- 11.08.2008, 17:20:53
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WirtschaftsBlatt-Kommentar: Wenn geschossen wird, steckt Öl dahinter - von Herbert Geyer
Georgien macht Europa noch ein bisschen abhängiger
Wien (OTS) - Wenn irgendwo geschossen wird, ist zumeist ganz in
der Nähe ein Ölhahn zu finden. Es war ein verhängnisvoller Fehler des
georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili, diese Tatsache nicht
ausreichend in seine Überlegungen einzubeziehen, als er seine Truppen
nach Südossetien in Marsch setzte.
Denn Saakaschwili mag wirklich nur an die Rückeroberung der
abtrünnigen Provinzen Südossetien und Abchasien gedacht haben, als er
den Krieg vom Zaun brach - und damit den Russen einen Vorwand
lieferte, gleich ganz Georgien wieder in ihren Einflussbereich
zurückzuholen.
Dort steht in diesem Fall der Ölhahn, um den es in dem Konflikt
eigentlich geht: Durch Georgien führen die einzigen unabhängigen Öl-
und Gaspipelines, mit denen die begehrten Rohstoffe aus den Lagern
rund um das kaspische Meer sowie aus den weiter östlich liegenden
Republiken Kasachstan und Turkmenistan nach Westen gebracht werden
können.
Diese Pipelines haben momentan für die Versorgung Europas keine
überragende Bedeutung - die transkaukasische Pipeline
Baku-Tiflis-Ceyhan, die seit 2005 Rohöl aus Aserbaidschan und
Kasachstan nach Westen befördert, ist seit Wochen nach einem Brand in
der Türkei außer Betrieb, ohne dass das im Westen besonders
aufgefallen wäre.
In dem Moment aber, in dem Russland - aus welchen Gründen auch immer
- auf die Idee käme, dem Westen den Öl- oder Gashahn zuzudrehen, wäre
der Weg über den Kaukasus die einzige Chance, Europa aus alternativen
Quellen zu versorgen. Daher auch die gewaltigen Investitionen in
Pipeline-Projekte wie Nabucco, mit der Gas aus dem Kaukasus über die
Türkei nach Europa geleitet werden soll.
Russland haben diese Bestrebungen Europas, zumindest theoretisch
unabhängig von seinen Gas- und Öllieferungen zu werden, nie gefallen.
Daher nimmt es die Gelegenheit, Georgien wieder in seinen
Einflussbereich zu bekommen, begeistert wahr. Osteuropäische
Experten, die für russische Absichten immer noch ein besonderes
Sensorium haben, erwarten, dass Russland die Gelegenheit nützen
könnte, sich auch gleich Aserbaidschan wieder einzuverleiben: Die
Republik ist von ihren Einnahmen aus Ölexporten nach Westen abhängig
- wenn der Weg über Georgien versperrt wird, bleibt nur mehr der über
Russland, Aserbaidschan ist also nach einem Fall Georgiens von
Russland erpressbar.
Bei alledem kann der Westen nur zusehen: Für Georgien einen großen
Krieg gegen Russland zu wagen, ist undenkbar.
Rückfragehinweis:
WirtschaftsBlatt
Redaktionstel.: (01) 60 117/300
http://www.wirtschaftsblatt.at
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