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"Charles Darwin wurde vom Vatikan nie verurteilt"

Päpstlicher Kultur-Rat hat Schirmherrschaft über Tagung zu Darwins Hauptwerk "Die Entstehung der Arten" - Erzbischof Ravasi: Zwischen Naturwissenschaft und Theologie gibt es "keine Chinesische Mauer und keinen Eisernen Vorhang"

Vatikanstadt, 16.9.08 (KAP) 150 Jahre nach der Veröffentlichung von Darwins Hauptwerk "Die Entstehung der Arten" (On the origin of species) will der Vatikan die Evolutionstheorie neu diskutieren. Die für März 2009 geplante Expertentagung solle helfen, Vorurteile und Arroganz auf beiden Seiten abzubauen, sagte der Präsident des Päpstlichen Kultur-Rates, Erzbischof Gianfranco Ravasi, bei der Vorstellung der Konferenz am Dienstag im Vatikan. Charles Darwin sei vom Vatikan nie verurteilt worden, sein Buch stehe nicht auf dem Index. Allerdings gebe es auch kritische Fragen seitens des katholischen Lehramts.

Der Päpstliche Kultur-Rat hat die Schirmherrschaft über die Tagung übernommen, bei der 36 europäische und US-amerikanische Wissenschaftler referieren. Organisiert wird das Treffen gemeinsam von der Päpstlichen Gregoriana-Universität in Rom und der University of Notre Dame in South Bend (USA). Die Tagung vom 3. bis 7. März 2009 ist Teil des 2003 ins Leben gerufenen Projekts "STOQ" für den interdisziplinären Austausch zwischen Naturwissenschaft, Theologie und Philosophie.

Zwischen Naturwissenschaft und Theologie gebe es "keine Chinesische Mauer und keinen Eisernen Vorhang", sagte Ravasi. Aus Sicht des Vatikans sei die Evolutionstheorie grundsätzlich mit der Bibel und der kirchlichen Lehre vereinbar. Das würden auch Aussagen der Päpste Pius XII. und Johannes Paul II. belegen.

Johannes Paul II. hatte den wachsenden Konsens der Wissenschaftler hervorgehoben, aber zugleich weltanschauliche Deutungen mit materialistischer Stoßrichtung zurückgewiesen. Diese Frage falle in die Zuständigkeit der Philosophie und darüber hinaus der Theologie, betonte er.

Ravasi erklärte, seitens der Kirche gelte es, die "Hybris einer bestimmten Theologie der Vergangenheit" zu überwinden. Bisweilen habe die Absicht der Glaubensverteidigung die Haltung gegenüber naturwissenschaftlichen Thesen dominiert. Hier verlangte der Erzbischof einen "Akt der Demut" im Blick auf die Grenzen des eigenen Fachs. Naturwissenschaftler ihrerseits dürften den Glauben nicht als "intellektuelle Altsteinzeit" ansehen. Naturwissenschaft und Religion stünden nicht in Gegensatz zueinander, sondern müssten einander ergänzen.

Das Thema liege auch Benedikt XVI. am Herzen, betonte Ravasi. Unter anderem hatte sich das traditionelle Schülerkreis-Treffen im Herbst 2006 mit der Kontroverse um Evolutionslehre und Schöpfungsglauben befasst. Bei dem nichtöffentlichen Seminar in Castel Gandolfo ließ sich der Papst von rund 45 Theologen, Philosophen und Naturwissenschaftlern über neueste Entwicklungen in der Forschung informieren. Kardinal Christoph Schönborn hielt damals eines der Hauptreferate ("Glaube, Vernunft, Wissenschaft. Zur Evolutionismusdebatte"). Der Wiener Erzbischof arbeitete damals klar heraus, dass sich die kirchlichen Bedenken nicht gegen die Evolutionstheorie als solche richte, sondern gegen den "Evolutionismus", die Überhöhung einer wissenschaftlichen Theorie zur alles erklärenden Ideologie. Die Tagung des Schülerkreises wurde in dem im Augsburger "St. Ulrich"-Verlag erschienenen Band "Schöpfung und Evolution" dokumentiert. (forts)
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