Wien (PK) - Beginnend am 7. Jänner 2008, hat die
Parlamentskorrespondenz die Parlamente der 16 Teilnehmerländer der
EURO 08 porträtiert. Wir bringen in der Folge - jeweils am Montag -
die Porträts der Parlamente der anderen europäischen Staaten von A
wie Albanien bis Z wie Zypern. Heute: San Marino.
Alles begann, der Legende nach, mit einem Steinmetz namens Marinus.
Um das Jahr 300 soll er aus Rab, einer kroatischen Insel, als
Bauarbeiter ins damals aufstrebende Rimini gekommen sein. Im Zuge
einer der letzten Christenverfolgungen flüchtete Marinus als Christ
auf den nahe gelegenen Monte Titano. Nach und nach gesellten sich
weitere Verfolgte zu ihm, und so bildete sich eine erste christliche
Gemeinschaft auf diesem Berg. Als offizielles Gründungsdatum wird
heute der 3. September 301 angegeben.
Als sich die Lage 311 mit dem Toleranzedikt von Nikomedia beruhigte,
wurde Marinus vom Bischof von Rimini, Gaudenzio, zum Diakon ernannt
und bekam von einer zum Christentum konvertierten römischen
Patrizierin namens Felicissima den Monte Titano geschenkt. Nach dem
Tod ihres Namenspatrons im Herbst 366 begründete sich San Marino als
Republik auf dessen letzte Worte: "Relinquo vos liberos ab utroque
homine" ("Ich lasse euch frei von jedem anderen Menschen zurück.").
Der erste echte Beweis für das Vorhandensein einer Gemeinschaft auf
dem Monte Titano stammt übrigens von Eugippius, der in seiner um das
Jahr 511 vollendeten "Vita Sancti Severini" auch von einem Mönch auf
eben jenem Berg berichtete und das Gebiet schon damals als San Marino
bezeichnete. Spätere Dokumente wie das "Feretranische Urteil" aus dem
Jahr 885 zeugen von einem organisierten und stolzen öffentlichen
Leben. Ob dieses Urteils konnten Nachbarbischöfe keine Ansprüche auf
san-marinesisches Land mehr durchsetzen.
In den ersten Jahrhunderten war der beste Schutz gegen Feinde die
Tatsache, dass kaum einer die kleine Gemeinschaft kannte. Trotzdem
wurde im 10. Jahrhundert mit dem Bau von Befestigungsanlagen
begonnen. Bestätigungen dafür finden sich in einer Urkunde König
Berengars II. aus dem Jahr 951 und in einer Bulle Papst Honorius' II.
von 1126. 1371 schrieb Kardinal Anglico, dass die Stadt "auf einem
sehr hohen Felsblock liegt, auf dessen Gipfel drei riesige Burgen
emporragen". Im Laufe der Zeit wurden diese drei Burgen weiter
ausgebaut und die Wasserversorgung gesichert, indem riesige Zisternen
zum Speichern von Regenwasser in den Stein geschlagen wurden.
Unterhalb des Regierungspalastes findet man noch heute Zisternen, die
zwischen 1472 und 1478 entstanden sind.
Mittelalterlicher Kleinstaat
Um das Jahr 1200 war aufgrund der stetig wachsenden Bevölkerung eine
Gebietsvergrößerung nötig. Zwei nahe dem Berg gelegene Schlösser
mitsamt Ländereien wurden daher gekauft, sodass das Staatsgebiet von
San Marino allmählich auf jene neun Gemeinden ausgeweitet wurde, die
heute die Republik im Herzen Italiens bilden. Doch bereits im
Hochmittelalter war San Marino eine Stadtrepublik mit eigenen
Gesetzbüchern. Das älteste handgeschriebene Gesetzbuch stammt aus dem
Jahr 1295. Die politische Leitung der Republik wurde dabei frühzeitig
jener dem alten Rom nachempfunden. Für sechs Monate werden jeweils
zwei Konsuln - auf san-marinesisch "Capitani Reggenti" geheißen -
gewählt, die maximal sieben Perioden (also dreieinhalb Jahre) an der
Spitze des Staates stehen dürfen. Beraten und kontrolliert wurde die
Arbeit der Konsuln bereits im Mittelalter von einem eigenen
Parlament, dem "Groß- und Generalrat", der aus 60 Mitgliedern
bestand, die auf Lebenszeit gewählt wurden.
