Recht zur
Gesetzesinitiative bis dahin bei der Regierung gelegen, so ging
dieses nun auf das Parlament über, das zuvor lediglich das Recht
gehabt hatte, Vorschläge der Regierung abzulehnen, ohne eigene
einbringen zu können.
Ebenfalls geregelt wurde die Immunität der Abgeordneten, die nicht
einmal dann verhaftet oder festgenommen werden durften, wenn sie in
flagranti erwischt wurden. Strafrechtliche Verfolgung war nur nach
einem entsprechenden Mehrheitsbeschluss des Parlaments möglich. Bei
ihrem Amtsantritt mussten die Mandatare einen Treueid auf den
Fürsten, später auf den König leisten, ihr Gehalt wurde auf 15 Dinar
festgesetzt, was zu Beginn des serbischen Parlamentarismus eine
durchaus achtbare Summe war. Allerdings blieb die Höhe der Entlohnung
bis zum Ersten Weltkrieg gleich.
Während der Sitzungen des Parlaments mussten die Abgeordnete
identische Kleidung, eine Art Uniform, die den Trachten der Region
nachempfunden war, tragen, außerhalb des Parlaments waren sie durch
einen eigenen Ansteckknopf als Abgeordnete kenntlich, mit dem sie
ihre speziellen Rechte als Mandatare geltend machen konnten.
In jener Epoche tagte das Parlament durchaus nicht ständig in
Belgrad, sondern auch in Kragujevac und in Nis. Während des Ersten
Weltkrieges versammelte sich das serbische Parlament auf der Insel
Korfu, wo wichtige Schritte zur Vereinigung Serbiens mit den anderen
südslawischen Stämmen gesetzt wurden. Tagte das Parlament
ursprünglich in der "Großen Bierhalle" der Belgrader Brauerei, so
fanden die späteren Sitzungen im Nationaltheater und ab 1882 im neu
errichteten Parlamentsgebäude neben dem Odeon-Kino statt. In Nis
tagte das Parlament im Offiziersklub und in der Volksschule des
Heiligen Sava.
Im Gefolge der Verfassungsreform von 1888 bildeten sich erstmals auch
politische Parteien, zunächst die Liberalen, die Progressiven und die
Radikalen um Nikola Pasic (1845-1926), später gingen aus einer
Spaltung der Progressiven die Demokraten um Pasics langjährigen
Rivalen Ljubisa Davidovic (1863-1940) hervor. 1903 wurde die
Verfassung abermals geändert und die politischen Rechte des Königs
weiter beschnitten. Zu diesem Zeitpunkt galt Serbien hinsichtlich
seiner Verfassung als eines der liberalsten Länder Europas.
Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs übersiedelte das Parlament von
Belgrad nach Nis, als diese Stadt im Oktober 1915 von den
Österreichern eingenommen wurde, ging das gesamte Archiv des
Parlaments in den Kriegshandlungen verloren. Erst 1918 konnte sich
das serbische Parlament wieder in Belgrad versammeln. Dort allerdings
blieb für die alte Volksvertretung nicht mehr viel zu tun. Durch die
Vereinigung von Serben, Kroaten und Slowenen zu einem eigenen
Königreich am 1. Dezember 1918 war ein neues Parlament für alle
Südslawen geschaffen wurden, in welchem Serbien mit insgesamt 108
Mandaten vertreten sein sollte. Am 14. Dezember 1918 traf sich das
serbische Parlament zum letzten Mal und beschloss, seine Funktionen
dem neuen Zentralparlament zu überantworten. Bis zum Ende des Zweiten
Weltkriegs gab es keinen eigenen serbischen Parlamentarismus mehr.
