• 13.08.2008, 18:21:59
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Der goldene Fußtritt bei Post und Telekom

"Presse"-Leitartikel, vom 14. August 2008, von Gerhard Hofer

Wien (OTS) - Menschen werden mit Golden Handshake in die Armut
getrieben. Auswüchse eines pervertierten Sozialsystems.

Jetzt haben wir es wieder Schwarz auf Weiß, wie es sich die Beamten
in diesem Land ordentlich richten. 45 Monatsgehälter werden einem
Postangestellten und einem Telekom-Austria-Mitarbeiter
nachgeschmissen, wenn er freiwillig seinen goldenen Käfig verlässt.
1500 Beamte sollen heuer noch den Verlockungen des lieben Geldes
erliegen. Telekom Austria und Post lassen sich diese Aktion wohl an
die 200 Millionen Euro kosten.

Wie hört sich das wohl an für ganz "normale" Menschen, die ebenfalls
ihren Arbeitsplatz verloren haben? Für jene, die aber mit Kündigung
nicht silbernes Tablett und roten Teppich verbinden?

Es soll sich wohl ganz genau so anhören. Eine riesige Kündigungswelle
mutiert zu einem Lottogewinn. Tatsächlich führt an den Golden
Handshakes heute kein Weg vorbei. Die Weichen wurden vor vielen
Jahren falsch gestellt. Als der Staat noch den Markt bestimmte, oder
zumindest so tat, als ob.

Heute stehen die früheren Staatsbetriebe im internationalen
Wettbewerb und das Management kann nur noch die Notbremse ziehen. In
welche Sackgasse das pragmatisierte Beamtentum in diesen Unternehmen
geführt hat, veranschaulicht das sogenannte
Karriere-Entwicklungs-Center der Post. Dort haben viele "Unkündbare"
jahrelang Daumen gedreht und über das eigene Unnötigsein sinniert.
Karriere-Zentrum hat das früher geheißen. Aber als die Besucher
dieses Etablissement zynisch als "KZ" bezeichnet haben, wurde das
Karriere-Zentrum in Karriere-Entwicklungs-Center umgetauft. In der
Telekom Austria nennt sich das Personal-Abstellgleis deshalb ganz
salopp "Personal-Agentur".

De facto werden in diesen speziellen Einrichtungen unkündbare Beamte
so lange weichgekocht, bis sie endlich einem Golden Handshake
zustimmen. Jene Betriebsräte, die diesen Leuten jahrzehntelang
eingeredet haben, dass ihnen nichts passieren kann, sprechen dann von
"sozial verträglichen Maßnahmen". Hauptsache sozial.

Diese Art von Sozialismus findet übrigens auch an der Börse Anklang.
Am Tag, nachdem "Die Presse" berichtet hatte, dass 500 Mitarbeiter
der Post noch heuer das Unternehmen verlassen sollen, stieg die
Post-Aktie vorübergehend um mehr als sieben Prozent. Und was passiert
übrigens mit den vergoldeten Ex-Postlern und Telekom-Leuten, wenn sie
ihren Goldenen Handshake aufgebraucht haben? Ihre Jobchancen
tendieren angesichts ihres fortgeschrittenen Alters nahezu gegen
null.

Die allermeisten werden etwa zehn Jahre lang ein arbeits- und mangels
Betätigung trostloses Dasein fristen. Und später, als Früh- und
teilweise auch als Mindestrentner, werden sie ihre anonymen Auftritte
in herzzerreißenden Arbeiterkammer-Studien haben, die mit Titeln wie
"Die Armen werden immer ärmer" oder "Soziale Kälte in diesem Land
nimmt zu" Veröffentlichung finden.

Die "soziale Kälte" in diesem Land wurzelt in erster Linie in einem
pervertierten Sozialsystem. Etwa in einem Kündigungsschutz, der
Tausende am Ende trotzdem schutzlos - und nutzlos - zurücklässt.
Diese "soziale Kälte" wurzelt in einer Zeit, als Politiker
Arbeitsplätze vergeben haben (und nicht etwa Unternehmer). Diese
Zeiten sind mittlerweile - zumindest für die breite Masse, nicht für
Topmanager staatsnaher Betriebe - vorbei. Aber in den Hinterstübchen
der Österreicher sind diese leidigen Relikte der 70er- und 80er-Jahre
noch immer ganz fest eingebrannt.

Hierzulande verlässt man sich eben noch immer gerne auf die Politik,
wenn's eng wird. Siehe dieser Tage die AUA. Da muss natürlich auch
nach dem Verkauf an die Lufthansa noch eine "österreichische
Sperrminorität" erhalten bleiben, um Arbeitsplätze zu retten. Dass
Staatsanteile keine Job-Garantie sind, zeigen nun Post und Telekom.
Dort hält der Staat 51 bzw. 27 Prozent.

Für die Politiker ist diese verdrehte Wahrnehmung in der
Öffentlichkeit natürlich sehr angenehm. Seit jeher ist in Österreich
nämlich klar, dass die Politiker Arbeitsplätze schaffen, die
Gewerkschafter Arbeitsplätze verteidigen und die Unternehmer Leute
rausschmeißen. Auf die Idee, dass Arbeitsplätze vor allem dann auch
langfristig sicher sind, wenn Unternehmen Gewinne schreiben und die
Politik tunlichst die Hände von diesen Unternehmen lässt, auf diese
Idee wollen in diesem Land viele nicht kommen. Eigenverantwortung ist
nämlich unsozial. Dann doch lieber mit Goldenem Handschlag zum
Sozialfall werden. Hauptsache sozial.

Rückfragehinweis:
Die Presse
Chef v. Dienst
Tel.: (01) 514 14-445
E-mail: chefvomdienst@diepresse.com

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