Dabei war die Unabhängigkeit San Marinos im Mittelalter alles andere
als gesichert. Immer wieder gab es Versuche anderer Staaten, den
Felsen und sein Umland einzunehmen. Jahrzehntelang musste sich San
Marino gegen die Republik Rimini verteidigen, die San Marino in ihr
Gebiet eingliedern wollte. Und dieser Krieg, der bis 1299 währte, war
noch nicht beendet, als der Kirchenstaat seine Hand nach San Marino
ausstreckte. 1291 erhob er Anspruch auf das Territorium, doch wurde
die Sache diesmal juristisch ausgefochten. Die Rechtsgelehrten
erachteten die Unabhängigkeit San Marinos für ausreichend begründet
und verbrieft, dem Papst blieb nichts anderes übrige, als die volle
Freiheit und Souveränität San Marinos anzuerkennen. Dennoch brauchte
San Marino nach wie vor ein starkes Heer, das von Anfang an auf
Volksbewaffnung setzte. Jeder Bürger zwischen 14 und 60 gehörte (und
theoretisch ist dem immer noch so) der san-marinesischen Armee an und
kann im Notfall zu den Waffen gerufen werden. Die machtvollen,
ständig erneuerten und verstärkten Festungsbauten am Monte Titano
sicherten die Republik zusätzlich gegen ihre Feinde.
Die Republik Rimini erkannte nun, dass das Territorium kriegerisch
nicht einzunehmen war und versuchte es mit Diplomatie. Der Republik
wurden kirchliche Vergebung und Steuerfreiheit für Eigentum außerhalb
des Territoriums und weitere Rechte wie das Handelsrecht angeboten.
Dafür wurde verlangt, einige in San Marino untergekommene Flüchtlinge
auszuliefern. Dies wurde abgelehnt, und so gab es weitere
Feindseligkeiten, vor allem solange die Familie Malatesta die
Geschicke Riminis bestimmte. Als aber eben jene Familie unter
Sigismondo Pandolfo Malatesta beim Papst in Ungnade fiel, nutzten die
San-Marinesen die Gunst der Stunde, unterzeichneten am 21. September
1461 ein Bündnis mit der Kirche und nahmen den Krieg wieder auf. 1463
endete der Krieg zugunsten der San-Marinesen, und Papst Pius II.
sprach der Republik die drei Schlösser Fiorentino, Montegiardino und
Serravalle zu. Im gleichen Jahr schloss sich auch das Schloss Faetano
freiwillig der kleinen Republik an. Dies war der letzte Krieg und
auch die letzte Territoriumsvergrößerung San Marinos. Seitdem besteht
San Marino aus den neun Gemeinden San Marino, Serravalle, Faetano,
Fiorentino, Montegiardino, Borgo Maggiore, Acquaviva, Domagnano und
Chiesanuova.
Das 16. Jahrhundert war durch einen schleichenden Niedergang San
Marinos gekennzeichnet. Einige bedeutende Adelsfamilien starben aus,
viele San-Marinesen wanderten in ertragreichere Gebiete ab, die
Wirtschaftsleistung der Republik sank markant ab, wodurch allfällige
Gegner des kleinen Staates, der vom Meer ebenso abgeschnitten wie
abseits der wichtigen Handelsrouten gelegen war, allmählich jedes
Interesse an "dem Berg" verloren. Bewegung brachte erst wieder das
Zeitalter der französischen Revolution. Als Napoleon ab 1796 nach und
nach die Vorherrschaft über die gesamte italienische Halbinsel
erlangte und sich verschiedene neue Republiken gründeten, schlossen
die San-Marinesen sogleich Handelsabkommen mit diesen, um ihre
Verbundenheit mit Napoléon zum Ausdruck zu bringen.