In Jugoslawien (1918 bis 1941)
Erster Premier des neuen SHS-Staates wurde Pasic, dessen Radikale die
größte Partei in Serbien geblieben waren. Die Wahlen zum
gesamtjugoslawischen Parlament zeigten aber, dass die einzelnen
Völkerschaften ihre eigenen Parteien bevorzugten. So bekam die
Slowenische Volkspartei die überwältigende Zustimmung der Slowenen,
die Kroatische Bauernpartei jene der Kroaten, und die "Jugoslawische
Muselmanische Organisation" triumphierte in Bosnien-Herzegowina. Die
einzige Partei, die landesweit angetreten war und dementsprechend
erfolgreich abschnitt, war die Kommunistische Partei Jugoslawiens,
die auf Anhieb hinter den Radikalen und der Bauernpartei auf Rang
drei landete. Dieses Ergebnis weckte die Furcht der Bürgerlichen in
Jugoslawien, und in der Tat wurde die KPJ wenig später verboten und
ihre Mandate für verfallen erklärt.
Die enorme politische Fragmentierung sorgte für extrem unstabile
Verhältnisse. Als es Davidovic 1924 gelang, eine
Mehrparteienkoalition gegen die Radikalen in Stellung zu bringen,
hielt diese gerade vier Monate. Doch nach dem Tod Pasics, den der
Schlag getroffen hatte, als ihm der König die erneute Ernennung zum
Premier verweigert hatte, hielten die Kabinette meist nur wenige
Monate, so auch jenes des ehemaligen Reichsratsabgeordneten Anton
Korosec (1872-1940), der im Januar 1929 durch den so genannten
Königsputsch aus dem Amt gedrängt wurde.
Nur kurz zuvor, im Juli 1928, war es zu einem beispiellosen Skandal
in der Geschichte des Parlamentarismus gekommen. Während der Debatte
über eine Dringliche Anfrage zog der Abgeordnete der Radikalen Partei
Punisa Racic während seiner Rede einen Revolver und schoss von der
Rostra aus auf Vertreter der Kroatischen Bauernpartei. Er erschoss
deren Vorsitzenden sowie zwei weitere Mandatare und verwundete
weitere zwei. Da er dies unter parlamentarischer Immunität getan
hatte, konnte er nach erfolgter Tat ungehindert den Saal verlassen.
Ob des allgemeinen Aufschreis in Kroatien sah sich der König nach
seinem Putsch dazu gezwungen, Racic zu Hausarrest zu verurteilen.
Racic lebte völlig unbehelligt bis Oktober 1944, als er von
Partisanen für dieses Verbrechen zum Tod verurteilt und hingerichtet
wurde.
Der König regierte ab Januar 1929 autoritär, das Parlament führte nur
noch eine Schattenexistenz, dies umso mehr, als die bisher tätigen
Parteien vom König in die Illegalität gedrängt worden waren. Das Land
wurde in "Königreich Jugoslawien" umbenannt, aus den Resten der alten
Elite formte der König eine "Jugoslawische Nationalpartei", welche
quasi die Funktion einer Staatspartei erfüllen sollte. Hatte der
König zunächst Militärs mit der Regierung betraut, so durften ab 1934
Vertreter der alten Parteien als Repräsentanten dieser Staatspartei
wieder am politischen Geschehen mitwirken.
1935 fanden erstmals wieder Wahlen statt, welche die bisherige
Opposition, die sich unter dem langjährigen Finanzminister Milan
Stojadinovic (1888-1961) zusammengefunden hatte, für sich entscheiden
konnte. Stojadinovic suchte die Unabhängigkeit Jugoslawiens durch
eine Annäherung an die Westmächte zu sichern, doch setzte der
Herrscher auf ein Bündnis mit den Achsenmächten, weshalb er
Stojadinovic 1939 aus dem Amt drängte. Als dessen Nachfolger im März
1941 in Berlin einen Vertrag mit Nazi-Deutschland schloss, kam es in
Belgrad zu einem spontanen Volksaufstand. Unter der Losung "Besser
Krieg als Pakt" (Bolje rat njego pakt) wurden Herrscher und Premier
gestürzt und ein demokratisches Regime aufgerichtet. Ehe sich dieses
jedoch etablieren konnte, griff die Wehrmacht Jugoslawien an, dessen
Widerstand binnen weniger Tage zusammenbrach. Das Königreich
Jugoslawien war nach wenigen Jahren bereits wieder Geschichte.
