- 11.08.2008, 11:25:39
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Kampf gegen Armut: Arbeiterkammer legt Maßnahmenpaket vor
AKNÖ-Studie: Bei Jobverlust droht auch Mittelschicht Armut
Wien (AKNÖ) - Die Inflation hat die Armutsgefährdung für weite
Bevölkerungsteile drastisch verschärft. Sie reicht bis weit in die
Mittelschicht hinein. Zu diesem Schluss kommt eine neue Studie der
niederösterreichischen Arbeiterkammer. Sie hat untersucht, wie sich
die Teuerung auf Arbeitslose und prekär Beschäftigte auswirkt.
Mehr als 60 Prozent der ArbeitnehmerInnen verdienen weniger als 2.149
Euro brutto und sind armutsgefährdet, wenn sie ihren Job verlieren.
Was ihnen an Arbeitslosengeld bleibt, liegt unter der
inflationsbereinigten Grenze der Einkommensarmut. "Am härtesten
trifft das Frauen. Mehr als drei Viertel verdienen weniger als 2.149
Euro", sagt Studienautor Marc Pointecker.
Dass trotzdem "nur" 33 Prozent der Arbeitslosen als armutsgefährdet
gelten, haben sie ihren PartnerInnen zu verdanken. "Oft verhindert
nur ein Partner oder eine Partnerin mit seinem oder ihrem Einkommen,
dass Arbeitslose in die Armut rutschen", analysiert Pointecker. "Das
für europäische Verhältnisse niedrige Arbeitslosengeld reicht meist
nicht dazu aus". Durchschnittlich liegt es bei 770 Euro im Monat -
das sind real um 4 Prozent weniger als im Jahr 2000, in
Niederösterreich sind es real sogar um 4,9 Prozent weniger.
Durchschnittlich 595 Euro Notstandshilfe
Noch härter trifft es NotstandshilfebezieherInnen. Durchschnittlich
bekommen sie 595 Euro im Monat - auch das ist deutlich weniger als im
Jahr 2000: Real sank die Notstandshilfe um 7,6 Prozent, in
Niederösterreich um 7,8 Prozent. "Das hängt damit zusammen, dass das
PartnerInneneinkommen in die Berechnung der Notstandshilfe
miteinbezogen wird. Verdient der Partner oder die Partnerin mehr als
einen bestimmen Betrag, sinkt die Notstandshilfe. Leider sind diese
so genannten Freigrenzen sehr niedrig angesetzt und sind de facto
nicht inflationsangepasst. Das führt dazu, dass auch sehr niedrige
PartnerInneneinkommen die Notstandshilfe deutlich nach unten
drücken", erklärt Pointecker. Das verschärfe die Situation für
NotstandshilfebezieherInnen zusätzlich.
Auch prekär Beschäftige akut gefährdet
Auch prekär Beschäftigte sind laut Studie akut armutsgefährdet. Fast
jede/r vierte geringfügig Beschäftigte leidet unter Einkommensarmut.
Ähnliches gilt für Saisonbeschäftigte und Freie DienstnehmerInnen und
andere Formen der prekären Beschäftigung. Das trifft
überdurchschnittlich oft Frauen und MigrantInnen. Die Zahl prekär
Beschäftigter ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen, etwa
die Zahl geringfügig Beschäftigter. "Allein in Niederösterreich gibt
es mehr als 40.000 geringfügig Beschäftigte, österreichweit sind es
mehr als 280.000", sagt Pointecker. Armutsgefährdung besteht auch für
die große Gruppe von Vollzeitbeschäftigten im Niedriglohnbereich. "Es
gibt immer noch tausende Vollzeitbeschäftigte, die weniger als 850
Euro netto im Monat verdienen".
Armutsgefährdete trifft Inflation besonders hart
2,1 Millionen Österreicher können sich keinen Urlaub leisten, 840.000
leben in feuchten und schimmligen Wohnungen und 313.000 haben zu
wenig Geld, um im Winter ihre Wohnung warm zu halten. Diese Menschen
trifft die Inflation am härtesten. Sie geben bis zur Hälfte ihres
Einkommens für Nahrung und fürs Wohnen beziehungsweise Heizen aus. Da
tut jeder Euro Mehrkosten besonders weh. "Die Nahrungsmittelpreise
sind innerhalb von zwölf Monaten um 6,8 Prozent gestiegen. Wenn eine
Familie jeden fünften Euro fürs Essen ausgibt, wie die untersten
Einkommensschichten, trifft sie das weitaus härter als jemanden aus
oberen Einkommensschichten, der nur jeden zwölften Euro dafür
ausgibt", sagt Pointecker.
Kampf gegen Armut verstärken
AKNÖ-Präsident Josef Staudinger formuliert anhand der Studie ein
umfassendes Forderungspaket: "Die soziale Absicherung bei
Arbeitslosigkeit muss besser werden: Das heißt, das Arbeitslosengeld
sollte zumindest an das europäische Niveau angepasst werden, das bei
75 Prozent des Letzteinkommens liegt. In Österreich sind es 55
Prozent. Nur in Irland, Ungarn und Griechenland ist die soziale
Absicherung schlechter als in Österreich, überall sonst ist sie
besser". Außerdem müssten Arbeitslosengeld und Notstandshilfe an die
Inflation angepasst werden.
Notwendig ist für Staudinger auch eine Steuerreform. "Die Lohnsteuern
müssen runter, etwa mit einem geringeren Eingangssteuersatz", sagt
Staudinger. Zusätzlich fordert er einen höheren Steuerbonus für
NiedrigverdienerInnen. Eine Entlastung würde auch die Senkung der
Mehrwertsteuer auf Lebensmittel bringen.
"Wünschenswert wäre auch eine produktivitätsorientierte Lohnpolitik.
Die könnte ein wirksamer Beitrag gegen Armut sein", analysiert
Pointecker. "Die Produktivität steigt jährlich um etwa 1,5 Prozent,
da ist es nur legitim zu fordern, dass Löhne und Gehälter jährlich um
mindestens 1,5 Prozent stärker steigen als die Inflation", sagt
Staudinger. "Dann steigen die Gewinne nicht mehr zulasten der Löhne
und den ArbeitnehmerInnen bleibt mehr Geld".
"Traurig ist, dass die Studie bestätigt, dass besonders Frauen
betroffen sind", sagt Staudinger. "Die Ergebnisse bestätigen uns
eindeutig in unserer langjährigen Forderung nach mehr
Kinderbetreuungseinrichtungen und Ganztagsschulen. Das würde vielen
Frauen, vor allem Alleinerzieherinnen, die Möglichkeit geben, eine
Arbeit anzunehmen, von der sie auch leben können".
Staudinger fordert auch eine Reihe flankierender Maßnahmen, die
Menschen aus der Armut helfen: "Es muss mehr aktive
Arbeitsmarktpolitik geben. Menschen müssen die Möglichkeit haben,
ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt mit Aus- und Weiterbildung zu
erhöhen". Gleichzeitig müsse der Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz
ausgebaut werden. "Nicht zu vergessen ist die rasche Einführung einer
bedarfsorientierten Mindestsicherung", fordert Präsident Staudinger.
Rückfragehinweis:
AKNÖ Wirtschaftspolitik
Marc Pointecker
01 58883 1606
Aktuelle Informationen finden Sie auch auf noe.arbeiterkammer.at/presse
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