Auf dem Weg in die Moderne
Es wird berichtet, dass Napoleon während der italienischen Kampagne
seinen Truppen befahl, an den Grenzen zur Republik San Marino halt zu
machen und sie nicht zu überschreiten, da der Korse nach eigenem
Bekunden ein Bewunderer des Kleinstaates war, der niemals jemand
anderem untertan gewesen war. In Siegerlaune bot er den San-Marinesen
an, sie für ihre historische Unbeugsamkeit mit zwei Kanonen, mehreren
Fuhren Getreide und einer territorialen Erweiterung bis zum Meer zu
belohnen. Die San-Marinesen aber ließen die historische Chance, ihr
Land zu vergrößern unbeachtet, wohl wissend, dass dies entsprechende
Folgen haben konnte. Auch die Kanonen schickten sie wieder zurück.
Nur die Getreideladung fand als friedfertiges Geschenk Napoleons ihre
Gnade.
Und tatsächlich wurde nach der Niederlage des napoleonischen
Frankreich auf dem Wiener Kongress 1815 festgelegt, dass in Italien
die vornapoleonische Ordnung wieder hergestellt werden solle. Damit
erlangten nicht nur die spanischen Bourbonen den Süden der Halbinsel
und die Habsburger den Norden zurück, sondern auch San Marino blieb
unabhängig.
Doch das 19. Jahrhundert brachte die bislang größten
Herausforderungen für die kleine Republik. Einerseits regte sich im
Zeitalter des Nationalismus auch in Italien allüberall das Bedürfnis,
die feudale Kleinstaaterei zu überwinden und zu einem einzigen großen
italienischen Nationalstaat zu finden, andererseits fanden sich
Kräfte, welche die politischen Verhältnisse im Sinne einer
Demokratisierung im Sinne von Gleichberechtigung, Gerechtigkeit und
sozialer Würde ändern wollten. Die Losungen der Revolution hallten im
Sturmjahr 1848 auch über den italienischen Stiefel, wenngleich mit
ähnlichen Resultaten wie in Berlin und Wien. Geschlagen musste die
Revolutionsarmee unter Giuseppe Garibaldi aus Rom flüchten und fand -
in San Marino Zuflucht.
Die San Marinesen hielten zwar nichts von Imperienbildung, aber die
Prinzipien der Demokratie hielten sie, schon aus Tradition, hoch.
Ähnlich der Schweiz wurde San Marino immer wieder zum Rettungsanker
für politisch Verfolgte, so auch in der Ära des italienischen
Faschismus. Während also ein Land nach dem anderen seine
Unabhängigkeit verlor, um 1860 im "Königreich Italien" aufzugehen,
blieben die San Marinesen standhaft und setzten weiter auf ihre
kleine Republik, die schließlich auch von Italien in zwei
grundlegenden Staatsverträgen 1862 und 1872 (nach dem Ende des
Kirchenstaates, der allein neben San Marino und Italien noch als
unabhängiges Staatswesen verblieben war) in aller Form anerkannt
wurde. Wie progressiv San Marino in jener Zeit war, lässt sich auch
daran ablesen, dass die Republik 1865 als erstes Land Europas die
Todesstrafe abschaffte.
Das 20. Jahrhundert
1906 kam es zu einer längst fälligen Reform der politischen Struktur
San Marinos. Schon am Ende des 19. Jahrhunderts hatten sich auch in
San Marino politische Parteien gebildet, die es für eine Demokratie
für unvereinbar hielten, dass Abgeordnete auf Lebenszeit gekürt
wurden, zumal dieses System realiter dafür gesorgt hatte, dass die
Mandatare zumeist aus den wohlhabenden und einflussreichen Familien
kamen und ihren Sitz quasi an den nächsten Verwandten "vererbten".
1892 bildete sich die Sozialistische Partei San Marinos, die sich ein
Programm auf marxistischer Grundlage gab. Ihr stand die 1909
gegründete Volkspartei gegenüber, die sich den Zielen des politischen
Katholizismus verschrieb. Die bislang unangefochten an der Spitze
stehenden Politiker San Marinos antworteten auf diese Herausforderung
mit der Bildung einer liberalen Partei und fügten sich schließlich in
eine Verfassungsreform, wonach ab 1906 die Abgeordneten vom Volk für
fünf Jahre gewählt wurden. Die Frauen mussten freilich, auch dies
eine Parallele zur Schweiz, noch bis 1960 warten, ehe ihnen
gleichfalls das Wahlrecht eingeräumt wurde.