Im sozialistischen Jugoslawien (1945 bis 1992)
Jugoslawien war kaum unter den Achsenmächten Deutschland, Italien und
Ungarn aufgeteilt, da erstand diesen in der Partisanenbewegung des
Marschall Josip Broz-Tito (1892-1980) bereits ein mächtiger Gegner.
Die Popularität der Partisanen stieg vor allem deshalb sprunghaft an,
weil sie als erste den nationalen Zwist und Hader unter den
südslawischen Völkern zu überwinden trachteten und dem Freiheitskampf
eine konkrete soziale Perspektive gaben. Anstelle der alten
Chauvinismen wurde die Losung "Brüderlichkeit und Einheit" (Bratstvo
i Jedinstvo) propagiert. Die Partisanen bildeten den
Antifaschistischen Rat der Volksbefreiung (AVNOJ), der zur Keimzelle
eines Parlamentarismus neuen Typs wurde. Und da die Partisanen der
Ansicht waren, ein neues Jugoslawien könne nur im Geist der
Gleichberechtigung bestehen, erhielt auch jede Republik (Slowenien,
Kroatien, Bosnien, Makedonien, Serbien, Montenegro) seine eigene
Volksvertretung.
Und so versammelten sich im November 1944 in Belgrad 989 Delegierte
des ASNOS (Antifaschistische Versammlung der Volksbefreiung
Serbiens), die aus ihrer Mitte 278 Abgeordnete wählten, die künftig
die serbische Nationalversammlung bilden sollten. Ein Jahr später
fanden erstmals Wahlen zur Nationalversammlung der Volksrepublik
Serbien (ab 1963 bis 1990 "Nationalversammlung der Sozialistischen
Republik Serbien") statt. Zu diesen Wahlen waren erstmals auch Frauen
zugelassen, die Wahlen selbst fanden auf Basis des universellen,
gleichen, direkten und geheimen Wahlrechts statt.
Den Abgeordneten war weiterhin Immunität zugesichert, doch wurden
1948 dem ehemaligen Politbüro-Mitglied Sreten Zujovic (1899-1976) und
einigen anderen das Mandat aberkannt, als diese im so genannten
Kominform-Konflikt die Seite der Sowjetunion ergriffen.
Das sozialistische Jugoslawien trachtete danach, verstärkt Frauen in
politische Funktionen zu entsenden. Waren in der provisorischen
Nationalversammlung neun Frauen vertreten gewesen, saßen im 1963
gewählten Parlament bereits 71 (von insgesamt 278 Abgeordneten)
weibliche Mandatare. Nach dem Ende des Sozialismus sank bei den
ersten demokratischen Wahlen 1990 die Zahl der Frauen übrigens auf
drei.
Die Verfassungsreformen 1963 und 1974 räumten den Republiken mehr
Rechte ein und bedeuteten einen weiteren Schritt in Richtung
Föderalisierung des Landes. So entsandte Serbien insgesamt 40
Abgeordnete in die Kammer der Republiken im Bundesparlament (20 für
Serbien, je 10 für den Kosovo und die Vojvodina) und nominierte drei
Vertreter (je einen für Serbien, Kosovo und Vojvodina) ins
Staatspräsidium. In diesem kollektiven Staatsoberhaupt sollte jede
Republik für ein Jahr den Vorsitz führen. Serbien kam in den Jahren
1982/83 zum Zug, als der langjährige serbische und jugoslawische
Premierminister Peter Stambolic (1912-2007) Staatsoberhaupt war. 1990
wurde Borisav Jovic (geb. 1928) Staatsoberhaupt Jugoslawiens, doch
real war er nur noch Konkursverwalter eines zerfallenden
Staatswesens.
Die Bundesrepublik Jugoslawien (1992-2006)
Im Laufe des Jahres 1991 spalteten sich die ehemaligen
sozialistischen Republiken Slowenien, Kroatien, Bosnien und
Makedonien von der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien
ab. Die verbleibenden vier konstitutiven Elemente gaben daraufhin dem
Staat einen neuen Namen. Bis 2003 hieß er "Bundesrepublik
Jugoslawien", danach bis 2006 "Staatsunion von Serbien und
Montenegro", ehe Serbien ab 2006 wieder auf jene Größe reduziert war,
die es bis 1912 gehabt hatte.
