- 08.10.2008, 12:44:34
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Wien: Großes Gedenken im Stephansdom an die Rosenkranzfeier 1938
Kardinal Schönborn zelebrierte den Gottesdienst und appellierte an die Jugend: "Habt Vertrauen in die Zukunft durch den Glauben an Christus"
Wien, 8.10.08 (KAP) Im voll besetzten Wiener Stephansdom wurde am
Dienstagabend mit einer Rosenkranzfeier der Ereignisse vom 7. Oktober
1938 gedacht. Genau vor 70 Jahren hatten sich 7.000 Jugendliche zum
gleichen Fest im Dom versammelt. Die Feier mit dem damaligen Wiener
Erzbischof, Kardinal Theodor Innitzer, war die größte Manifestation
des geistigen Widerstands gegen den Nationalsozialismus im gesamten
sogenannten "Großdeutschen Reich".
Die Rosenkranzfeier 1938 müsse ein "unglaubliches Zeichen der
Ermutigung" für Kardinal Innitzer gewesen sein, sagte Kardinal
Christoph Schönborn in seiner Predigt bei dem Gottesdienst. "In einer
Zeit, in der so viele Jugendliche vom gleißenden Glanz des
Nationalsozialismus weggerissen worden sind, muss es ein bewegender
Moment gewesen sein, so viele zu sehen, die treu zur Kirche standen",
betonte der Kardinal.
Der Wiener Erzbischof zitierte in seiner Predigt, die er - wie
Kardinal Innitzer vor 70 Jahren - von der Pilgramkanzel aus hielt,
die zentralen Sätze der damaligen Ansprache seines Amtsvorgängers.
Innitzer bekannte darin seinen Irrtum in der Einschätzung des
Nationalsozialismus und forderte - u.a mit den Worten "Christus ist
unser Führer" - die Jugendlichen auf, das Vertrauen in Christus nicht
zu verlieren und treu im Glauben zu stehen. "Was Kardinal Innitzer an
jenem Abend gesagt und bezeugt hat, war stärker als alle gleißenden
Worte des Nationalsozialismus, alle Verführungen diese Ideologie und
stärker als alle Schrecken des Krieges", so Kardinal Schönborn
rückblickend.
Die heutigen Anfechtungen des Glaubens seien in keiner Weise mit der
Situation des Jahres 1938 vergleichbar, aber auch heute brauche es
die Vertrautheit mit Jesus, betonte Kardinal Schönborn. "Der Glaube
ist nicht zuerst eine Lehre, eine Doktrin, sondern eine Freundschaft
- und zwar zu Jesus Christus", sagte der Wiener Erzbischof.
Wie Innitzer appellierte Kardinal Schönborn an die Jugendlichen, das
Vertrauen in den Glauben nicht zu verlieren: "Auch wenn heute über
der Zukunft dunkle Wolken hängen: Habt Vertrauen in die Zukunft durch
den Glauben an Christus!" Die jungen Menschen sollten sich "trauen"
zu heiraten, Familien zu gründen und sich in die Nachfolge Christi
berufen zu lassen. "Traut euch, in die Zukunft zu vertrauen", sagte
Kardinal Schönborn.
Nach der Predigt des Kardinals wurden bei einer
Rosenkranz-Fürbittandacht vor der "Dienstbotenmadonna" die Fürbitten
gesprochen. Gemeinsam mit Zeitzeugen des Gottesdienstes von 1938
baten Jugendliche dabei um Mut zum Bekenntnis des Glaubens, um
Zivilcourage und um die Kraft, für andere da zu sein. Als Schlusslied
erklang "Auf zum Schwure, Volk und Land"; dieses Lied hatten 1938 die
Jugendlichen vor dem Erzbischöflichen Palais auf dem Stephansplatz
gesungen, um ihre Treue zum Glauben zu bekennen.
Zur Feier in der Erinnerung an das Rosenkranzfest vor 70 Jahren
hatten die Katholische Jugend (KJ), der Cartellverband (CV) und der
Mittelschüler-Kartellverband (MKV) gemeinsam eingeladen. "Die
Menschen mussten damals sehr mutig sein, um sich zu ihrem Glauben zu
bekennen", sagte Maresi Böhm, die Vorsitzende der KJ der Erzdiözese
Wien im Stephansdom. Das Bekenntnis zum Glauben habe vielen Menschen
Verfolgung gebracht, man könne sich das als junger Mensch in
Österreich heute gar nicht mehr vorstellen, so Böhm: "Umso wichtiger
ist es, sich mit dem Thema Widerstand auseinanderzusetzen und sich
der mutigen Jugendlichen von damals zu erinnern".
Rosenkranz aus Leuchtballons
Nach dem Gottesdienst versammelten sich die Gläubigen zu einer kurzen
Kundgebung auf dem Stephansplatz. Im Zentrum stand dabei ein großer
Rosenkranz, den 55 Jugendliche mit großen leuchtenden Ballonen
nachstellten. Rund 50 Jugendgruppen aus der Erzdiözese Wien hatten
sich in den vergangenen Wochen mit den Ereignissen von 1938
beschäftigt, und ihre Impulse in Schlagworten auf den "Perlen"
festgehalten. Die Ballons mit Aufschriften wie "Glaube",
"Versöhnung", "Hoffnung" oder "Widerstand muss nicht zwecklos sein"
wurden bei der Kundgebung nacheinander zum Leuchten gebracht.
Der Zeitzeuge Franz Helmwein berichtete zuvor auf dem Stephansplatz
von seinen Erlebnissen bei der Rosenkranzfeier 1938 und den
anschließenden Jubelrufen für Kardinal Innitzer vor dem
Erzbischöflichen Palais. "Ich glaube, die Worte von Kardinal Innitzer
haben ihre Aktualität nicht verloren", sagte Helmwein. "Bleibt der
Kirche treu und gebt Zeugnis von eurem christlichen Leben",
appellierte er an die vielen Gläubigen vor dem Stephansdom.
Der Herzogenburger Chorherr Petrus Roman Stockinger sprach in einer
Rede die "Gratwanderung" an, mit der die Kundgebung in Erinnerung an
die Rosenkranzfeier 1938 verbunden ist. Es dürfe nicht allein bei
einer "sentimentalen Erinnerung" an die damaligen Ereignisse bleiben,
sagte Stockinger. Ohne sich in einem "falschen Gutheitsgefühl zu
wiegen", sollte sich heute jeder ehrlich fragen, "Wo wäre ich damals
gestanden?"
O-Töne aus der Predigt von Kardinal Schönborn sind unter
"www.katholisch.at/o-toene" abrufbar (ende)
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