Zu dieser Zeit waren die 60 Abgeordneten in drei Wählergruppen
unterteilt. Die Nobilitá wählte ebenso 20 Mandatare wie die Bürger
der Stadt (Cittadini) und jene des Landes (Contadini). Mit der
Wahlrechtsreform von 1906 wurden nun neun Wahlkreise geschaffen, den
neun Gemeinden entsprechend, die jeweils zwischen drei und zehn
Abgeordnete in den "Groß- und Generalrat" wählten. Wahlberechtigt war
jeder Familienvorstand und zudem jeder Akademiker, unabhängig von
seinen Familienverhältnissen. Um künftig nepotistischen Entwicklungen
vorzubeugen, wurde gesetzlich untersagt, dass Vater und Sohn oder
Brüder zur selben Wahl antraten. Dieses Verbot gilt auch heute noch.
1920 wurde übrigens das Wahlrecht noch einmal geändert. Seitdem ist
San Marino ein einziger Wahlkreis, gewählt wird nach einem strikten
Verhältnis- und Listenwahlrecht. Eine Partei braucht also knappe zwei
Prozent der Wählerstimmen, um einen Abgeordneten stellen zu können.
Im Ersten Weltkrieg blieb San Marino zunächst neutral, unterzeichnete
jedoch einen am 24. Mai 1915 von Italien vorgeschlagenen Vertrag,
nach dem es sich verpflichtete, keine Haltungen zu unterstützen, die
Italien im Krieg schaden könnten. Beispielsweise durfte San Marino
keine italienischen Deserteure aufnehmen. Im Gegenzug durften
materielle Güter von San-Marinesen im Unterschied zu denen von
Italienern nicht zu Kriegszwecken beschlagnahmt werden. Mitte 1915
wurde jedoch das "Comitato pro fratelli combattenti" (Komitee pro
kämpfende Brüder) eingerichtet, eine Organisation zur Leistung
humanitärer Hilfe für Kriegsflüchtlinge. Als dieses ein Feldlazarett
aufbaute, erklärte Österreich-Ungarn San Marino den Krieg. Im Ersten
Weltkrieg fielen zwei San-Marinesen. Auf die Kriegserklärung von 1915
geht auch ein europäisches Kuriosum zurück: San Marino befand sich
somit ab 1915 offiziell im Kriegszustand mit Deutschland, erklärte
ihm aber nie den Frieden, sodass sich San Marino 1939 mit Ausbruch
des Zweiten Weltkrieges offiziell noch immer im Krieg mit Deutschland
befand.
Unmittelbar nach dem Krieg geriet Italien in eine politische Krise,
die in der Machtergreifung der Faschisten mündete. In San Marino kam
es daraufhin gleichfalls zur Bildung einer faschistischen Partei, die
1923 im Bündnis mit der Volkspartei die Macht übernehmen konnte. Die
Sozialisten und die junge kommunistische Partei wurden in den
Untergrund gedrängt und wie in Italien mit der Übernahme des
italienischen "Legge Acerbo" 1926 de facto eine Diktatur errichtet,
wenngleich San Marino formell neutral blieb und auch die Konsuln
weiterhin alle sechs Monate wählen ließ. Mit dem Sturz Mussolinis
brach aber auch in San Marino der Faschismus zusammen, und im Sommer
1943 übernahm eine breite Volksfront aus Sozialisten, Kommunisten,
Liberalen und christlichen Sozialisten die Regierung. Volkspartei und
Faschisten befanden sich in einer politischen Quarantäne, aus der die
Volkspartei erst 1948 ausbrechen konnte, nachdem sie sich in
"Christliche Demokratie San Marinos" umbenannt hatte.
Von 1945 bis 1957 stellten Sozialisten und Kommunisten gemeinsam die
Regierung, im Westen Europas jener Tag eine absolute Besonderheit,
waren doch die Kommunisten Ende der 40er Jahre im Zuge des "kalten
Krieges" überall aus ihren Ämtern gedrängt worden. In San Marino aber
stand die Sozialistische Partei zu ihrem Koalitionsabkommen mit der
KP, das auch nach den Wahlen von 1951 und 1955, bei denen die beiden
Parteien zusammen 35 der 60 Sitze errungen hatten, erneuert wurde,
während die Christ- und die Sozialdemokraten sowie die Unabhängigen
in Opposition verblieben. 1957 spalteten sich aber fünf Abgeordnete
der SP ab und gründeten die "Unabhängige Sozialistische Partei",
welche sich dem Oppositionslager anschloss. Die Linkskoalition verlor
dadurch ihre parlamentarische Mehrheit. Das politische Patt wurde
schließlich im Oktober 1957 durch einen weiteren Abgeordneten gelöst,
der, wiewohl Mitglied der kommunistischen Fraktion, für die
Opposition stimmte. Für die nächsten 20 Jahre wurde San Marino so von
einer rechten Koalition geführt.