Serbien reagierte auf die neue Situation mit der Erarbeitung einer
neuen Verfassung, die im September 1990 angenommen wurde. Das
Parlament bekam neuerlich vermehrte Kompetenzen und setzte sich nun
fix aus 250 Abgeordneten zusammen. Im Anschluss daran verständigte
sich das serbische Parlament auf die ersten Mehrparteienwahlen seit
1945, die im Dezember 1990 durchgeführt wurden.
Bei einer Wahlbeteiligung von 72 Prozent erhielt die Sozialistische
Partei Serbiens (SPS) 194 Sitze, die Serbische Erneuerungsbewegung
19, die Demokratische Union der Ungarn in der Vojvodina acht, die
Bürgerunion gleichfalls acht und die Demokratische Partei sieben
Sitze. Der serbische Schriftsteller Dobrica Cosic (geb. 1921) wurde
erster Staatspräsident der BR Jugoslawien, der unabhängige Pharma-
Milliardär Milan Panic (geb. 1929) bildete eine Regierung, ehe er
nach wenigen Monaten durch den Sozialisten Radoje Kontic (geb. 1937)
abgelöst wurde.
1993 kam es zu vorzeitigen Neuwahlen, bei denen die SPS die absolute
Mehrheit verlor (123 von 250 Sitzen). Sie stellte dennoch weiter die
Regierung, der Sozialist Zoran Lilic (geb. 1953) wurde nach dem
Rücktritt Cosics zweiter Präsident der BR Jugoslawien. Bemerkenswert
war der Wahlerfolg der neu gegründeten Radikalen Partei, die auf
Anhieb 71 Sitze eroberte und zur zweitstärksten Fraktion im Belgrader
Parlament avancierte.
Bei den regulären Wahlen des Jahres 1997 verlor die SPS einige
Mandate und zog, gemeinsam mit der Liste "Jugoslawische Linke"
angetreten, mit 110 Abgeordneten ins Parlament ein. Die Radikalen
erhielten 82, die Erneuerungsbewegung 45 Sitze. Bei der simultan
abgehaltenen Wahl zum Staatspräsidenten setzte sich der Kandidat der
SPS, Slobodan Milosevic (1941-2006), durch. Milan Milutinovic (geb.
1942), der seit 1992 als Außenminister amtiert hatte, wurde neuer
serbischer Präsident, ein Amt, das zuvor Milosevic innegehabt hatte.
In jener Zeit sah sich Serbien, nicht zuletzt durch die
Kriegshandlungen am Balkan, internationaler Kritik ausgesetzt und
geriet politisch mehr und mehr in die Isolation. Das "System
Milosevic" wurde heftig angeprangert und mündete 1999 sogar in einem
Krieg der NATO gegen die Bundesrepublik Jugoslawien. Trotz heftiger
Bombardements weiter Teile Jugoslawiens konnte sich Milosevic an der
Macht halten und stellte sich im Oktober 2000 der Wiederwahl.
Diese verlor er jedoch gegen seinen Gegenkandidaten Vojislav
Kostunica (geb. 1944). Als Milosevic seine Niederlage nicht
eingestehen und sich dennoch an der Macht halten wollte, wurde er
durch einen spontanen Aufstand in Belgrad zum Rücktritt gezwungen.
Sein Parteifreund Milutinovic blieb gleichwohl bis zum Auslaufen
seiner Periode 2002 im Amt.
Dieser war es auch, der im Gefolge des Machtwechsels das serbische
Parlament auflöste und Neuwahlen für Dezember 2000 ansetzte. Bei
diesen Wahlen, an denen sich 56 Prozent der Wähler beteiligten,
erhielt die "Demokratische Opposition Serbiens" (DOS), ein
Zusammenschluss der bürgerlichen Parteien, 176 der 250 Sitze. Die SPS
kam auf 37, die Radikalen auf 23 und die Einheitspartei auf 14 Sitze.
Alle anderen Gruppen blieben ohne Mandat. Ab diesem Zeitpunkt wurde
Serbien acht Jahre lang von einer bürgerlichen Koalition regiert,
während Sozialisten einer- und rechtspopulistische Radikale
andererseits in Opposition standen. Die Regierung konnte trotz großer
Zugeständnisse an Montenegro - so wurde die Bundesrepublik
Jugoslawien 2003 in "Staatsunion Serbien und Montenegro" umbenannt -
das Wegbrechen der letzten ehemaligen Teilrepublik Jugoslawiens nicht
verhindern, sodass der Staat im Sommer 2006 in "Republik Serbien"
umbenannt wurde. Im Frühjahr 2008 erklärte sich der Kosovo einseitig
für unabhängig, wogegen Serbien formellen Protest erhob. In der Tat
wird der Kosovo derzeit nur von 38 (von 193) Staaten diplomatisch
anerkannt. Alle anderen halten dagegen, dass die Unabhängigkeit des
Kosovo gegen UN-Recht verstößt. Damit ist der Kosovo zur Zeit in
einer ähnlichen Lage wie Abchasien, Südossetien, türkisch Nordzypern
oder die Cookinseln, die gleichfalls für sich die Unabhängigkeit in
Anspruch nehmen, jedoch nicht auf entsprechende Anerkennung stoßen.
Gegenwart
Im Lichte der Kosovo-Krise fanden in Serbien im Mai 2008
Parlamentswahlen (www.parlament.sr.gov.yu) statt. Auf die vereinte
Wahlliste der bürgerlichen Parteien entfielen dabei 102 der 250
Mandate. Auf Platz zwei landeten die Radikalen, die 78 Sitze
errangen. Die Demokratische Partei erhielt 30, die SPS 20 Sitze.
Ebenfalls den Sprung ins Parlament schafften die Liberaldemokraten
mit 13 Abgeordneten. Auf die diversen Listen nationaler Minderheiten
entfielen sieben Mandate. Zur neuen Parlamentspräsidentin wurde die
ehemalige Familienministerin Slavica Dejanovic (geb. 1951) von der
SPS gewählt - unter den sechs Vizepräsidenten befinden sich drei
weitere Frauen -, im Juli 2008 einigten sich das bürgerliche
Parteienbündnis, die SPS sowie zwei Listen nationaler Minderheiten
auf eine Koalitionsregierung, die im Parlament über 127 der 250
Mandate verfügt. Neuer Premier wurde der bisherige Finanzminister
Mirko Cvetkovic (geb. 1950), stellvertretender Premier ist Ivica
Dacic (geb. 1966) von der SPS, der auch das Innenministerium führt.
Das Skupstina-Gebäude
Die Vorarbeiten zur Errichtung eines neuen Parlamentsgebäudes
begannen bereits in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts. Der
jugoslawische Architekt Konstantin Jovanovic (1849-1923), ein Schüler
Gottfried Sempers, auf dessen Pläne unter anderem die Belgrader
Nationalbank und die Kathedrale des Heiligen Sava zurückgehen,
gestaltete auch die Pläne für das Parlament, nach denen 1907 mit dem
Bau begonnen wurde. Der erste Weltkrieg verzögerte die
Fertigstellung, in der Folge wurden mehrere Änderungen des
ursprünglichen Designs vorgenommen. Das Gebäude präsentiert sich
heute in einem historisierend eklektizistischen Stil, es diente bis
1992 als Tagungsort des Bundesparlaments und ist seitdem wieder Sitz
des serbischen Parlaments, zu welchem Zweck das Gebäude einst auch
geplant worden war.
HINWEIS: In dieser Serie sind bisher erschienen: Porträts der
Parlamente der Teilnehmerländer der EURO 08 (Schweiz, Griechenland,
Deutschland, Kroatien, Polen, Tschechien, Portugal, Türkei,
Frankreich, Italien, Rumänien, Niederlande, Schweden, Spanien,
Russland und Österreich) sowie Darstellungen des Parlamentarismus in
Albanien, Andorra, Belgien, Bosnien, Bulgarien, Dänemark, Estland,
Finnland, Irland, Island, Lettland, Liechtenstein, Litauen,
Luxemburg, Makedonien, Malta, Moldawien, Monaco, Montenegro und
Norwegen und San Marino. (Schluss)
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