Erst 1978 gewannen SP und KP gemeinsam wieder die absolute
Mandatsmehrheit (mit acht bzw. 23 Sitzen) und formten in der Folge
erneut die Exekutive. Mit der jungen Lea Pedini wurde erstmals eine
Frau "Capitano Reggento" und damit Staatsoberhaupt. 1982 konnten die
beiden Linksparteien ihren Wahlerfolg wiederholen, doch nach der
Wahlniederlage der Sozialisten im Jahre 1986 ging die Mehrheit im
Parlament verloren. So kam es zu einem bemerkenswerten Novum:
Kommunisten und Christdemokraten einigten sich auf eine Koalition und
führten das Land sechs Jahre lang als Links-Rechts-Regierung. Der
Zerfall des realsozialistischen Blocks stürzte aber auch die
Kommunisten San Marinos in eine Krise. Auf einem Sonderparteitag
benannte sich die KP in "Progressivdemokratische Partei" um. Der
marxistische Flügel trat daraufhin aus der Partei aus und gründete
die "Partei der kommunistischen Wiedergründung" (Rifundazione
Comunista), von der sich später die "Kommunisten San Marinos"
abspalteten, die sich allerdings mit der RCSM 2000 wieder zur
"Vereinigten Linken" zusammenschlossen. Die Sozialisten wurden in
diesem politischen Prozess völlig zerrieben und traten ähnlich wie
ihre italienische Bruderpartei von der politischen Bühne ab. Heute
haben die Sozialisten gerade noch drei Mandate und sind damit die
kleinste der fünf Fraktionen im san-marinesischen Parlament. Rittern
Christdemokraten und PDP, die sich seit 2006 "Partei der Sozialisten
und Demokraten" nennt, regelmäßig um Platz 1, so gibt es zwischen
"Vereinigter Linker" und Liberalen ein Duell um den dritten Platz.
Bei den bislang letzten Wahlen im Jahr 2006 kam es neuerlich zu einem
politischen Novum, die Regierung stellen PSD, Linke und Liberale,
während Christdemokraten, Sozialisten und die fraktionslosen
Abgeordneten die Opposition stellen.
San Marino heute
Die alte Institution des Arengo, ursprünglich die Versammlung
sämtlicher Familienoberhäupter und damit durchaus der "freien
Landsgemeinde" in der Schweiz entsprechend, übertrug ihre
Machtbefugnisse schon im Mittelalter dem Consiglio Grande e Generale
(Großer und Allgemeiner Rat). Heute wird die Gesamtheit der
Wahlberechtigten als Arengo bezeichnet und wird zweimal pro Jahr am
Sonntag nach der Amtseinführung der Capitani Reggenti einberufen. Die
Bürger von San Marino haben dabei die Gelegenheit, dem Consiglio
Grande Vorschläge und Gesuche von allgemeinem Interesse zu
unterbreiten, womit quasi für zwei Tage im Jahr jede Bürgerin und
jeder Bürger Parlamentarier ist.
Die gesetzgebende Gewalt wird vom Consiglio Grande e Generale
ausgeübt, dessen 60 Mitglieder von der Bevölkerung auf fünf Jahre
gewählt werden. Er genehmigt den Staatshaushalt und ernennt die
Capitani Reggenti. Die Regenten sind die Oberhäupter des Staates und
der Exekutive, sie bleiben sechs Monate im Amt und werden am 1. April
und 1. Oktober eines jeden Jahres feierlich eingesetzt.
Darüber hinaus obliegt das Parlament die eigentliche Gesetzgebung, es
wirkt aber auch als "Oberster Gerichtshof", an den jeder Bürger
appellieren kann, wenn er mit Urteilen der unteren Instanzen nicht
zufrieden ist. Dem Parlament kommt auch ein Begnadigungs- und
Amnestierungsrecht zu. Ebenso müssen Staatsverträge vom Consiglio
genehmigt werden. Das Parlament ernennt die Beamten des Staates und
wählt zudem aus seiner Mitte den 12köpfigen Staatsrat, dessen
Vorsitzende die beiden Capitani Reggenti sind. Hinzu kommen zehn
Regierungsmitglieder, die im "Congresso di Stato" zusammengefasst
sind. Während sich die Verantwortlichen für Äußeres, Inneres und
Finanzen Minister nennen dürfen, müssen sich die Ressortleiter für
Kultur, Arbeit, Handel, Landwirtschaft, Tourismus, Justiz und
Soziales mit dem Titel "Deputierter" bescheiden.
Seit Ende der 1950er Jahre nahm der Tourismus eine immer größere
Rolle in San Marino ein. Im Jahr 2005 besuchten über 2 Millionen
Touristen den Staat mit seinen gut 30.000 Einwohnern. Die
Steuereinnahmen stiegen, sodass seit 1975 die gesamte medizinische
Versorgung kostenlos angeboten werden kann. Heute fließen 60 Prozent
der Einnahmen der Republik direkt oder indirekt durch den Tourismus
ins Land. Die meisten Touristen kommen für Tagesausflüge von den
Touristenzentren der nahen Adria, beispielsweise von Rimini und
Pesaro. Die Republik - seit 1992 auch Mitglied der Vereinten Nationen
- ist vollkommen schuldenfrei.
Das Parlamentsgebäude
Das Parlament (www.consigliograndeegenerale.sm) tagt im
Regierungspalast, der auch den Capitani Reggenti und den diversen
Institutionen der Regierung Raum bietet. Der Baukern des Gebäudes
stammt aus dem 13. Jahrhundert, doch steht der Palast auf reichlich
unsicherem Terrain, sodass er zwischen 1884 und 1894 von Grund auf
neu gebaut wurde. Auch dieses Gebäude erwies sich als nicht wirklich
sicher, sodass zwischen 1990 und 1996 abermals umfassende
Renovierungsarbeiten durchgeführt werden mussten, um das Bauwerk zu
stabilisieren und einer weiteren Nutzung zuführen zu können.
Errichtet wurde das heutige Gebäude nach Plänen des italienischen
Architekten Francesco Azzuri. Die Außenfassade ist im Stil der
toskanischen Renaissance gehalten, das Interieur entspricht den
Vorstellungen der Neogotik. Über eine Prunkstiege gelangt man ins
Audienzzimmer, an dessen Wänden die Namen aller Capitani Reggenti
seit dem Hochmittelalter festgehalten sind. Im Großen Sitzungssaal
dominierten Gemälde im Stil des Historismus, die wichtige Szenen aus
der Geschichte des Landes festhalten. Über dem Wirken von Parlament
und Regierung wachen gleichsam die Heiligen Marinus, Leo und Agathe,
deren Statuen das Gebäude dominieren. Vor dem Parlament befindet sich
eine san-marinesische Freiheitsstatue, und auf die "Libertas" nahm
auch der Festredner Bezug, der 1894 das neue Gebäude feierlich
eröffnete. Niemand geringerer als Literaturnobelpreisträger Giosue
Carducci beschwor bei dieser Gelegenheit die immer währende Freiheit,
deren Verteidigung sich alle Menschen verschreiben sollen, damit auch
in Zukunft die Bürgerinnen und Bürger "frei von jedem anderen
Menschen" sein können.
HINWEIS: In dieser Serie sind bisher erschienen: Porträts der
Parlamente der Teilnehmerländer der EURO 08 (Schweiz, Griechenland,
Deutschland, Kroatien, Polen, Tschechien, Portugal, Türkei,
Frankreich, Italien, Rumänien, Niederlande, Schweden, Spanien,
Russland und Österreich) sowie Darstellungen des Parlamentarismus in
Albanien, Andorra, Belgien, Bosnien, Bulgarien, Dänemark, Estland,
Finnland, Irland, Island, Lettland, Liechtenstein, Litauen,
Luxemburg, Makedonien, Malta, Moldawien, Monaco, Montenegro und
Norwegen. (Schluss)
Eine Aussendung der Parlamentskorrespondenz
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